
Emre-Can Serce: Vom Schulabbrecher zum Meister
17. April 2025
Nicht alle Wege ins Berufsleben verlaufen geradlinig, und manche führen am Ende zu einem Ziel, das am Anfang noch gar nicht absehbar war. Ein gutes Beispiel dafür ist der 26-jährige Emre-Can Serce aus Lüdenscheid, der vor zehn Jahren die Hauptschule ohne Abschluss verließ. Heute ist er Dachdeckermeister und plant demnächst seinen eigenen Betrieb zu gründen.
Keine Grenzen auf dem Weg nach oben
Sich selbst keine Grenzen setzen und immer wieder über den eigenen Schatten springen: Dieses Motto hat Emre-Can Serce nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre für sich gefunden – und das würde er nun gerne anderen jungen Menschen mit auf den Weg geben, die vielleicht ähnlich schwierige Voraussetzungen haben wie er sie einst hatte. Denn bei ihm war es lange Zeit nicht absehbar, dass ihn seine berufliche Laufbahn (im wahrsten Sinne des Wortes) so weit nach oben führen würde. „Ich war in der Schule nicht so wirklich fokussiert“, sagt er rückblickend. „Zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Idee, was ich mit meinem Leben anfangen könnte.“

Überzeugende Arbeit führt zum Ausbildungsplatz
Sein ursprünglicher Traum, Polizist zu werden, war angesichts des fehlenden Schulabschlusses unrealistisch geworden und auch andere Berufsausbildungen damit in weite Ferne gerückt. Um seinen Abschluss nachzuholen, meldete sich der damals 16-Jährige am Berufskolleg für Technik (BKT) in Lüdenscheid an, wo er nach einigen Monaten ein zweiwöchiges Praktikum zu absolvieren hatte. Damals wusste Emre-Can Serce nach eigener Aussage nicht, was es alles an unterschiedlichen Berufen gibt.
Auch der Beruf des Dachdeckers war ihm zunächst unbekannt. Bis er einen ehemaligen Mitschüler traf: „Und der hat mir erzählt, dass er gerade eine Ausbildung zum Dachdecker angefangen hat, die ihm viel Spaß macht“, berichtet Emre-Can Serce. Er zögerte nicht lange, bewarb sich bei einem Dachdeckerbetrieb in der Nähe um einen Praktikumsplatz, wurde angenommen und leistete dort so überzeugende Arbeit, dass ihm der Chef umgehend einen Ausbildungsplatz anbot.

Die richtige Richtung gefunden
Erneut zögerte Emre-Can Serce nicht, unterschrieb den Ausbildungsvertrag und verließ das Berufskolleg. Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut hat. „Das Arbeiten draußen an der frischen Luft, die Atmosphäre im Team: Das hat mir alles von Anfang an gut gefallen“, erinnert er sich. „Scheinbar hatte es mir vorher in der Schule gefehlt, mich auspowern zu können und etwas für mich Sinnvolles zu tun.“ Er sei dankbar, dass es Betriebe wie seinen Ausbildungsbetrieb gebe, für die Schulnoten nicht das entscheidende Kriterium seien. „Ich glaube es gibt viele wie mich, die mit den Inhalten in der Schule nicht so viel anfangen können und für die es danach erst richtig losgeht. Wenn sie einen konkreten Beruf für sich gefunden haben und die Richtung kennen, in die es geht – dann macht der Beruf auch richtig viel Spaß.“
Meistertitel als neues Ziel
Auch wenn es am Anfang nicht immer leicht war, er sich gegen den manchmal rauen Ton auf den Baustellen behaupten und zunächst seine anfänglich vorhandene Höhenangst überwinden musste, bewies Emre-Can Serce Durchhaltevermögen und ließ sich von zwischenzeitlichen Motivationstiefs nicht von seinem Weg abbringen. In der Berufsschule und bei den überbetrieblichen Lehrgängen in Eslohe fand er sich trotz seiner schulischen Vorgeschichte gut zurecht und schaffte schließlich problemlos die Gesellenprüfung. „Der Stoff hatte ja direkten Bezug zum Handwerk, darum fiel mir das Lernen relativ leicht“, erzählt Emre-Can Serce.

