Bodenständige Überfliegerin: Vanessa Thieltges macht triales Studium
Bild von Vanessa Thieltges bei der Arbeit

Bodenständige Überfliegerin: Vanessa Thieltges

10. Juni 2021

 · Katharina Meise

Bild von Vanessa Thieltges vor dem Meisterstück
Die Meisterprüfung ist ein Teil des trialen Studiums: Vanessa Thieltges vor ihrem Meisterstück. (Alle Fotos: Thieltges)

Schon als Kind wollte sie Dachdeckerin und Chefin werden. Heute ist die 24-jährige Vanessa Thieltges beides im elterlichen Betrieb Thieltges-Zunker Bedachungen GmbH in Dreis in Rheinland-Pfalz, 20 Kilometer nordöstlich von Trier. Zusammen mit ihrem Vater Jürgen Thieltges leitet sie seit Mai 2020 die Geschicke des Unternehmens und der 25 Mitarbeiter. Seine Erfahrung und ihr frischer Wind ergeben eine gute Mischung, finden beide.

Perfekter Sonnenschutz für Dachfenster
WERBUNG.

Dachdeckermeisterin ist zielstrebig und selbstbewusst

Hilfreich war es dafür sicher, dass sie nicht nur zielstrebig, sondern auch selbstbewusst und schlagfertig ist. „Wenn ich als Kind gefragt wurde, was ich mal werden will, war mir das völlig klar: Dachdeckerin! Erwachsene sagten dann oft ‚Das kannst du nicht, du bist doch ein Mädchen…‘“, erinnert sich Vanessa Thieltges. „Ich habe das nie verstanden, denn meine Eltern haben mir immer das Gefühl gegeben, ich kann alles erreichen, was ich möchte. Je älter ich wurde, desto weniger Lust hatte ich auf diese Diskussion. Also habe ich auf diese Frage einfach geantwortet: Ich werde Chefin. Da kam dann meistens nichts mehr.“

Bild von Vanessa Thieltges bei der Dämmung auf dem Flachdach
Packt gerne an auf den Baustellen: Vanessa Thieltges.

Die Baustellen als riesiger Spielplatz

„Ich bin in die Firma reingewachsen“, erzählt Vanessa Thieltges. „Als Kind war das Unternehmen, das mein Vater schon von meinem Opa übernommen hat, mein Spielplatz. Ich war immer mittendrin“, erinnert sie sich. „Einmal bin ich heimlich ins Baustellenfahrzeug geklettert, weil ich mit zur Baustelle wollte. Unser Mitarbeiter ist losgefahren und hatte gar nicht gemerkt, dass ich an Bord war. Unterwegs habe ich dann gefragt, auf welche Baustelle wir heute fahren. Der Arme hat den Schreck seines Lebens bekommen, als ich da plötzlich nach vorne geklettert kam“, berichtet Sie mit einem Lachen. Ihr Papa hat sie dagegen ganz bewusst mit auf die Baustellen genommen. „Natürlich habe ich da nicht gearbeitet, aber ich durfte ihm helfen, zum Beispiel beim Aufmaß. Das fand ich toll.“

Bild von Vanessa Thieltges mit ihrem Vater Jürgen
Vater Jürgen Thieltges hat seine Tochter schon als Kind mitgenommen auf die Baustellen.

Gemeinsames Studium mit Kollegen aus verschiedenen Gewerken

Gegen Ende ihrer Schulzeit suchte Vanessa Thieltges eine Möglichkeit, zu studieren und trotzdem den elterlichen Betrieb weiterzuführen. So stieß sie auf ein Angebot der Handwerkskammer (HWK) Köln. „Diese bietet gemeinsam mit der Fachhochschule (FH) des Mittelstandes Köln ein triales Studium an. Das heißt man macht eine Ausbildung in einem Handwerksbetrieb, absolviert die Meisterschule und macht an der FH noch den Bachelor im Handwerksmanagement.“

Das triale Studium umfasst am Ende vier Abschlüsse: den Gesellenbrief, den Meisterbrief, den Bachelor of Arts und den Betriebswirt nach der Handwerksordnung. „Es vermittelt betriebswirtschaftliches Wissen speziell für das Handwerk. Außerdem sind die Klassen gemischt, man lernt mit Maurern, Schreinern und vielen anderen zusammen. Das schafft ein großes Verständnis für andere Gewerke und ist auf der Baustelle wirklich hilfreich“, sagt Vanessa Thieltges.

