Anne Gerstenberg: die Frau für alle Dachfenster-Fälle
Bild von Dachdeckerin Anne Gerstenberg

Anne Gerstenberg: die Frau für alle Dachfenster-Fälle

4. Januar 2022

 · Kai-Uwe Bohn

Nein, das erste Wort, das Anne Gerstenberg sprechen konnte, war nicht Velux. Aber lange dürfte es nicht gedauert haben, bis sie den Firmennamen des dänischen Dachfenster-Herstellers in den Mund nahm. Schließlich gibt es den auf Velux spezialisierten Dachfenster-Service ihres Vaters Frank und ihres Onkels Volker mehr als vier Jahrzehnte. Portraitiert haben wir ihn auch schon auf DACH\LIVE.

Dass heute auch die Tochter und Nichte Anne Gerstenberg in der Geschäftsleitung dabei ist, war aber kein Selbstläufer. „Das wäre dann doch zu einfach“, lacht die sympathische Frau aus Bad Salzuflen, wo der Betrieb ansässig und sie seit 29 Jahren irgendwie immer mit dabei ist. „Das ist wie bei anderen Menschen auch eine Geschichte, die sich entwickelt hat. Niemand hat mich dazu gedrängt. Es ergab sich irgendwann, und ich merkte: Ja, da habe ich Lust drauf!“

 Bild von Anne Gerstenberg mit Vater und Onkel in der Lagerhalle mit Velux-Fenstern
Von links: Über 40 Jahre Velux: Frank, Volker und Anne Gerstenberg (von links). (Alle Fotos: Dachfenster Gerstenberg)

Die Firma ist für Anne Gerstenberg auch das Elternhaus

Ein bisschen liegen Dachfenster und Velux dann aber doch im Blut von Anne Gerstenberg. Das lässt sich gar nicht verhindern, wenn im Elternhaus gleichzeitig auch die Firma ist. „Velux war und ist bei uns allgegenwärtig, die Logos, die alten und neuen Fenster. Ich habe mich als Kind natürlich auf dem Gelände herumgetrieben, zwischen all den Dachfenstern. In den Schulferien habe ich irgendwann alte Fenster für die Entsorgung auseinandergenommen, um mir ein paar Euro extra zu verdienen.“ Der Akkuschrauber lag gut in der Hand, die Materialberge der unterschiedlichen Müllarten wuchsen.

Werbung.

Zunächst zur Industriekauffrau ausgebildet

Nach den Schulabschlüssen – erst in der Realschule, dann mit dem Fachabitur Wirtschaft – lag es nahe, sich zunächst auch in der Wirtschaft zu versuchen. Drei Jahre lang ließ sich die Westfälin ganz in der Nähe als Industriekauffrau ausbilden. Auch in diesem Betrieb ging es unter anderem ums Dach, beispielsweise um Lichtbänder und Lichtkuppeln. „Ich habe dort dann nach der Ausbildung einen Jahresvertrag bekommen. Aber im Verlauf dieses Jahres wurde ich immer unglücklicher. Trotz meiner Nachfrage bekam ich keine klare Aussage, wie es weitergeht, ob mein Vertrag verlängert wird“, erinnert sich Anne Gerstenberg.

Bild von Anne Gerstenberg in der Velux Ausstellung
„In den Schulferien habe ich irgendwann alte Fenster für die Entsorgung auseinandergenommen“, sagt Anne Gerstenberg.

Ein Gedanke: Die Familientradition fortführen 

Da macht man sich so seine Gedanken und auf die Suche nach Alternativen. Der Dachfenster-Betrieb von Papa und Onkel lief blendend. Beide hatten mittlerweile ein weiteres Ausstellungsgebäude auf den Firmengrundstück gebaut, wo sie den Kunden seither ihre Leistungen und Produkte ideal präsentieren. „Aber die beiden werden ja auch nicht jünger, und es wäre schade, wenn das eines Tages nicht mehr fortgeführt wird“ – dieser Gedanke blitzte irgendwann auf. Und weil Anne Gerstenberg den Bezug zum Betrieb nicht verloren hatte, sondern dort immer wieder auch mal mitarbeitete, war die Idee da: Ich bin dabei!