Nach erfolgreich abgelegter Prüfung blieb er noch ein Jahr in seinem Ausbildungsbetrieb und wechselte in den Folgejahren aufgrund privat bedingter Umzüge mehrmals den Arbeitgeber. In dieser Zeit wuchs in ihm der Wunsch, die Karriereleiter noch weiter nach oben zu klettern und den Meistertitel in den Blick zu nehmen. „Ich habe gemerkt, dass ich mein eigener Chef sein und meine eigenen Baustellen leiten möchte“, erläutert der 26-Jährige.
Den Meister in Vollzeit in Düsseldorf
Die Frage, ob er den Meister besser berufsbegleitend oder in Vollzeit angehen sollte, beantwortete sich für ihn vor zwei Jahren von selbst. Kurze Zeit, nachdem er mit seiner Frau nach Essen gezogen war, um sich dort ein neues Zuhause aufzubauen, musste ihn sein dortiger Betrieb wegen Auftragsmangels gleich wieder entlassen. Emre-Can Serce nutzte die Gelegenheit und meldete sich in Vollzeit zur Meisterschule der Handwerkskammer Düsseldorf an, auch wenn viele ihm damals nicht zutrauten, dass er das mit seiner Vorgeschichte würde schaffen können.

Ehefrau und Eltern als Unterstützer
„Aber meine Frau hat mich sehr motiviert“, erzählt Emre-Can Serce. „Und auch meine Eltern haben mich immer wieder unterstützt und gesagt: Bleib dran, du packst das!“ Doch in den ersten Monaten habe er schon manchmal gedacht, dass die Zweifler recht behalten würden. Besonders der Teil III mit den betriebswirtschaftlichen Grundlagen machte ihm zu schaffen. „Mathematik ist mir schon immer schwergefallen, und mit dem, was da verlangt wurde, konnte ich am Anfang überhaupt nicht umgehen.“
Erst Praxiserfahrungen und dann Selbstständigkeit
Aber erneut bewies er Durchhaltevermögen, lernte auch nach Schulschluss und bei Bedarf an den Wochenenden. Das Ergebnis: die bestandene Meisterprüfung. „Ich hatte vorher gedacht, dass ich in dem Moment laut jubeln würde“, meint er. „Aber als ich erfahren habe, dass ich bestanden habe, war ich einfach nur müde und habe mich eher innerlich gefreut.“ Aktuell ist Emre-Can Serce wieder in einem Betrieb in Essen angestellt, nun als Meister. Sein Ziel ist es, seine Kenntnisse in der Praxis zu vertiefen und Erfahrungen in der Leitung von Baustellen zu sammeln. Um dann, wenn sich eine passende Gelegenheit bietet, in die Selbstständigkeit zu wechseln. Was er jetzt schon weiß: „Ich möchte als Chef ein Vorbildmensch sein, im Umgang mit den Azubis, den Mitarbeitern und den Kunden.“

Vorbild sein für Jugendliche
Vorbild möchte Emre-Can Serce auch für Jugendliche sein, die noch auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive sind. „Ich möchte ihnen vermitteln, dass das Handwerk viel Spaß macht und dass es da tolle Berufe gibt“, betont er. „Und dass es nicht cool ist, auf der Straße abzuhängen und Gangsta-Rap zu hören, sondern dass derjenige stark ist, der sich eine Zukunft aufbaut und handwerklich begabt ist.“ Unter anderem plant er in dem Zusammenhang, seine alte Schule zu besuchen und dort den SchülerInnen von sich und seinem Werdegang zu erzählen.
Berufswerbung auf TikTok
Darüber hinaus ist er mit einem eigenen TikTok-Kanal am Start, auf dem er von seiner Arbeit als Dachdecker erzählt. Auf die Frage, was ihm an seinem Beruf besonders gefällt, hat er eine klare Antwort parat: „Wir haben mit so vielen unterschiedlichen Werkzeugen und Baustoffen zu tun, dass die Arbeit immer abwechslungsreich ist. Wir finden für alle möglichen Situationen passende Lösungen. Und wir sehen, was wir geschafft haben – darauf kann man wirklich stolz sein.“
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