Betriebsnachfolge im Handwerk
14. Juni 2018
„Ich geh dann mal hoch“, so oder ähnlich war der Wortlaut, an den sich kein Anwesender mehr so genau erinnern kann. Karl-Heinz Winterbauer packt seine Schreibtischutensilien und zieht in ein neues Büro, ein Stockwerk höher. Den Sohn Sebastian lässt er zurück. Er hat die Leitung des Dachdeckerbetriebes in Heidelberg übernommen, sitzt von nun an selbst ohne den langjährigen Lenker und Vater im Leitstand des Betriebes. Sebastian Winterbauer ist damals 29 Jahre alt und schaut etwas verdutzt. Das ging schnell und weg war der Vater.
Klare Rollenverteilung zwischen Vater und Sohn
Klar, das Ganze war lange vorher abgesprochen. Zusammen mit dem Großvater, der viele Jahre zuvor den Betrieb an den Vater abgegeben hatte und längst nicht mehr tätig war. Sebastian, der zunächst mit seinem Jura-Studium ganz andere Wege ging, hatte nach dem Gespräch die Handwerkerlaufbahn bis zum Dachdeckermeister eingeschlagen. Nun, dort angekommen, saß er in der Führung des 30-Mann-Betriebes allein da.
Der ehrgeizige junge Mann versuchte, alles allein zu schultern, Rat war ja nur auf Anforderung zu haben. Der Vater arbeitete als selbstständiger Gutachter unabhängig weiter. Er steht ebenfalls bis heute als Berater mit entsprechendem Vertrag gegenüber seiner Ex-Firma auch ganz offiziell dem Sohn zur Seite. Die Rollen sind klar geregelt. Sohn Sebastian hält unterdessen das Steuer alleine, er ist der Ansprechpartner bei allen Entscheidungen.
Eine eher untypische Betriebsnachfolge im Handwerk
Dies ist eine Geschichte, die sehr untypisch ist. Oft passiert das Ganze umgekehrt: Der Nachfolger kann seinen eigenen Stil nicht ausfeilen, eigene Entscheidungen nicht treffen, weil der ehemalige Inhaber auch noch mitreden will. Konflikte sind an der Tagesordnung, nicht selten führen sie zum Zerfall des Betriebes.
Der Beginn als Firmenchef von Sebastian Winterbauer ist nun schon gut sieben Jahre her. Das gute familiäre Klima herrscht weiterhin. Wenn nichts Dringendes anliegt, gehen der Vater, die ebenfalls im Büro arbeitende Mutter und Sohn Sebastian zusammen in die Mittagspause. Der enge familiäre Kontakt bleibt bestehen, Absprachen können leicht getroffen werden. So, wie sich der Senior Karl-Heinz Winterbauer seine Zeit nach dem Ausstieg aus der Firmenleitung vorgestellt hat, so lebt er sie auch in Unabhängigkeit, ohne das Korsett eines stetigen Betriebsablaufs.
Eigentlich ist es ja auch ganz einfach: Der eine will gehen, der andere übernehmen. Man vereinbart die Modalitäten und die Übergangsphasen. Fertig! In der Realität ist eine Betriebsnachfolge im Handwerk meist nicht so einfach. Ein Lebenswerk wird übergeben, da hängt eine Familiengeschichte dran und entsprechend viele Emotionen. Dann ist die Eltern-Kind Beziehung auch nicht immer problemlos…
Mediation unterstützt Betriebsnachfolge im Handwerk
Der Wirtschaftsmediator Ralph Kossak unterstützt die Lösung von Konflikten bei der Betriebsnachfolge im Handwerk. Er wird meist gerufen, wenn die üblichen Berater wie Rechtsanwälte oder Steuerberater nicht mehr weiterkommen. „Oft spielen bei den Konflikten fehlendes Vertrauen, eine emotional aufgeladene Kommunikation und fehlende Absprachen eine große Rolle“, sagt er. Vor der Übergabe habe der Firmeninhaber oft die Geschicke des Unternehmens allein geführt. Die Verantwortlichkeit und auch die Entscheidungsbefugnis müsse bei einer Übergabe dann langsam in neue Hände gelegt werden. „Bis zu einem definierten Punkt, wo dann die Verantwortlichkeit und auch das Eigentum an den Nachfolger unwiderruflich übergeht“, sagt Kossak.
Seine Methode für die Konfliktlösung ist die der Mediation. Hier werden die Emotionen einbezogen, die in jedem Konflikt stecken: Sie werden angesprochen und sichtbar gemacht. Es kann sich aber auch aufklären, dass es lediglich Verständigungsprobleme sind, die überwunden werden können. Wichtig ist auf alle Fälle, dass nach den Hintergründen eines Konfliktes gefragt wird, um seine Substanz kennenzulernen.
Beispiel Orange: Was Mediation bewirken kann
Ein Beispiel: Zwei Menschen streiten sich um eine Orange. Der Streit könnte jetzt um die Vorherrschaft gehen: Wer kann durchsetzen, dass er sie auch bekommt. Oder: Beide wollen die ganze Orange und teilen Sie in zwei Hälften. Niemand ist wirklich zufrieden. Der Mediator untersucht nun, warum die beiden Kontrahenten die Orange überhaupt haben wollen. Unter Umständen findet er jetzt heraus, dass der eine die Orange möchte, um mit dessen Schalenaroma einen Kuchen zu backen, der andere aber das Fruchtfleisch verzehren möchte. Beide könnten nach dieser Untersuchung eine ganze Orange bekommen, ohne verzichten zu müssen. Die Mediationstechnik versucht also, nicht den Konflikt konventionell zu lösen, sondern durch die Analyse der hinter den Forderungen steckenden – oft emotionalen – Bedürfnisse eine Lösung herbeizuführen.
Einen solchen Trennungskampf hat es bei den Winterbauers nie gegeben. Vater Karl-Heinz war schon immer in der Innung tätig, hat viele Ehrenämter in der Politik und auch im Vorstand des Dachdeckereinkaufs Süd und im Aufsichtsrat der Zedach bekleidet. Jetzt, wo der Druck nicht mehr so hoch ist, geht er regelmäßig Golf spielen. Er ging mit der Betriebsübergabe entspannt einem neuen Abschnitt seines Lebens entgegen. Das ist vielleicht auch der Grund, warum der gelassene 67-Jährige dem damals 29-Jährigen vor gut sieben Jahren den Betrieb schmerzfrei überlassen konnte. Er musste nicht zurückblicken, sondern hatte viele neue Ziele vor sich, auf die er sich freute. Er ist dann einfach mal losgegangen…
Erste Anlaufstellen bei der Betriebsnachfolge sind die Handwerkskammern. Ein Kurzfilm stellt das Beratungsangebot auf anschauliche Weise vor: