Wie Carpenter Flo seinen eigenen Zimmerer-Betrieb aufbaute
28. März 2023
Begeisterter Handwerker und sicher im Umgang mit Internet und Sozialen Medien: Das sorgt für Aufmerksamkeit. Carpenter Flo, bürgerlich Florian Wilhelmy, ist im Netz schon lange bestens bekannt. Seit einiger Zeit hat der Zimmerermeister aber nicht nur dort Erfolg – sondern auch ganz bodenständig mit einem eigenen Betrieb in Neustadt an der Weinstraße.
Ehefrau Sarah schmeißt das Büro
Endlich selbstständig! Für Florian Wilhelmy alias Carpenter Flo ging im November 2021 ein längerer Entwicklungsprozess zu Ende, dann wurde der Traum der Selbstständigkeit wahr. In der Rhein-Neckar-Region betreibt er heute die Dach & Holzbau Wilhelmy GmbH mit vier Vollzeitkräften, Ehefrau Sarah schmeißt den Laden als erste Ansprechpartnerin am Telefon. „Die soll sehr nett sein, wird mir immer wieder gesagt“, lacht der 30-Jährige.
Praktikum beim Zimmerer gab den Ausschlag
Zehn Jahre zuvor stand für ihn zumindest schon fest: Fensterbauer wollte er nicht werden. Denn nach dem guten Realschulabschluss und einigen Praktika als Schreiner hatte „der Flo“ das Gefühl, dass es in diese Richtung gehen sollte. „Ich wollte was Konkretes machen, zum Beispiel klassischen Möbelbau. Aber der stirbt ja auch langsam aus. Also habe ich‘s mal beim ortsansässigen Zimmerer versucht.“ Der Beruf war’s dann: „Das individuelle Arbeiten mit Holz, Ziegeln, Blech und mehr hat mich begeistert.“
Kammerbester und Begabtenförderung
Eine Begeisterung, die Florian Wilhelmy seither mit jeder Faser lebt. Wer seinen Job liebt, hat auch Erfolg: Er schloss seine Ausbildung als Kammerbester ab, bekam Begabtenförderung und war bei Leistungswettbewerben auf Landesebene immer ganz vorne dabei. „In jenen Jahren habe ich meinen gesamten Urlaub für Weiterbildungen geopfert. Ich bin im Biberacher Bildungszentrum von Holzbau Baden-Württemberg häufig zu Gast gewesen.“
Meisterkurse schon vorab gemacht
Schließlich ging‘s auf die Meisterschule nach Kaiserslautern, 2016 war er dort fertig. Teil 3 und 4 der Meisterausbildung hatte er schon vorher in einem dreimonatigen Kurs gemacht. „So hatte ich in dem Jahr, das einen eigentlich in Vollzeit beansprucht, auch Freistunden. Die habe ich entweder für die Schule oder für den Minijob genutzt. Man muss ja von was leben.“ Zwei Jahre arbeitete er als Meister noch in seinem Ausbildungsbetrieb, dann wechselte er in einen anderen, kleineren Betrieb.
„Daneben der Medienkram …“
So richtig gefordert fühlte er sich dort aber nicht: „Ich hatte das Gefühl, ein besser bezahlter Geselle zu sein.“ Erstmals dachte der Zimmerer darüber nach, sich selbstständig zu machen – da flatterte 2019 ein Infobrief der Handwerkskammer ins Haus, die betriebswirtschaftliche Kurse anbot. Ein Zeichen? Florian Wilhelmy lacht: „Ich habe dann zwei Jahre lang jeden Freitag und Samstag Kurse, Kurse, Kurse gemacht.“ Leicht war die Zeit nicht: „Vier Tage Arbeit, zwei Tage Weiterbildung, Frau schwanger, dann ein kleines Kind zu Hause und daneben noch der Medienkram mit Instagram und mehr.“ Schließlich folgte der erfolgreiche Abschluss als Betriebswirt im Handwerk.
Die Geburt von „Carpenter Flo“
Jetzt ist der Zeitpunkt, um über Carpenter Flo zu schreiben. Denn Florian Wilhelmy kennen im Internet eher wenige, den Carpenter Flo dafür umso mehr – heute hat er allein auf Instagram mehr als 20 000 Follower. Wie kam es dazu? „Ich hatte in der Meisterschule 24 Klassenkameraden und habe mich gefragt: Was kann ich tun, um zwischen denen herauszustechen?“ Er folgte selbst seit einiger Zeit amerikanischen Handwerkern, die ihren Arbeitstag im Web erlebbar machten. Nun fing er selbst an zu bloggen. „Sowas gab‘s in Deutschland ‚damals‘ noch gar nicht, mir hat das aber gefallen. Ich habe erstmal angefangen, etwas von meiner Arbeit zu zeigen. Das fand aber schnell großen Anklang und ist relativ flott gewachsen.“
Angebote für eigene Fernsehsendung
So entstand die Marke Carpenter Flo. Firmen meldeten sich bei ihm, die Follower-Zahlen bei Instagram stiegen rasant, auch Medien wurden auf ihn aufmerksam. „Am Ende hatte ich sogar Angebote von Privatsendern, meine eigene Handwerkersendung zu machen. Für unseren Berufszweig Zimmerer war das natürlich eine tolle Sache. Der Nachwuchsmangel ist ja bekannt, so erreicht man junge Leute am besten. Alle anderen natürlich auch.“
Lieber Fachwerksanierung als Flachdächer decken
Zum Beispiel potenzielle Kunden. Zwar arbeitete Wilhelmy vier Tage für seinen eigentlichen Arbeitgeber, aber im Nebenerwerb zudem noch auf eigene Rechnung. „Ich habe dann privat sehr interessante Anfragen bekommen, zum Beispiel Fachwerkhäuser zu sanieren oder Neubauten zu stellen. Das musste ich alles absagen – keine Zeit. Stattdessen bin ich vier Tage die Woche über irgendwelche Flachdächer gehopst.“
Irgendwann gab er dann ein Angebot für die Sanierung eines 400 Jahre alten Fachwerkhauses ab. „Das habe ich auch gut kalkuliert. Und das passte dann: fachlich, finanziell, menschlich.“ Natürlich folgte noch das lange Gespräch mit Ehefrau Sarah. „Wenn die Partnerin nicht mitspielt, kann man das vergessen.“ Sie spielte mit: Die Dach & Holzbau Wilhelmy GmbH entstand.
