Dachdeckerin Jule Marie Göttsche liebt die Arbeit mit Metall
7. Dezember 2023
Dass Jule Marie Göttsche einmal Dachdeckerin wird, es hat sich lange nicht einmal angedeutet. Nach dem Abitur absolvierte die heute 29-Jährige eine Ausbildung zur Biologielaborantin und arbeitete auch ein halbes Jahr in diesem Beruf. Doch der Passende war das noch lange nicht. Es folgten zwei Jahre Studium in Köln, Volkswirtschaft und Soziologie, etwas ganz anderes. „Nur am Schreibtisch zu sitzen, das war nicht erfüllend, ich fühlte mich nicht ausgelastet“, erinnert sich Jule Marie Göttsche.
Baustellenpraktikum als Wendepunkt
Der nächste Schritt, schon näher am Handwerk, war die Bewerbung für ein Architekturstudium. „Eine Voraussetzung hierfür ist ein Baustellenpraktikum. Und in dem Architekturbüro, in dem ich auch ein Praktikum machen wollte, wurde mir ein Dachdeckerbetrieb mit vielen Baustellen in Köln empfohlen“, erzählt Jule Marie Göttsche. Das geschah Anfang 2020 und dann kam die Corona-Pandemie. Das machte ein Praktikum im Büro plötzlich unmöglich, aber nicht draußen bei einem Dachdecker. „Dort auf den Baustellen hat es mir richtig gut gefallen und mit den Kollegen war es sehr lustig.“ Vielleicht auch, weil sie immer schon handwerkliches Geschick hatte, zuletzt in viel Eigenarbeit eine Wohnung renovierte. „Meine Mutter fragte mich schon während des Studiums, warum ich eigentlich nicht ins Handwerk gehe“, erinnert sich die Dachdeckergesellin. Für sie in der Zeit noch unrealistisch.
Dachdeckerlehre statt Architekturstudium
Nach dem Praktikum kam der Moment der Entscheidung: „Arbeite ich weiter an meiner Mappe für die Bewerbung zum Architekturstudium oder mache ich eine Ausbildung als Dachdeckerin.“ Jule Marie Göttsche entschied sich für letzteres und hat es bis heute nicht bereut. Ihr Vorarbeiter sprach mit dem Chef, der anfangs skeptisch war, weil er bislang noch keine Frau als Dachdeckerin beschäftigt hatte. Dann gab er grünes Licht. Die Ausbildung konnte die damals 25-Jährige auf zwei Jahre verkürzen, Probleme gab es nicht. „Ich habe mir in der Schule einiges selbst erarbeitet und auch viel für den Abschluss getan.“
Feinarbeit mit Metall ist ihr Ding
Ihr Ausbildungsbetrieb ist auf Flachdächer spezialisiert. „Da war ich eine Expertin in der Theorie, aber ich hatte noch gar keinen Überblick, was es sonst noch an Aufgaben auf dem Dach gibt“, erklärt Jule Marie Göttsche. Das Flachdach sah sie also nicht als ihre endgültige Erfüllung an und wechselte nach zwei Monaten als Gesellin den Betrieb. Seitdem ist sie in einem noch jungen, kleineren Betrieb, der alle Leistungen des Dachhandwerks anbietet, vor allem auch die Bauspenglerei. „Nichts gegen Flachdach, die Arbeit macht auch Freude, aber die Feinarbeit mit Metall, das ist genau mein Ding. Da muss man viel überlegen, planen und genau arbeiten. Und die Ästhetik der Metalldächer gefällt mir sehr“, erläutert Jule Marie Göttsche.
Aufgaben zum Wachsen
Die 29-Jährige freut sich darüber, dass sie aktuell viel im Metallbereich lernen kann. „Mir werden hier Aufgaben anvertraut, an denen ich wachsen kann. Das ist richtig toll. Ich lerne unheimlich gerne, mache neue Sachen und erweitere meinen Wissensschatz und mein Können.“ Die Kollegen würden ihr das auch überlassen. „Für Metallarbeiten muss man Geduld haben“, sagt Jule Marie Göttsche. „Ich bin hier gerade in einer glücklichen Position.“ Bei so viel Freude am Lernen verwundert es nicht, dass die Dachdeckergesellin, die als Jule am Bau auch auf Instagram aktiv ist, im nächsten Jahr die Meisterschule starten will und überlegt, ob sie gleich im Anschluss noch den Klempnermeister nachlegt.
Freunde reagieren sehr positiv
Und wie reagieren ihre Freunde, von denen die meisten studiert haben, auf ihre für eine Frau doch noch immer ungewöhnliche Berufswahl im Handwerk? „Sie waren schon erstaunt, reagieren aber alle sehr positiv und interessiert. Auch meine Eltern finden es gut“, erzählt Jule Marie Göttsche. Sie rät allen Mädchen und jungen Frauen, die ein handwerkliches Interesse haben, es einfach mal auszuprobieren. „Habt keine Angst und macht euch keine Sorgen, dass ihr vielleicht nicht kräftig genug seid. Bei mir kam das auch erst mit der Zeit.“ In einem Praktikum lasse sich auch schnell herausfinden, wie das Betriebsklima ist. „Für mich ist das sehr essenziell: Wie sind die Kollegen und wie nehmen sie dich auf?“
Kreativ sein auch in der Freizeit
Wie im Beruf probiert Jule Marie Göttsche auch in der Freizeit neue Dinge aus. Sie kocht sehr gerne und testet Rezepte, nicht nur für sich, sondern immer wieder für Freunde und Verwandte. „Ich bin auch gerne kreativ, ich male, zeichne, bastele oder nähe Karnevalskostüme.“ Musik ist ein weiteres Faible, neben Techno und Latin auch gerne Klassik. Die hört sie in der Freizeit, aber sie hat auch selbst lange im Chor gesungen. „Wir sind damals sogar zweimal in der Kölner Philharmonie aufgetreten“, berichtet die 29-Jährige. Ein Betrieb, der eine so kreative, anpackende und wissbegierige Mitarbeiterin hat, die mit Leidenschaft bei der Sache ist, kann sich auf jeden Fall freuen.
Sie interessieren sich für das Berufsbild Dachdecker? Dann lesen Sie unsere Geschichte über einen Ex-Banker, der den Weg aufs Dach fand.