Dachdeckerin gelernt: Wie geht es weiter?
16. Januar 2020
„Bisher ist alles super gelaufen“, sagt Natalie Boll. „Wir haben ein gutes Arbeitsklima, der Chef Ingmar Brede unterstützt uns Auszubildende sehr und auch für uns drei Mädchen meiner Klasse in der Berufsschule gibt es keinen Stress.“ Die Arbeit als Dachdeckerin gefällt der 18-Jährigen, vor allem im Bereich Steildach. „Abreißen decken, mit Schiefer arbeiten, kreativ sein: das ist alles voll meins.“ Dennoch weiß Boll noch nicht, wie sie sich ihre Zukunft nach der Gesellenprüfung vorstellt. Klar ist für sie: „ Auf Dauer ist mir die Arbeit auf dem Dach zu schwer.“ Eine Alternative wäre eine weitere Ausbildung zur Erzieherin, was sie schon nach der Realschule angepeilt hatte. „Doch damals wollte ich gleich Geld verdienen, um etwa meinen Führerschein machen zu können.“
Meister machen ist möglich, aber teuer
Boll kann sich auch vorstellen, den Meister zu machen. Aber eher nicht, um mal einen Betrieb zu übernehmen. „Da kann ich mir mehr eine Stelle als Lehrerin in der Berufsschule vorstellen.“ Für Frauen auf dem Dach, die keine Perspektive haben, einen Familienbetrieb zu übernehmen, kann die gefährliche und harte körperliche Arbeit sicher, wie bei Männern auch, auf Dauer ein Problem werden. Den Meister machen heißt zudem, trotz Zuschüssen der einzelnen Bundesländer selber viel Geld zu investieren oder das Meister-Bafög in Teilen wieder zurückzahlen zu müssen. Darin sieht auch die Gesellin Justine Schmid eine große Hürde.
Dachdeckerin möchte als Gesellin weiter lernen und Verantwortung übernehmen
Ansonsten gefällt der 21-Jährigen die Arbeit bei Brede-Dach. „Ich bin momentan sehr zufrieden mit dem Chef und den Kollegen. Seit Ende Juni ist Schmid Gesellin, da möchte sie erst einmal weitere Erfahrungen sammeln. „Das richtige Lernen beginnt jetzt nach der Ausbildung. Natürlich habe ich auch während der Lehre schon vieles ausprobiert und gemacht. Aber richtig selber arbeiten mit Verantwortung, das ist schon etwas anderes.“ Dabei macht sie gerne mit Flüssigkunststoff die Abdichtungen. Doch eigentlich gefallen ihr viele Arbeiten, etwa mit Schiefer oder auch im Bereich Fassade.
Dachdeckerin will Führerschein für kürzere Anfahrt zu Arbeit
Was sich noch verbessern lässt in ihrem Ablauf, ist der Arbeitsweg. Schmid hat bislang noch keinen Führerschein und braucht mit dem Bus eine Stunde zum Betrieb. Das ist schon hart, weil bei den Dachdeckern der Arbeitstag sehr früh beginnt. „Ich habe den Führerschein und das eigene Auto für Anfang 2020 geplant. Dann brauche ich nur noch 15 Minuten Fahrt in den Betrieb“, berichtet Schmid. Die Motivation ist da, auch die Bereitschaft weiter bei Brede-Dach zu arbeiten.
Dachdeckerinnen erfahren viel Wertschätzung im Betrieb
Ein Grund ist auch, dass Chef Ingmar Brede seine Wertschätzung gegenüber den Auszubildenden und Mitarbeitern zeigt. Mit Justine Schmid machte er ein gemeinsames Foto auf dem Dach an ihrem letzten Tag als Auszubildende und danach mit ihrem Zeugnis als frischgebackene Gesellin. Auch seinen jüngsten Lehrling stellte Brede gleich Anfang August auf Facebook mit Bild vor.
Ein weiterer Post zeigt die Auszubildenden in der eigenen Halle bei Fassadenarbeiten am Modell. Bei schlechtem Wetter können seine Lehrlinge dort praktisch üben statt Material zu sortieren. Natalie Boll ist davon begeistert. „Der Chef hat mit Kollegen extra für uns ein Dachmodell für die Halle gebaut. Es ist super, dass er uns das Üben ermöglicht und auch das Material stellt. Gerade jetzt im Hinblick auf die Zwischenprüfung ist das für mich sehr hilfreich.“ Doch ob Natalie Boll dem Betrieb und dem Dachdecker-Handwerk mittelfristig erhalten bleiben, ist weiterhin offen. Anders sieht es bei Justine Schmid aus. „Ich bin zufrieden, wie es ist als Dachdeckerin.“
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