Auferstanden aus Bombenschutt: 125 Jahre Dachdecker Bernhardt
4. November 2021
Flammen verschlingen Erbe und Erinnerungen ganzer Generation. Auch der Firmensitz der Bernhardt Bedachung- Gerüstbau GmbH, Mitglied der Dachdecker-Einkauf Süd eG, wird bei den Luftangriffen der Alliierten 1944 auf Frankfurt zerstört. „Der damalige Firmensitz brannte komplett aus“, erzählt Dachdeckermeisterin Melanie Bernhardt. Sie führt den 1896 gegründeten Betrieb heute gemeinsam mit Bruder Oliver in vierter Generation. „Damit verschwanden neben vielen Unterlagen der Firmengeschichte auch unzählige Erinnerungen unserer Familie, die nicht wiederzubringen sind.“
Ursprung des Betriebs liegt in Thüringen
Zum 125. Geburtstag ist der tragische Brand des ersten Firmensitzes erneut relevant geworden, denn noch zum 100. waren viele Fragen bezüglich der Anfangszeit offen. So hatte sich Bernhardt fest vorgenommen, diesen Schleier der Vergangenheit zu lichten. „Es war offiziell kaum etwas da, worauf ich mich stützen konnte“, berichtet sie. Bernhardt wandte sich an die Dachdeckerinnung Frankfurt, was neben der eigenen Recherche entscheidende Hinweise brachte. Und auch wenn längst nicht alle Fragen beantwortet werden konnten, weiß die Frankfurter Unternehmerin heute, dass der Betrieb einst ganz woanders die ersten Pfannen, Ziegel und Schieferplatten auf Dächer legte: in Thüringen.
Opa Bernhardt machte 1938 den Meister
„Hier wurde 1896 unser Betrieb unter dem Namen Storch gegründet. Der damalige Chef heiratete irgendwann vor 1930 in unsere Familie ein und zog später nach Frankfurt um.“ Danach wird in den Annalen aber wieder so manches unklar. Bis schließlich ihr Opa 1938 seine Meisterprüfung ablegte und die Firma ab 1940 alleine führte. Dabei wollte er bereits einer ungeschriebenen Tradition folgen: Geschwister als Duo an der Unternehmensspitze. Sein Vater hatte es ihm gemeinsam mit seinem Bruder vorgemacht. Doch der Großonkel des heutigen Duos auf den Frankfurter Dächern kam bei einem Unfall mit einer Straßenbahn ums Leben. So musste der Opa die Firma durch den Krieg in die Gründerjahre der Bundesrepublik lenken. Immerhin blieb er aus heute unbekannten Gründen vom Dienst an der Waffe verschont.
Heute Arbeiten und Wohnen unter einem Dach
Der Standort des Unternehmens wechselte mehrmals, bis man schließlich in den 80ern Wohnen und Arbeiten unter einem Dach im Stadtteil Bornheim vereinte. „Wir hatten davor zum Beispiel lange einen separaten Lagerplatz am Ostgüterbahnhof“, erzählt Melanie Bernhardt. Doch mit dem Wegfall des Holzgerüstbaus brauchte man weit weniger Stauraum. Heute ist von diesem einstigen Zweig nur noch der Begriff im Namen des Unternehmens geblieben. Es hat sich eh viel verändert: „Früher wurden Aufträge oft per Handschlag vereinbart, das geht heute zum Beispiel gar nicht mehr“, verweist sie auf die gestiegenen Anforderungen alleine auf Seiten der Bürokratie – trotz oder auch wegen der Digitalisierung. „Die Kunden erwarten nicht selten Erreichbarkeit Rund-um-die-Uhr.“
Über soziale Medien werben & Lobbyarbeit machen
Um für Alt- und Neukunden auch noch sichtbarer zu sein, begann sie 2011 mit Facebook und vor einiger Zeit auch mit Instagram. Dort lädt sie Videos und Bilder aller Art aus dem Leben in und rund um den Familienbetrieb hoch. „Wir haben nur wenig Budget für Werbung, da passen die sozialen Medien gut ins Konzept.“ Sie schätzt diese auch für die Möglichkeit, schnell Meinungen einzuholen oder gemeinsam mit anderen mit Nachdruck Anliegen an die Stadt heranzutragen. Dies ist für Bernhardt auch als Pressesprecherin der Dachdeckerinnung Frankfurt nützlich. „Das ist besser als jeder Beschwerdebrief“, ist sie überzeugt.