Bild von Vanessa Thieltges beim Schweißen
Exaktes Arbeiten ist wichtig für Vanessa Thieltges.

Straffes Programm für vier Abschlüsse

Das Programm, um vier Abschlüsse zu bekommen, ist wie zu erwarten straff: „Ich habe zwei Jahre lang Montag bis Freitag meine Ausbildung bei der Firma Schröder Bedachungstechnik in Köln gemacht. Jeden zweiten Freitagabend und Samstag war ich an der Uni, zusätzlich gab es noch Online-Kurse. Danach folgte ein Jahr im elterlichen Betrieb und anschließend der HWK-Ausbilderschein, dann etwa ein Dreivierteljahr mit Klausuren für den Bachelor. Schließlich habe ich die Meisterschule besucht und nach dem Meisterbrief die Bachelorarbeit geschrieben. Und irgendwie hatte ich trotzdem noch Zeit für ein bisschen Studentenleben“, erklärt Thieltges mit einem Schmunzeln. Für die Abschlussnote 1,1 und ihr zusätzliches Engagement im trialen Studium wurde sie als Lehrling des Jahres der HWK Köln ausgezeichnet. „Das war eine tolle Anerkennung und eine schöne Wertschätzung für die Mühe und Arbeit.“

Bild von Vanessa Thieltges mit der Urkunde Lehrling des Jahres
Ehrenurkunde für die Auszeichnung „Lehrling des Jahres“ der HWK Köln.

Ein Klischee und kein Ende in Sicht

Ihre eingangs erwähnte Schlagfertigkeit ist für Vanessa Thieltges auch heute noch hilfreich. „Tatsächlich scheinen sich viele Menschen nicht vorstellen zu können, dass Frauen in einem Handwerksberuf glücklich sind“, berichtet sie. „Oft kommt die Frage, ob ich keinen Bruder habe. Nach dem Motto `das arme Kind muss das machen‘. Nein, ich will das machen.“ Übrigens ist diese etwas antiquiert wirkende Vorstellung von Frauen im Handwerk keine Frage von Alter oder Geschlecht. „Sogar eher junge Frauen stellen mir solche Fragen. Die meinen das nicht böse, das passt nur einfach nicht in ihre Vorstellung“, so Vanessa Thieltges. Die meisten akzeptierten sie dann aber ganz schnell, wenn sie merkten, dass sie Ahnung vom Fach habe, und freuten sich über die junge Frau im vermeintlichen Männerberuf.

Bild von Vanessa Thieltges bei der Arbeit
Aktiv bei den Dachdeckermädelz: Vanessa Thieltges möchte mehr Frauen für den Beruf gewinnen.

Ein Berufsleben lang in einem Betrieb

Viel Akzeptanz erfährt Vanessa Thieltges, die Mitglied der Dachdeckermädelz ist, auch von ihren Kollegen und Mitarbeitern. „Das war vor allem anfangs ein bisschen gewöhnungsbedürftig für manche, ich bin schließlich die einzige Kollegin im Betrieb, die auch mit aufs Dach geht. Und gleichzeitig bin ich Juniorchefin. Doch ich erfahre viel Unterstützung der Mitarbeiter. Wir haben im gesamten Betrieb ein lockeres, freundschaftliches und oft familiäres Verhältnis untereinander. Kein Wunder, viele unserer Mitarbeiter sind schließlich schon ihr gesamtes Berufsleben bei uns.“ Eine Tatsache, die Vanessa Thieltges sehr schätzt: „Offensichtlich hat mein Papa da einiges richtig gemacht. Darum bin ich sehr froh, dass ich den Betrieb noch einige Zeit mit ihm zusammen führen und von ihm lernen kann.“

Bild von Vanessa Thieltges auf dem Dach
Inzwischen bildet Vanessa Thieltges selbst die Lehrlinge aus.

Vanessa Thieltges bildet bereits selbst die Lehrlinge aus

Irgendwann wird sich der Vater zur Ruhe setzen. Vanessa Thieltges hat auch dafür schon einen Plan: „Mein Ziel ist es, die Mitarbeiterzahl konstant zu halten. Dafür bilden wir auch aus und stellen nach Möglichkeit jedes Jahr ein bis zwei junge Leute ein. Dieses Jahr haben wir aber leider noch keine Bewerber.“ Aktuell hat die Firma Thieltges-Zunker, Mitgliedsbetrieb der DEG Alles für das Dach eG, fünf Azubis. Zwar ist die junge Frau selbst oft nicht sehr viel älter als ihre Lehrlinge, doch als Meisterin und Ausbilderin bildet sie die Handwerker von morgen aus: „Mir macht das große Freude. Eine Ausbildung verändert die Menschen im Positiven, sie lernen Verantwortung, Selbstbewusstsein, Reife. Es ist sehr schön zu sehen, wie ein junger Mensch wächst.“

Sie interessieren sich für Frauen im Handwerk? Dann lesen Sie unsere Story über Jana Görgen, die besondere Herausforderungen liebt.

Artikel jetzt teilen!

Weitere Artikel

Newsletter-Anmeldung

DACH-Ticker

Positiver Trend im Dachdeckerhandwerk: Steigerung der Azubizahlen

Die aktuellen Zahlen zeigen einen erfreulichen Anstieg der Azubizahlen im Dachdeckerhandwerk. Derzeit erlernen 8490 junge Menschen diesen Beruf, was einem leichten Anstieg um 0,75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr mit 8427 Auszubildenden entspricht. Rolf Fuhrmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), betont die positive Entwicklung trotz der allgemeinen Ausbildungssituation und intensiver Konkurrenz mit anderen Berufen.

7. Februar 2024

Holzhandel erzielt im Jahr 2023 deutlich weniger Umsatz

Das schwierige wirtschaftliche Umfeld verbunden mit einer sehr schwachen Baukonjunktur sorgten beim deutschen Holzhandel 2023 insgesamt für einen Umsatzrückgang von 15 Prozent. Teilweise ist dieser Umsatzrückgang aber auch weiter nachgebenden Preisen geschuldet. Die Jahresauswertung des monatlichen GD Holz Betriebsvergleiches zeigt deutlich, dass die schwachen Absatzmärkte im vergangenen Jahr voll auf die Umsatzentwicklung der Branche durchgeschlagen haben. Alle wichtigen Sortimente im Holzhandel sind von diesem Umsatzrückgang betroffen, am stärksten Schnittholz mit einem Umsatzrückgang von 24 Prozent.

2. Februar 2024

ifo Institut: Rentenalter an steigende Lebenserwartung koppeln

Das ifo Institut Dresden hat sich dafür ausgesprochen, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. „Einige unserer Nachbarländer haben das bereits beschlossen, so die Niederlande, Schweden und Finnland“, sagt ifo-Rentenexperte Joachim Ragnitz. In den Niederlanden werde folgende Regel angewendet: Wenn die Menschen drei Jahre länger leben, müssen sie zwei Jahre länger arbeiten und bekommen ein Jahr länger Rente. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen würde damit auch nach dem Jahr 2040 stabil bei rund 40 Prozent liegen und nicht auf fast 50 Prozent steigen, wie derzeit prognostiziert. 

16. Januar 2024

Beschäftigung auf Rekordniveau: Arbeitsmarkt zeigt sich 2023 widerstandsfähig

Im Dezember 2023 waren rund 2,6 Millionen Menschen arbeitslos. Im Vergleich zum November stieg die Arbeitslosenquote saisonbedingt um 0,1 Prozentpunkte auf 5,7 Prozent. Staatssekretärin Leonie Gebers, Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Erfreulich ist, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit 35,1 Millionen im Oktober erneut einen Höchststand erreicht hat und die Nachfrage nach neuen MitarbeiterInnen im Dezember trotz weiterhin schwacher Konjunktur wieder leicht gestiegen ist. Der Arbeitsmarkt erweist sich als verlässlich und widerstandsfähig.“

8. Januar 2024

Dachdecker gilt als am wenigsten durch Künstliche Intelligenz gefährdeter Beruf

Die meisten Büroberufe halten viele Menschen nach einer repräsentativen Umfrage der Marktforscher von YouGov für akut gefährdet, durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt zu werden. Besser sind die Zukunftsaussichten für die handwerklich geprägten Berufe, bei denen sich die menschliche Komponente nur sehr schwer ersetzen lässt. Den Beruf des Schreiners halten 64 Prozent der Befragten für wenig oder gar nicht gefährdet, 65 Prozent den Beruf Maler und für den Beruf Dachdecker sehen gar 71 Prozent der Befragten wenig oder gar keine Gefahr.

21. Dezember 2023

Mayener Meisterwoche 2024 mit aktuellen Themen

In Mayen werden vom 24.-26. Januar 2024 wieder Tür und Tor für die Mayener Meisterwoche (MMW) geöffnet. Das Programm lässt keine Wünsche offen und beleuchtet die aktuellen Themen der Zeit: Neben wichtigen Neuerungen im Fachregelwerk geht es um Schadensfälle bei PV-Anlagen, die Möglichkeiten und Grenzen einer 4-Tage-Woche in Dachdeckerbetrieben, aber auch Cybersicherheit und KI im Handwerk versprechen interessante Einsichten. Ein Blick in das Programm lohnt auf jeden Fall.

15. Dezember 2023

Neues Führungs-Duo bei Velux Deutschland

Mit sofortiger Wirkung übernehmen Silke Stehr als Sprecherin der Geschäftsführung und Matthias Mager als Geschäftsführer Vertrieb die Leitung von Velux Deutschland. Jacob Madsen, bisheriger Geschäftsführer, wechselt als Executive Vice President Region North Europe in das Top-Management der Velux Gruppe. „Silke und Matthias haben viel Markt- und Branchen-Erfahrung und gestalten Velux schon lange erfolgreich mit,“ erklärt Madsen. „Gemeinsam werden wir unser Qualitätsversprechen, die enge Zusammenarbeit mit den Partnerbetrieben im Fachhandel und Handwerk und die starke Position des Unternehmens weiter ausbauen.“

4. Dezember 2023

Auftragszahlen im Wohnungsbau gehen weiter abwärts

„Seit mehr als einem Jahr verzeichnen wir nun schon negative Zahlen bei Baugenehmigungen und Auftragseingängen im Wohnungsbau. Von Januar bis September wurden fast 77.000 Wohneinheiten weniger genehmigt als im Vorjahreszeitraum. Die Order sind im September um real 15 Prozent zurückgegangen“, so Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Der Der Wohnungsbau brauche neben dem beim Kanzlergipfel verabschiedeten 14-Punkte-Plan kurzfristige Hilfe, sonst werde der Einbruch noch dramatischer.

24. November 2023

ifo Institut: Auftragsstornierungen im Wohnungsbau erreichen neuen Höchststand  

Die Stornierungswelle im Wohnungsbau reißt nicht ab. Im Oktober meldeten 22,2 Prozent der Unternehmen gestrichene Projekte, im Vormonat waren es 21,4 Prozent. „Es wird immer schlimmer, mehr und mehr Projekte scheitern am gestiegenen Zinsniveau und den teuren Baupreisen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo Umfragen. „Das Neugeschäft im Wohnungsbau ist weiterhin sehr schwach, die Auftragsbestände der Firmen schmelzen ab.“ 

15. November 2023

ifo Institut: Wirtschaftsleistung 2023 schrumpft um 0,4 Prozent

Das ifo Institut hat seine Konjunkturprognose bestätigt. Demnach wird die deutsche Wirtschaftsleistung 2023 um 0,4 Prozent schrumpfen. Im kommenden Jahr wird sie dann um 1,4 Prozent steigen, aber 0,1 Prozentpunkte weniger als bislang gedacht. Im Jahre 2025 wird das Wachstum 1,2 Prozent betragen. „Anders als bislang erwartet dürfte die Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2023 ausbleiben. Die Abkühlung setzt sich fort, in nahezu allen Branchen steht die Tendenz auf Flaute“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. 

8. September 2023