Dachdeckermeister Oliver Oettgen: Mission Handwerksimage
7. Mai 2024
Er ist Buchautor, hält Vorträge, moderiert eine eigene Sendung im Internet, gibt Interviews, taucht in zahlreichen Medien auf – die Rede ist von Dachdeckermeister Oliver Oettgen aus Kerpen bei Köln. Die Mission des 40-Jährigen, der sich auch als „Handwerksdenker“ bezeichnet: Er will das Image des Handwerks verbessern.
Selbst konkret mit Fachkräftemangel zu tun
Denn dieses Image, davon ist Oliver Oettgen überzeugt, hat Kratzer bekommen. „Völlig unverdient, das wissen wir Handwerker alle. Die Gesellschaft generell und junge Menschen speziell haben aber zuletzt ein Bild entwickelt, das Handwerk mit harter Arbeit, schlechter Entlohnung und unattraktiven Arbeitszeiten verbindet. Dazu kommt der technologische Wandel, der viele neue Berufe geschaffen hat, die einfacher erscheinen als die Arbeit an frischer Luft und mit den Händen.“
Der Unternehmer führt in Kerpen mit der Over Dach GmbH, Mitglied der DEG Alles für das Dach eG, seit 2009 einen alteingesessenen Dachdeckerbetrieb mit derzeit 43 Mitarbeitern. Er weiß, worüber er spricht. „Mit Fachkräftemangel habe ich selber konkret zu tun, und den Gegensatz zwischen dem schlechten Image des Handwerks und den Beteuerungen, wie wichtig doch das Handwerk für unser Land ist, kenne ich wie alle meine Kollegen.“
Medial bis Ende 2022 „komplett ruhig“
Genau dieser Gegensatz hat den Dachdeckermeister zunehmend genervt und ihm keine Ruhe mehr gelassen. Weil Oliver Oettgen ein großes Faible für die digitalen Medien hat und sich zu präsentieren weiß, legte er irgendwann einfach los. „Bei meinem Unternehmen Over Dach hatte ich selbst bisher auch eher auf das klassische Marketing wie ‚Corporate Design‘ mit Arbeitskleidung, Firmenwagen und Werbung im Internet gesetzt. Medial war ich bis Ende 2022 komplett ruhig.“
Drei Dinge gaben den Ausschlag für die „Medienkarriere“
Das ist jetzt, nur knapp eineinhalb Jahre später, völlig anders. Drei Dinge gaben den Ausschlag für die „Medienkarriere“ von Oliver Oettgen: Positive Gemeinschaftserlebnisse 2021 und 2022 bei der Hilfe nach der Ahrtal-Flutkatastrophe, die Diskussionen um den Wert des Handwerks, der akute Fachkräftemangel und die Tatsache, dass sein eigentlich schon ausgeschiedener Vater, seine Familie und sein Team ihm den Rücken freihalten im Handwerksbetrieb, damit er als „Handwerksdenker“ durchstarten kann.
Als Gemeinschaft die Ursachen bekämpfen
Oliver Oettgen gibt ein Beispiel, was seiner Meinung nach im Handwerk schiefläuft: „Man versucht sich beim Fachkräftemangel dadurch zu helfen, dass man beim Kollegen die Leute abwirbt. Dann hat der aber wieder Lücken. Wir machen den Fehler, dass jeder für sich alleine an den Symptomen herumdoktert. Stattdessen müssen wir als Gemeinschaft auftreten und die Ursachen bekämpfen.“ Die sind nun mal unter anderem ein angekratztes Handwerks-Image mit den daraus resultierenden Folgen. Viele Kollegen bestätigten ihm in Gesprächen, dass er mit seiner Sicht richtig liegt und es mehr gemeinsamer Anstrengungen bedarf – und Menschen, die sie umsetzen. Zu denen gehört Oliver Oettgen.
„Machen ist besser als nur reden“
Der traute sich einfach und legte kurzerhand los, denn „konkret was machen ist immer besser als nur drüber reden“. Schnell sei ein Baustein zum anderen gekommen: Erst trat Oliver Oettgen als Redner und Verfechter seiner Idee bei Zusammenkünften von Handwerkern auf. Themen waren unter anderem Lösungen und Strategien für Personalentwicklung und -gewinnung. Der Dachdeckermeister erwies sich schnell als jemand, der interessierten Betrieben konkret helfen kann. Er nahm sich die Zeit, die andere Handwerker im rauen Arbeitsalltag nun mal nicht haben.