Auch wichtig: 28-mal fünf Sterne bei Google
Seit Anfang November 2021 ist Florian Wilhelmy komplett selbstständig. Innerhalb kürzester Zeit fand er die ersten beiden Mitarbeiter, die in ihrem ursprünglichen Betrieb nicht mehr glücklich waren. „Zusammen haben wir dann das Fachwerkhaus gemacht, herrlich! Bei sowas ist der Zimmermann noch Zimmermann.“ Der Bauherr war begeistert, die Mund-zu-Mund-Propaganda lief an, dazu die sehr gut gemachte Sichtbarkeit in den Sozialen Medien als Carpenter Flo. „Das war der perfekte Einstieg in die Selbstständigkeit. Durch dieses und weitere Projekte bekam ich auch viele positive Bewertungen bei Google – ein Tipp, den ich unbedingt weitergeben kann. Die zu haben, macht viel aus.“ 28 Fünf-Sterne-Bewertungen hat die Dach & Holzbau Wilhelmy GmbH bis heute gesammelt, „davon profitieren wir ungemein.“
160 Quadratmeter Dachsanierung in drei Wochen
Ein anderes beispielhaftes Projekt für die Arbeit des noch jungen Betriebs war eine Dachsanierung von 160 Quadratmetern in Mußbach, dem Wohnort von Florian und Sarah Wilhelmy. „Da konnten wir praktisch hinlaufen. Das haben wir innerhalb von drei Wochen hingekriegt – und dabei dem ganzen Ort gezeigt, wie sauber und zügig wir arbeiten.“ Und zwar „tutti completti“: Alles abgedeckt, Zwischensparren- und Aufdachdämmung eingebracht, Latten und Blechanschlüsse und alles wieder mit Ziegeln eingedeckt. „Wir machen alles außer Flachdach und Schiefer, das dürfen wir auch nicht.“
Ausgebucht bis März 2024
Seither brummt das Geschäft. „Mußbach war noch mal sowas wie ein Kickstarter. Danach haben wir gleich zwölf große Anfragen bekommen. Eine große Baustelle folgt auf die nächste. Unsere Bücher sind momentan voll bis März 2024.“ Wo die Firma tätig war, sieht man übrigens beim näheren Hinschauen – denn in Sachen Marketing macht Florian Wilhelmy niemand etwas vor. „Wir hinterlassen dort, wo wir tätig waren, immer kleine Blechrosen. Sieht schick aus und ist ein Markenzeichen!“ Diese stellt Sarah Wilhelmy in Handarbeit her.
Mit seinen Internetaktivitäten kommt Carpenter Flo momentan kaum hinterher, zu sehr bindet ihn das eigentliche Geschäft. „Früher habe ich das zwei Stunden am Tag gemacht, jetzt ist es viel weniger – und bleibt trotzdem wichtig!“ Für seine Follower hat er sogar einen T-Shirt-Shop eingerichtet. Logos und Design rund um alles, was der Zimmerer so treibt, kommen von einer Freundin.
Materialeinkauf: Beste Unterstützung durch die DE Süd
Sein eigenes Material für die vielen Baustellen bezieht Florian Wilhelmy von der Dachdecker-Einkauf Süd eG, seit 2022 ist sein Betrieb Genossenschaftsmitglied. „Michael Lösch und sein Team in der Niederlassung Kirrweiler unterstützen mich bestens. Die sind unglaublich nett und völlig unkompliziert. Wie es sich der Handwerker halt wünscht.“
Rat an andere Betriebe: sichtbar werden
Für andere Betriebe hat Carpenter Flo einen wichtigen Rat: Selbst auch in den Sozialen Medien aktiv werden. Es sei ganz einfach. „Nicht lange nachdenken, einfach machen und authentisch sein. Ein paar Fotos auf der Baustelle, ein paar Sätze dazu, das ist doch schon einmal ein Anfang. Die Resonanz wird kommen.“ Bei ihm hat diese zum Beispiel junge Leute auf den Betrieb aufmerksam gemacht – ab August 2023 wird Florian Wilhelmy seinem ersten Auszubildenden die Tricks und Kniffe der Zimmerei beibringen.
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