Dachdeckermeister wehrt sich gegen Preisexplosion bei Holz
4. Mai 2021
Dachdeckermeister Lars Bigelmann aus Angermünde ist kein Wutbürger. Er macht sich vielmehr als Obermeister der Dachdeckerinnung Uckermark große Sorgen wegen der Preisexplosion bei Holz und EPS-Dämmstoffen. Dass sein ganz normaler Facebook-Post vom 25. April über eine Million Menschen erreicht hat, überrascht ihn schon. Es ist ein Indiz dafür, dass der Unmut unter Dachdeckern und Zimmerern sowie deren Kunden verständlicherweise rapide wächst.
Trotz voller Auftragsbücher drohen Baustopps und Kurzarbeit
Die Betriebe haben volle Auftragsbücher, trotzdem drohen Baustopps, Kurzarbeit und womöglich sogar Insolvenzen. Wie geht das zusammen, wo doch gefühlt genug Holz da ist in Deutschland? Preise lassen sich wegen teilweise täglicher Steigerungen kaum verlässlich kalkulieren, bei Dachlatten haben sie sich bereits mehr als verdoppelt seit März. Die Lieferzeiten liegen im Bereich von mehreren Wochen, oftmals schon von Monaten. Da ist auch die Reaktion gut zu verstehen, die Politik möge hier regulierend eingreifen, etwa mit Exportzöllen. Gerade deshalb, weil Dachdecker und Zimmerer so stark wie nie zuvor von den Einflüssen des Weltmarktes betroffen sind, und dies als schwächstes Glied am Ende der Wertschöpfungskette.
Preisexplosion bei Holz: die Ursachen sind vielfältig
Die Gründe für die Preisexplosion bei Holz mitsamt der Lieferengpässe sind vielfältig. Sie haben mit Corona zu tun, mit dem Weltmarkt, mit dem Klimawandel und dem Boom beim Baustoff Holz. Und es gibt dabei eine Entwicklung. Die aktuelle Krise ist nicht vom Himmel gefallen.
Weltweiter Holzbau-Boom: stark steigende Exporte in die USA und nach China
Der weltweite Boom des Baustoffs Holz setzt im Juni 2020 ein, also mitten in der Corona-Pandemie. Seitdem werden etwa in China und den USA wieder vermehrt Holzhäuser gebaut, vorzugsweise auf dem Land. Befeuert wird das Ganze in Amerika durch das riesige Konjunkturprogramm der neuen Regierung. Das hat zu einer Verdoppelung der Holzpreise innerhalb von ein paar Monaten geführt.
Nach Informationen des Unternehmer-Netzwerks Holzklasse importierte die USA 2020 55 Prozent mehr Holz aus Deutschland als im Jahr zuvor. Auch China bedient sich seit 2020 am europäischen Markt mit knapp 40 Prozent mehr Holzimporten aus Deutschland. Großhändler in den USA zahlen laut Holzklasse etwa 500 bis 600 Euro pro Kubikmeter für Nadelschnittholz.
Klimawandel: Borkenkäfer wütet in Kanada
Denn Holz ist knapp in den USA, weil es dort Waldbrände in Kalifornien gab und vor allem viel weniger Material als früher aus Kanada kommt. Das lag unter der Trump-Regierung auch an hohen Einfuhrzöllen, doch vor allem liegt es daran, dass in Kanada der Borkenkäfer wütet. In Kanadas Provinz British Columbia, wo ein Großteil des Holzes für den US-Markt heranwächst, verloren die Wälder zwischen 2000 und 2015 bereits mehr als 700 Millionen Kubikmeter an den Bergkiefernkäfer, eine Borkenkäferart. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Situation noch einmal verschärft, sodass laut der kanadischen Zeitung „Financial Post“ mehr als die Hälfte des nutzbaren Holzes vernichtet wurde.
Klimawandel: riesige Mengen Schadholz in Deutschland geschlagen
Das führt uns direkt nach Deutschland, wo der Anteil an Schadholz durch Borkenkäfer und Stürme ebenfalls seit 2019 enorm angestiegen ist. Betroffen ist vor allem die Fichte, die man seit der Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg für das richtige Bauholz hält. Heute zeigt sich, dass die Fichte dem Klimawandel mit Trockenheit und Stürmen nicht gewachsen ist. Das Resultat: im Jahr 2020 wurden in den deutschen Wäldern zwar 80,4 Millionen Kubikmeter Holz eingeschlagen, was laut Statistischem Bundesamt ein neuer Rekordwert seit der Wiedervereinigung ist. Doch mehr als die Hälfte davon ist Schadholz durch Insektenbefall. Und dieses Holz ist zum Teil nur noch für Faserplatten, Paletten in der Industrie oder als Energieholz verwendbar.
Export aus dem Wald via Container nach China
2019 begann der hohe Einschlag von Schadholz, um die Ausbreitung des Borkenkäfers auf gesunde Bäume zu verhindern. Dieses Käferholz wurde und wird seitdem in großen Mengen direkt nach dem Einschlag vor Ort in den Forsten in Container verladen, um Pflanzenschutzmittel oder eine teure Bewässerung der Stämme zu sparen, und nach China exportiert. Es sind die Big Player unter den Holzhändlern, die das profitable Geschäft abwickeln. Die staatlichen Forsten und privaten Waldbesitzer erhalten dafür Preise, die nicht einmal kostendeckend waren und jetzt langsam wieder steigen.
Das Bremer Logistik-Unternehmen Brelog übernimmt im Auftrag der großen Holzhändler die Verschiffung nach China. „Das Geschäft läuft auch in diesem Jahr weiterhin gut“, sagt Marcel Cäsar, Ansprechpartner für Holztransporte. Es könnte sogar noch besser laufen, doch auch für den Export gebe nicht mehr genug Rohware und zudem fehlten Leercontainer für das Beladen. 40.000 Container schickt die Bremer Spedition seit 2019 pro Jahr nach China. In jeden Container passen 24 Tonnen Holz, meist Fichten-Käferholz.
Gutes, gesundes Bauholz ist in Deutschland offenbar nicht genug vorhanden, gerade auch angesichts des hiesigen Booms mit dem ökologischen Baustoff Holz, der in Zeiten des Klimawandels von den Kommunen und Bundesländern stark forciert wird.
Egger will keine neuen Exportmärkte erschließen
Das bestätigt auch Egger, ein großer Lieferant von Holzwerkstoffen mit 20 Werken weltweit. „Derzeit bekommen wir ausreichend Holz, hauptsächlich Kalamitätsholz (Schadholz). Es wird aber in Zukunft immer schwieriger werden, genügend sägefähiges Holz für eine Vollauslastung zu bekommen“, sagt Ulrich Weihs, CEO Egger Building Products. „Große Mengen aus unserem Einzugsgebiet werden exportiert.“ Egger selbst habe keine weiteren Exportmärkte erschlossen, sondern bediene weiterhin die bestehende Kundenstruktur in den Stammmärkten. Probleme sieht Egger auch in der weltweit angespannten Versorgungssituation bei Chemierohstoffen, die für die Produktion benötigt werden, etwa bei Leimharzen.
Deutlich weniger Holzimporte aus Skandinavien und Russland
Was kommt noch an Gründen für die Preisexplosion bei Holz hinzu? Viel Holz kam bisher aus den skandinavischen Ländern, doch dort wird immer mehr Material selbst verwendet. Die Exportquote schrumpft. Zudem gibt es weniger Holz aus Russland, wo die Regierung einen Exportstopp ab Januar 2022 verhängen wird. Die Politik in Deutschland schweigt bislang zu diesem brisanten Thema.
„Es wäre schön, wenn sich hier mal jemand kümmern würde“, schreibt Dachdeckermeister Bigelmann in seinem berühmten Facebook-Post, gerichtet an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Aber ich gehe davon aus, dass alles wie immer abgewartet und ausgesessen wird, da man ja nicht schuld sein will in diesem demokratischen Land und keinen verprellen will.“
Preisexplosion bei Holz: Dachdecker fordern politisches Handeln
Die Zimmerer und Dachdecker erwarten nun laut Handwerksblatt, dass die Politik zwischen den Marktpartnern vermittelnd eingreift. „52 Prozent Waldbesitz gehören dem Bund, dem Land und den Kommunen. Es ist vollkommen unverständlich, dass diese Ressource nicht dem heimischen Endverbraucher und heimischen Verarbeiter zu adäquaten Preisen zur Verfügung stehen“, meint Raban Meurer, Obermeister der Dachdeckerlandesinnung Nordrhein. „Bei den Betrieben brennt der Baum!“, legte er auf Facebook nach.
Angekommen ist der Ärger über die Preisexplosion bei Holz inzwischen etwa beim Euskirchener CDU-Bundestagsabgeordneten Detlef Seif, der in einem offenen Brief den Bundeswirtschaftsminister auffordert, „mit Vertretern der Holz- und Bauwirtschaft Lösungen zu eruieren“. Lobbyarbeit für das Handwerk macht Sinn, gerade in Wahlkampfzeiten.
Ein positives Signal gibt es aber auch. So erwartet die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass die Preisexplosion bei Holz im Laufe des Jahres endet und die Preise dann sogar wieder deutlich sinken.
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