Dachdeckerin wechselt nach dem Meister in die Bedachungsindustrie
12. Januar 2021
Warum sie Dachdeckerin geworden ist, weiß sie genau: „Ich mache einfach das, was mir Freude macht und worin ich gut bin“, sagt Sabrina Jung, 23-jährige Dachdeckermeisterin aus Lübeck und Zweite des Leistungswettbewerbs des Dachdeckerhandwerks Schleswig-Holstein. Aktuell arbeitet sie als erste Inhouse Technikerin bei der Firma Carlisle, einem der führenden Hersteller für EPDM Dachabdichtungsbahnen. Ihrem Handwerk fühlt sie sich treu verbunden – „mein Herz schlägt einfach für die Dachdeckerei“, sagt sie.
Erste Idee: Spezialisierungen des Dachhandwerks praktisch vertiefen
Nach ihrer erfolgreich absolvierten Meisterprüfung wollte Jung eigentlich quer durch Deutschland reisen und in verschiedenen Betrieben arbeiten, um die vielen Spezialisierungen ihres Handwerks zu lernen und weiter zu perfektionieren. „Es gibt so viele tolle alte Handwerkskünste: die Arbeit mit Reet, Schiefer oder Biberdachziegeln, die Konstruktion und das Eindecken von Fledermausgauben. Aber dann kam es ganz anders als geplant“, sagt sie lachend.
Etwas Neues ausprobieren: Dachdeckerin als Inhouse Technikerin
Sie bekam einen Anruf ihres ehemaligen Meisterschul-Dozenten Thomas Schneider, der mittlerweile als Leiter der Anwendungstechnik bei Carlisle arbeitete, und der sie für eine neu geschaffene Stelle als Inhouse Technikerin gewinnen wollte. „Noch mal etwas ganz Neues auszuprobieren, das hat mich sehr gereizt“, erklärt sie. „Ich habe also ein Vorstellungsgespräch vereinbart, mir das Unternehmen angeschaut – und es fühlte sich einfach richtig an. Also habe ich diese Chance genutzt.“
Und was sagen heute ihre Kunden? „Die meisten finden es ziemlich cool, mit einer Dachdeckermeisterin zu tun zu haben. Aktuell kümmere ich mich vor allem um unser Reklamationsmanagement und die technische Beratung. Da rufen oft Dachdecker und Zimmerer an, die unsere Abdichtbahnen verlegen. Wenn diese Zunftkollegen merken, dass ich eine von ihnen bin und weiß, wovon ich spreche, haben wir meist direkt einen Draht zueinander. Das macht mir großen Spaß!“
„Für uns bleibst Du eine Handwerkerin“
Ihre Kollegen aus dem Handwerk haben Sabrina Jungs Entscheidung, in die Industrie zu wechseln, mit weitaus gemischteren Gefühlen aufgenommen, erzählt die junge Frau. „Viele haben mir zwar Glück gewünscht, fanden aber, dass ich eigentlich raus aufs Dach gehöre, nicht in ein Büro“, sagt sie. „Aber wer weiß, was die Zukunft noch für mich bereithält.“ Jetzt möchte die junge Frau, die sich neben ihrem Beruf auch noch in der Initiative „Zukunft Dachdecker – Schleswig-Holstein“ der Jugendorganisation des Landesinnungsverbandes engagiert, aber erstmal „richtig gut werden in meinem Job bei Carlisle, in jeder Hinsicht. Ich will meine Aufgaben gut und mit Freude erledigen – alles weitere wird sich zeigen.“
Dachdeckerin wollte eigentlich Tierärztin werden
Dass Jung überhaupt Dachdeckerin geworden ist, war keineswegs vorgezeichnet. Eigentlich wollte sie Tierärztin werden. „Ich bin auf dem Land groß geworden, liebe Tiere und die Natur. Schon als Kind habe ich meinem Papa immer geholfen, kleine Ställe für die Tiere zu bauen. Vielleicht wurde mir die handwerkliche Begabung also doch in die Wiege gelegt. Meine Leidenschaft galt aber vorrangig den Tieren“, erinnert sie sich.
Wartezeit auf Studienplatz für Praktikum als Dachdeckerin genutzt
Allein der Tatsache, dass sie für den Studienplatz erstmal sechs Wartesemester hätte überbrücken müssen, ist es zu verdanken, dass sie schließlich ein Praktikum bei einem benachbarten Dachdeckerbetrieb absolvierte und dort ihre Bestimmung gefunden hat. „Nach zwei Wochen im Betrieb von Thomas Eissing aus Reinfeld war mir klar: Das macht mir Spaß, das will ich lernen! Ich habe mich sofort wohlgefühlt, mit den Kollegen, aber auch auf dem Dach. Da gab es gar nicht mehr viel zu überlegen.“
Nicht einmal die freundliche Warnung ihres Vaters, seines Zeichens selbst Dachdeckermeister, konnte sie vom Gegenteil überzeugen. „Er gab zu bedenken, dass es nicht immer so schön warm und sonnig sei wie in diesem Herbst nach meinem Abitur. Aber Wind und Wetter machen mir nichts aus. Das gehört eben dazu!“
Respekt und Anerkennung von Arbeitskollegen
Das oft bemühte Klischee einer Frau in einer Männerdomäne sieht Sabrina Jung übrigens gelassen: „Klar, in der Ausbildung gab es schon mal doofe Sprüche von männlichen Mitlernenden, aber das waren ja fast noch kleine Jungs“, sagt sie.
Mit ihren Arbeitskollegen hatte sie jedenfalls nie Probleme, im Gegenteil. „Die meisten haben immer viel Anerkennung gezeigt für das, was ich mache und was ich kann. Späße zu machen, gehört trotzdem dazu, aber immer respektvoll und freundschaftlich. Außerdem kann ich da ganz gut mithalten“, schmunzelt sie. Das gilt auch für ihr fundiertes Know-how, das Sabrina Jung jetzt in der technischen Beratung der Dachdecker und Zimmerer zugutekommt.
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