Erst Dachdeckerausbildung – dann Meisterschule

Industriekauffrau hin oder her – wenn die junge Frau etwas macht, dann richtig. „Klar, die Mitarbeiter im Betrieb kennen mich von Kindesbeinen an, aber ich wollte dann auch nicht den Welpenschutz als ‚Tochter des Chefs‘ haben“, lacht sie. Also war klar: Eine Dachdeckerausbildung musste her. „Ich wollte selbst Ahnung vom Gewerk haben, nicht abhängig von den anderen sein, selber dachdeckisch sprechen und arbeiten können“, sagt Anne Gerstenberg. 

Bild von Anne Gerstenberg bei Montage von Dachfenstern
Im eigenen Betrieb lernte Anne Gerstenberg Dachdeckerin, auch heute ist sie auf den Baustellen aktiv.

Im eigenen Betrieb lernte sie ab 2014 zwei Jahre lang emsig, fuhr mit auf die Baustellen, arbeitete Hand in Hand und bei Wind und Wetter mit den erfahrenen Praktikern. „Da, wo der Ausbildungsrahmenplan Dinge vorsah, die wir nicht haben, bin ich dann wochenweise in anderen Dachdeckerbetrieben untergekommen.“ Anfang 2016 war sie Gesellin.

Jetzt wurde es richtig sportlich, denn nun wollte sie auch noch den letzten Schritt machen – „wenn schon, denn schon“. Anne Gerstenberg büffelte weiter, machte von August 2016 bis Mai 2017 auf der Lorenz-Burmann-Schule in Eslohe – der zentralen Ausbildungsstätte des Dachdeckerhandwerks in Westfalen – ihren Meistertitel. „Eine Freundin von mir hat mitgemacht. Das war natürlich schön für mich.“ Denn so war sie nicht die einzige Frau unter 26 jungen Männern. 

Bild von Anne Gerstenberg mit Vater Frank in der Ausstellungsgalerie
In der Ausstellungsgalerie empfangen Frank und Anne Gerstenberg die Kunden zu einer ausführlichen Beratung.

Frau im Handwerk: kein Problem

„Ein Problem war das nicht. Die Jungs waren alle im Leben angekommen, und die alten Klischees bezüglich ‚Frauen im Handwerk’ gibt es in der jüngeren Generation kaum noch.“ Trotzdem sei es natürlich manchmal hoch hergegangen. „Wir haben alles mitgemacht, waren irgendwie aber auch der Ruhepol in der Klasse.“ Und dass sie von ihrem kaufmännischen Wissen den Mitschülern auch mal was abgeben konnte, wussten diese durchaus zu schätzen. Anne Gerstenberg schloss dann übrigens als Jahrgangsbeste ab.

Viel Unterstützung von Vater und Onkel

Im „elterlich-onkelischen“ Betrieb, der über die Jahre ein starkes Wachstum hinlegte, war man natürlich glücklich über die Verstärkung durch Tochter bzw. Nichte. „Mein Vater Frank als Kaufmann und mein Onkel Volker als echter Praktiker haben sich immer sehr gut ergänzt. Auch darin liegt ein Grund für unseren Erfolg“, ist sich Anne Gerstenberg sicher. Dass die beiden ihre Entwicklung stets mit viel Respekt und voller Kraft unterstützt hätten, sei für sie unglaublich schön. „Das ist keine Selbstverständlichkeit, da kenne ich auch andere Geschichten.“ So wurde aus dem Duo an der Spitze von Gerstenberg Dachfenster-Service 2016 ein Trio.

Bild von Anne Gerstenberg beim Fenstereinbau
Auf den Baustellen und im Büro bringt die Dachdeckermeisterin ihre Stärken ein.

Stärken gezielt ins Unternehmen eingebracht

Als Teil des Trios hat die 29-Jährige einige Modernisierungsschritte angestoßen, etwa bei der Digitalisierung oder der Öffentlichkeitsarbeit im Web, auf Facebook und Instagram. Auch für einheitliche Fahrzeugbeschriftung und Kleidung bei den Mitarbeitern hat sie gesorgt – also bei dem, was man neudeutsch „Corporate Design“ nennt. „Außerdem kann ich gut organisieren, und eine gute Organisation ist bei unserem wachsenden Geschäft auch absolut nötig.“ Sie habe mit ihren Ideen viel Freiraum: „Papa sagt oft einfach: Mach mal!“ So kann die junge Dachdeckermeisterin ihre Stärken ins Unternehmen einbringen.