Im Februar 2024 wurde sein Buch veröffentlicht
2023 „tourte“ Oliver Oettgen regelrecht – bei Handwerkern, Schulen, Ausbildern, Banken, Verbänden, Medien. Gleichzeitig machte er sich daran, seine Gedanken, Erkenntnisse und Tipps in einem Buch zusammenzufassen. Im Februar 2024 ist es erschienen. In „Handwerksdenker und Influencer: Gemeinsam gegen den Fachkräftemangel“ beschreibt er nicht nur die Ursachen und Folgen des Fachkräftemangels, sondern bietet auf 286 Seiten auch konkret Lösungsansätze und Strategien an. Aus dem Klappentext: „Dieses Buch ist ein Weckruf für alle, die blindlings der Digitalisierung hinterherlaufen und ein Manifest für diejenigen, die das Handwerk als unverzichtbaren Pfeiler unserer Gesellschaft verteidigen.“
Eigene Sendung im Internet: „Handwerk spricht“
Hinzu kamen diverse Podcasts, eine zunehmende Berichterstattung über seine Mission in den Medien und schließlich sogar eine eigene Sendung im Internet auf dem Portal Kivvon. Bei „Handwerk spricht“ befragt Gastgeber Oliver Oettgen im Studio seine Gäste zu Themen, die viele Betriebe interessieren. So sprach er mit Zimmermeister Sascha Eilers über die Frage, ob Holz der Baustoff der Zukunft sei und mit dem Orthopädietechniker Michael Griesser über 40 Jahre Handwerkstätigkeit in einem Job, dessen Arbeit für manche Menschen überlebenswichtig ist. Viele Beiträge hatten bereits mehrere tausend Zuschauer.
Muss man noch erwähnen, dass Oettgen auch eine informative Webseite hat und bei Facebook, Instagram, TikTok und LinkedIn präsent ist? Der Geilenkirchener „bespielt“ gekonnt die sozialen Medien, weil dort natürlich seine Zielgruppen stecken – die jungen Leute, die möglichst im Handwerk landen sollen und die Unternehmer, die sie einstellen wollen.
„Dinge einfach schneller umsetzen“
„Mir geht es darum, einerseits das traditionelle Handwerk zu bewahren und andererseits moderne Ansätze hinein zu bekommen. Ohne die geht es künftig nicht mehr.“ Das Handwerk müsse sich zusammenschließen und „unternehmerischer denken“, im Notfall auch mal an Kammern und Verbänden vorbei. Wobei das aber gar nicht Oettgens Ziel ist: Er arbeitet im Moment sehr bewusst an Kooperationsmöglichkeiten mit seiner Kreishandwerkerschaft. „Ich hoffe, dass Kammern und Verbände sowie die von mir und Mitstreitern gegründete Bundesvereinigung Handwerksdenk:innen sich zukünftig gegenseitig befruchten. Die Kombination der jeweiligen Stärken kann den höchstmöglichen Mehrwert für das Handwerk bringen.“ Manchmal, so der Kerpener, müsse man Dinge einfach schneller umsetzen und „aus dem Bauch heraus“ starten, damit es vorangeht. Die Zeit drängt: Schon jetzt fehlen laut Oliver Oettgen 200 000 Fachkräfte im deutschen Handwerk.
Unterstützung für Kita-Aktion zum Handwerk
Bei seiner Mission für das Handwerk setzt Oliver Oettgen ganz unten an – bei Kindern im Kita-Alter. Er unterstützt seit April aktiv die Aktion „Kleine Hände, große Zukunft“, die Kinder im Vorschulalter auf spielerische und kreative Weise mit dem Handwerk vertraut machen will. Dies etwa durch den Besuch von Handwerksbetrieben oder Workshops, die direkt in den Kitas stattfinden. „Kinder können dabei HandwerkerInnen bei ihrer Arbeit beobachten und selbst aktiv werden“, so der Kerpener. „Das ist ein starker Ansatz, um das Handwerk schon ganz früh positiv in den Köpfen zu verankern. Von jedem Hardcover-Exemplar meines Buches spende ich deshalb einen Euro für dieses Projekt.“
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