Zimmerer ist live auf dem Weg zum Meistertitel
18. Juni 2020
„Angefangen hat alles mit meinem Instagram-Account“, erinnert sich der 21-Jährige. „Da wollte ich einfach mal Einblicke in einen wunderbaren Beruf geben.“ Was ursprünglich als eine Art Tagebuch gedacht war, stieß in der Social Media-Community auf immer größeres Interesse. Die Zahl der Follower stieg fast täglich. Und es waren vor allem Jugendliche, die Marvin Fuchs‘ Posts über die schönen, aber manchmal auch anstrengenden Seiten des Handwerks auf dem Dach verfolgten. Vielleicht lag es gerade an dieser Ehrlichkeit, nicht nur schöne Bilder aus einer Glitzerwelt zu zeigen, sondern auch mal mit Holzstaub und Sägespänen bedeckte Arbeitsschuhe oder Zimmererhosen ins Bild zu rücken.
Zimmerer begeistert junge Menschen auf Instagram
„Viele meiner Follower haben mir geschrieben und einige von ihnen haben berichtet, dass sie gerade den Ausbildungsvertrag zum Zimmerer unterschrieben haben“, so Fuchs nicht ohne Stolz. Was einst von ihm schlicht als Tätigkeitsreport gedacht war, hatte sich zu einer erstklassigen Nachwuchswerbeplattform entwickelt. Glaubwürdig, weil auf Augenhöhe und weil sie einen ungeschminkten und unzensierten Einblick ins wahre Zimmerer-Leben auf der Baustelle gibt. „Irgendwie hat mich das auch echt gefreut, dass ich damit etwas Gutes getan habe“, so ein bescheidener Marvin Fuchs.
Auf seinen Instagram-Blog wurde auch das Team des „Zimmerer-Treffpunkts“ aufmerksam. Auf der Internationalen Handwerksmesse in München 2019 traf sich Fuchs mit den Machern und die „gemeinsame Sache“ wurde beschlossen. Die DACH+HOLZ im Januar 2020 war der Startschuss für die neue Homepage des Treffpunkts. „Natürlich standesgemäß mit Richtspruch und Freibier gefeiert“, meint Fuchs lachend. Hier kann jeder mit dem Zimmererhandwerk Verbundene eigene Beiträge posten, Bilder einstellen, Werkzeuge anbieten oder Mitarbeiter und freie Stellen suchen und finden.
Zimmerer Meisterkurs: nach Corona war auf einmal alles anders
Zuletzt hatte Marvin Fuchs in seinem Blog einen Schwerpunkt auf den Meisterkurs im Bundesbildungszentrum in Kassel gelegt. Doch dann kam Corona und alles wurde anders. „Meine Mit-Meisterschüler sind praktisch alle zurück nach Hause gefahren“, berichtet er. „Meist können sie im elterlichen Betrieb arbeiten und die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Unterrichts überbrücken.“ Fuchs selbst arbeitet in seinem Ausbildungsbetrieb. „Zum Glück läuft das Aufstiegs-Bafög weiter.“ Auch „Homeschooling“ wird per Online-Unterricht vom Meisterkurs angeboten. Doch das ist nicht so sein Ding: „Ich kommuniziere lieber mit meinen Mitschülern persönlich im Klassenzimmer“, gesteht er ganz offen und trotz aller digitalen Affinität. „Ein vollwertiger Ersatz ist Online-Unterricht in unserem Handwerk ohnehin nicht.“ Inzwischen ist der Präsenzunterricht in Kassel unter strengen Auflagen aber wieder angelaufen.
Wie steht Marvin Fuchs eigentlich dazu, dass man keine Gesellenjahre mehr vorweisen muss, um sich zum Meisterkurs anmelden zu können. Fehlt da nicht Berufserfahrung auf dem Weg zum Meistertitel? „Natürlich sollte jeder erst einmal Berufserfahrung sammeln – aber da zählt nicht nur die Zeit“, meint Fuchs. Er hat eigene Erfahrungen gemacht. Denn kaum war er frischgebackener Geselle, kam es zu gesundheitlich bedingten Ausfällen seines Seniorchefs und des Altgesellen. „Da bist Du auf einmal gefordert, mit einem kleinen Team trotzdem alle großen Aufgaben zu bewältigen“. Soviel zum Thema Erfahrung.
Zimmerer im guten Lernmodus
Fuchs selbst ist auch davon überzeugt, dass ein junger Mensch noch im „Lernmodus“ ist und ihm daher das Lernen jetzt viel leichter falle, als wenn er erst mit 30 Jahren nochmal die Schulbank drücken würde. Dennoch weiß er: Um Meisteranwärter zu sein, muss man auch eine gewisse Autorität ausstrahlen. Und das fällt vielen jungen Zimmerern einfach noch schwer. Autorität sei allerdings nicht mit Überheblichkeit oder Arroganz zu verwechseln, wie er betont.
Mit dem Vater als Dachdecker schon als Kind ganz oben unterwegs
Und zum Schluss drängt sich natürlich die Frage auf, wie man eigentlich zum „Vollblut-Zimmerer“ wird? „Mein Vater ist selbstständiger Dachdecker und war eigentlich gar nicht begeistert, dass ich auch aufs Dach wollte“, erinnert er sich. Doch schon als Kind war er „ganz oben“ und diese Faszination hat gehalten. Da half auch kein „Du sollst es mal besser haben und Dich nicht auf dem Bau kaputtarbeiten“, als Hinweis vom Vater. Nach der Realschule machte Fuchs noch sein Abitur. Und während die meisten der damaligen Mitschüler über die geplanten Studiengänge sinnierten, verfolgte er konsequent den Weg der Berufsausbildung im Handwerk. Inzwischen hört Fuchs von einigen, die den Studiengang inzwischen gewechselt haben. Er selbst ist seiner Berufswahl treu geblieben. „Das bestätigt mir nochmal, mich richtig entschieden zu haben.“
Na klar gab es auch einen Plan B: den Holzbauingenieur zu machen. „Aber nach 13 Jahren Schule habe ich mich einfach nach einer handfesten Handwerksausbildung gesehnt“, gibt Marvin Fuchs zu. Vielleicht gut so für das Handwerk, dass es bei Plan A geblieben ist. Neue Meister braucht das Land. „Aber den Meisterbrief machen und Meister sein, sind immer noch zwei grundverschiedene Dinge“, so ein nachdenklicher Marvin Fuchs. Gut zu wissen, dass auch ein erfolgreicher Influencer auf Instagram mit beiden Beinen auf dem Boden bleibt – sofern man das bei einem Handwerker „ganz oben“ sagen kann.
Sie interessieren sich für die Berufe Dachdecker und Zimmerer. Dann lesen Sie doch unseren Bericht über die beste Meisterschülerin am BBZ Mayen.