Was Beratung und Verkauf angeht, macht ihr sowieso niemand etwas vor. Bei männlichen Kunden gebe es manchmal noch überraschende Nachfragen nach dem Vater, wenn sie am Telefon ist. Hier wirkt das alte Klischee ab und zu noch. „Aber ich frage dann immer, ob ich helfen kann. Und ziemlich schnell merken die Kunden dann, dass sie bei mir auch an der richtigen Adresse sind.“ Kein Wunder – schließlich hat sie ja schon als Mädchen auf dem Hof die alten Dachfenster auseinandergenommen.

Sie interessieren sich das Thema Dachdecker werden? Dann lesen Sie unsere Story über einen jungen Ingenieur, der nach dem Studium eine Lehre zum Dachdecker machte.

Artikel jetzt teilen!

Weitere Artikel

Newsletter-Anmeldung

DACH-Ticker

Valentin Bremer gewinnt German Craft Skills 2024 der Dachdecker

Der Sieger der German Craft Skills 2024 Valentin Bremer kommt aus Hessen und hat von 200 möglichen Punkten 178,70 erreicht. Den zweiten Platz belegte John Seltmann aus Sachsen, Dritter wurde Linus Esseln, der Landessieger aus Rheinland-Pfalz. Bremer und Seltmann haben sich für die 30. IFD-Weltmeisterschaft junger DachdeckerInnen im Jahr 2026 qualifiziert. „Es ist immer wieder eine große Freude zu sehen, wie sehr sich junge Menschen für ihr Handwerk begeistern“, erklärte ZVDH-Vizepräsident Jan Voges, der als Zuschauer vor Ort war.

30. Oktober 2024

Georg Harrasser wird neuer Geschäftsführer bei Nelskamp

Georg Harrasser übernimmt ab November 2024 die Geschäftsführung der Dachziegelwerke Nelskamp. Der 58-jährige Maschinenbauingenieur ist ein alter Bekannter in der Bedachungsbranche. Nach mehr als 25 Jahren bei der BMI Group war Harrasser zuletzt als Präsident bei der Carlisle Construction Materials Europe tätig. Er folgt auf Heiner Nelskamp, der im Mai 2024 als Geschäftsführer in Rente gegangen ist. „Nelskamp ist ein bekannter Name und wird als ein führender Hersteller von Dacheindeckungsmaterial in Deutschland sehr geschätzt. Der Ausbau des deutschen sowie internationalen Geschäfts ist eine spannende Aufgabe, auf die ich mich sehr freue“, so Harrasser.

17. September 2024

A. Ewald Kreuzer wird Ehren-Landesinnungsmeister der bayerischen Dachdecker

Nach Abschluss der Neuwahlen der Vorstandschaft auf dem jüngsten Landesverbandstag der bayerischen Dachdecker stellte der neu gewählte Landesinnungsmeister Mario Kunzendorf den Antrag, A. Ewald Kreuzer für seine herausragenden Verdienste während seiner knapp 20-jährigen Amtszeit als Landesinnungsmeister zum Ehren-Landesinnungsmeister zu ernennen. Kunzendorf bekräftigte die Aussage von ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk, dass mit der Zeit von Kreuzer als Landesinnungsmeister eine „Ära“ zu Ende gehe und ergänzte, dass dieser Begriff selten treffender hätte sein können.

18. Juli 2024

ifo Institut erhöht Prognose auf 0,4 Prozent Wirtschaftswachstum für 2024

Das ifo Institut hat seine Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr auf 0,4 Prozent heraufgesetzt, von 0,2 Prozent bislang. Im kommenden Jahr dürfte es sich beschleunigen auf 1,5 Prozent. „Es entsteht gerade neue Hoffnung“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich langsam aus der Krise. Das zweite Halbjahr 2024 dürfte deutlich besser ausfallen als das erste.“ Gleichzeitig wird die Inflation abflauen, von 5,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 2,2 Prozent in diesem und auf nur noch 1,7 Prozent im kommenden Jahr.  