Profihandwerk plus Service und Tradition
Doch am eigenen Anspruch hat sich über die Generationen hinweg nichts verändert. „Mein Bruder und ich, unsere Angestellten und auch meine Eltern im Büro stehen für professionelles Handwerk mit Service und Tradition, das auch vor schwierigen Aufgaben nicht zurückschreckt“, bringt sie es für sich auf den Punkt. „Wir haben uns gegenüber den frühen 80ern aber sehr verkleinert.“ Von einst 16 Mitarbeitern sind sie auf – das Geschwisterpaar eingeschlossen – vier geschrumpft. „Wir können keine Hilfsarbeiter gebrauchen. Bei uns sind nur echte Spezialisten mit langjähriger Erfahrung tätig“, ist für Melanie Bernhardt klar. „Wir sind uns selber treu geblieben, als wir entschieden haben kleiner zu werden, um die Zügel in der Hand zu behalten.“
Schwierige und aufwändige Spezialaufträge
Der Grund hierfür findet sich auch in der Auftragsstruktur der Firma und den dahinterstehenden Kunden: Spezialarbeiten für Gutachten oder wiederholt Aufträge für einen festen Stamm an Architekten. Oft werden sie gerufen, wenn es um eher kleinere, aber dafür besonders aufwendige Fälle geht. „Wir betreuen auch viele Häuser schon über Jahre“, sagt sie. Es kommt aber eben auch immer vor, dass sie zur Reparatur von Mängeln, die von anderen ins Dach eingearbeitet wurden, gerufen werden. „Hierbei ist dann auch die Dokumentation sehr aufwendig. Es muss für den Kunden ja klar sein, wie sah es aus, was war das Problem, wie haben wir es repariert und was haben wir ergänzt.“
Reparaturfälle mit komplexen Gutachten
Hier kommen auch komplexe Gutachten ins Spiel. So manch andere Firma schrecke hiervor eher zurück. „Viele wollen eher Neubauten und große Flächen machen, das ist nicht so unser“, stellt sie klar. „Wir mögen es, wenn es auf den Blick fürs Detail und eine Menge Fachwissen ankommt, um recht kleine, aber nicht minderwichtige Bereiche gut hinzubekommen.“ Leider seien solche Reparaturfälle keine Seltenheit, daran seien aber auch Kunden oft nicht schuldlos: „Manche beauftragen regelrecht achtlos, schauen sich kaum an, wen sie da von wo ganz anfahren lassen.“ Hier räche sich dann der reine Blick auf den niedrigsten Preis. Gute Firmen kämen zurück, wenn sie einen Fehler begingen. Für Bernhardt sind letztendlich die oft nicht mehr auffindbaren Fremdhandwerker hauptverantwortlich.
Handschlag und Vertrauen im Umgang mit Kunden
Dem Geschwistertandem sind langfristige Kundenbindungen wichtig. „Wir behandeln die Dächer unserer Kunden, als wäre es unser eigenes Dach.“ Und eines hat sich seit den Gründertagen nicht verändert: „Verzichten auf den Handschlag will keiner, denn unpersönlich will niemand“, erzählt sie. „Es geht einfach um Vertrauen in die Personen und die Qualifikationen und da können wir als Familie punkten.“ Zum 125. Geburtstag richtig feiern konnten sie bisher nicht und haben es diesen Winter aufgrund von Corona auch nicht vor. „Mehr als eine kleine Zusammenkunft im Zuge der Innungsversammlung war nicht drin“, sagt sie. „Aber aufgeschoben heißt nicht aufgehoben“, blickt Bernhardt hoffnungsvoll ins kommende Jahr.
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