20. Juni 2024

17 Prozent weniger Baugenehmigungen im April 2024 als im Vorjahr

Im April 2024 wurde in Deutschland der Bau von 17 600 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren das 17 Prozent oder 3600 Baugenehmigungen weniger als im April 2023. Im Vergleich zum April 2022 sank die Zahl der Baugenehmigungen sogar um 43,5 Prozent oder 13 500 Wohnungen. Von Januar bis April 2024 wurden 71 100 Wohnungen genehmigt. Das waren 21 Prozent oder 18 900 Wohnungen weniger als im Vorjahreszeitraum. „Deutschlands Wohnungsnot verschärft sich weiter. Was heute nicht genehmigt wird, können wir morgen nicht bauen und wird den Mieterinnen und Mietern am Markt fehlen“, erklärt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe.

18. Juni 2024

Bundesweite Zoll-Razzia gegen Ring von Dachdecker-Betrügern

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ist mit einer Großrazzia unter anderem im Raum Osnabrück und Leer gegen ein illegales Netzwerk sogenannter fliegender Dachdecker vorgegangen. Bei den Ermittlungen gegen Dachdecker-Betrüger geht es unter anderem um den Vorwurf Schwarzarbeit. Laut Staatsanwaltschaft Osnabrück vollstreckten in einer Razzia 590 Zollbeamte mehr als hundert Durchsuchungsbeschlüsse in Niedersachsen, Hamburg und Berlin. Außerdem unterstützten Spezialkräfte der Polizei die Durchsuchungen von Wohnungen und Gebäuden. Es wurden laut Staatsanwaltschaft Arrestbeschlüsse in Höhe von mehr als 800 000 Euro erwirkt. Es seien deshalb umfangreiche Vermögenswerte in bar sichergestellt worden.

4. Juni 2024

Auftragseingang im Bauhauptgewerbe steigt im Februar 2024 erstmals wieder an

Der reale, also preisbereinigte Auftragseingang im Bauhauptgewerbe ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Februar 2024 gegenüber Januar 2024 kalender- und saisonbereinigt um 1,8 Prozent gestiegen. Das gilt auch für die Umsätze, die sich sogar um 2 Prozent erhöhten. Der Auftragseingang nahm im Hochbau um 0,5 und im Tiefbau um 2,9 Prozent zu. Auch gegenüber dem Februar 2023 gibt es eine Steigerung um 0,9 Prozent.

25. April 2024

Positiver Trend im Dachdeckerhandwerk: Steigerung der Azubizahlen

Die aktuellen Zahlen zeigen einen erfreulichen Anstieg der Azubizahlen im Dachdeckerhandwerk. Derzeit erlernen 8490 junge Menschen diesen Beruf, was einem leichten Anstieg um 0,75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr mit 8427 Auszubildenden entspricht. Rolf Fuhrmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), betont die positive Entwicklung trotz der allgemeinen Ausbildungssituation und intensiver Konkurrenz mit anderen Berufen.

7. Februar 2024

Holzhandel erzielt im Jahr 2023 deutlich weniger Umsatz

Das schwierige wirtschaftliche Umfeld verbunden mit einer sehr schwachen Baukonjunktur sorgten beim deutschen Holzhandel 2023 insgesamt für einen Umsatzrückgang von 15 Prozent. Teilweise ist dieser Umsatzrückgang aber auch weiter nachgebenden Preisen geschuldet. Die Jahresauswertung des monatlichen GD Holz Betriebsvergleiches zeigt deutlich, dass die schwachen Absatzmärkte im vergangenen Jahr voll auf die Umsatzentwicklung der Branche durchgeschlagen haben. Alle wichtigen Sortimente im Holzhandel sind von diesem Umsatzrückgang betroffen, am stärksten Schnittholz mit einem Umsatzrückgang von 24 Prozent.

2. Februar 2024

ifo Institut: Rentenalter an steigende Lebenserwartung koppeln

Das ifo Institut Dresden hat sich dafür ausgesprochen, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. „Einige unserer Nachbarländer haben das bereits beschlossen, so die Niederlande, Schweden und Finnland“, sagt ifo-Rentenexperte Joachim Ragnitz. In den Niederlanden werde folgende Regel angewendet: Wenn die Menschen drei Jahre länger leben, müssen sie zwei Jahre länger arbeiten und bekommen ein Jahr länger Rente. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen würde damit auch nach dem Jahr 2040 stabil bei rund 40 Prozent liegen und nicht auf fast 50 Prozent steigen, wie derzeit prognostiziert. 

16. Januar 2024