Leidenschaftlicher Dachdecker fährt Harley-Davidson
28. Juli 2020
Wer sich auf der Dorfstraße dem Betriebsgelände der Home-Bedachung GmbH nähert, denkt eher an ein Bauernhof-Ensemble als an einen Dachdecker. Allein ein paar aufgeständerte Dachziegel-Prototypen deuten darauf hin. Vom ersten Eindruck kommt der Mitgliedsbetrieb der Dachdecker-Einkauf Nordwest eG unspektakulär daher. Wer dann mit Chef Uwe Horstmann spricht, versteht, warum das so ist. Der kräftige Mann, der die Haare hinten zum Zopf gebunden hat, wirkt entspannt und in sich ruhend. Ohne jede Allüren und geradeheraus spricht er über seine Arbeit, sein Team, die Kunden und den persönlichen Werdegang. „Bauen, das kann ich, der kreative Typ bin ich nicht so“, sagt Horstmann. Obwohl: Kreativ ist er auch, aber mehr in der Freizeit, wenn es um seine Motorräder von Harley-Davidson geht.
Dachdecker ist schnell sein Ding
Dachdecker hat er 1984 gelernt. Damals gab es wenige Ausbildungsplätze. Horstmann bewarb sich als Tiefbauer, Schornsteinbauer und eben Dachdecker. Dort wurde er genommen und merkte sehr schnell, dass das sein Ding ist. „Das ist bis heute abwechslungsreich, ich treffe viele Menschen und es gibt immer neue Herausforderungen.“ Gradlinig verlief sein Berufsweg aber nicht. Geld verdienen wollte er vor allem nach der Ausbildung. Denn schon mit 18 Jahren kaufte er sich die erste Harley, die der heute 52-Jährige noch immer in der Garage hat. Daran zeigt sich, was dem Dachdeckermeister so wichtig ist. Er legt die Dinge gerne auf Länge an, gerade auch in den Beziehungen zu den Kunden und Mitarbeitern. Dazu gehören Freundlichkeit, Aufmerksamkeit, Vertrauen und Wertschätzung sowie klare und offene Worte.
„Mit vielen Kunden und Architekten arbeiten wir seit 20 oder sogar 25 Jahren zusammen.“ Warum kommen die immer wieder? Horstmann nennt eine scheinbare Kleinigkeit. „Bei mir geht kein Anruf verloren. Ich bin immer erreichbar und rufe zurück.“ Horstmann sind solche Dinge extrem wichtig. Er arbeitet hart daran, seine Abläufe im Betrieb immer besser zu machen. „Wir haben das Dachdecken ja nicht erfunden, andere können das auch. Aber wir sind sehr zuverlässig, flexibel wegen unserer Größe und bieten einen guten, hohen Standard.“ Sein Betrieb gehört zu den vier großen im dortigen Landkreis, die eben auch über die Liquidität verfügen für entsprechend große Aufträge. Konsequent begrenzt Horstmann den Aktionsradius auf rund 60 Kilometer. „Ich habe keinen Nerv auf Montage.“ Nur für sehr gute, langjährige Kunden macht er Ausnahmen. Das ist für ihn ein Geben und Nehmen.
Meisterschule und Betriebsgründung auf Umwegen
Als Horstmann noch Geselle war, gab es keine Ambitionen in Richtung Selbstständigkeit. Doch er hatte zwei schwere Unfälle. „Da habe ich überlegt, den Beruf zu wechseln. Aber dann wollte ich doch lieber den Meister machen, um mehr im Büro zu arbeiten und Dachdecker bleiben zu können. Nach dem Meister arbeitete er angestellt. „Das wäre auch so geblieben, wenn der Betrieb nicht in die Insolvenz gegangen wäre“, erklärt der 52-Jährige. Er war erst kurz arbeitslos, als einige alte Kunden anriefen, ob er nicht Aufträge annehmen könne. Dann entschied sich Horstmann für die Gründung, gleich mit acht Mitarbeitern.
Es hört sich ein wenig so an, dass Horstmann zu seinem Glück als Chef gezwungen werden musste. Er ist einfach kein super ehrgeiziger Typ. Aber wenn er etwas anpackt, dann richtig. Er setzt auf ein breites Leistungsspektrum von Kellerabdichtungen über Steil- und Flachdach sowie Fassaden bis zur Bauklempnerei mit eigenem Maschinenpark inklusive mobiler Klempnerei auf dem Hänger für die Baustelle. „Dann sind wir nicht abhängig von einem Bereich.“
Nach der Insolvenz weiter gekämpft
1994 hatte er nach eigener Aussage einen einfachen Start und ist gewachsen in dieser Boom-Zeit. Schwierig wurde es von 2001 bis 2002. Verursacht durch einen höheren Forderungsausfall und eine Fehlinvestition musste Horstmann Insolvenz anmelden. „Ich hatte leichtsinnigerweise ein Unternehmen erworben, doch das funktionierte nicht. Nach der Rückabwicklung habe ich einige Investitionen und Kosten nicht erstattet bekommen, da meine Kaufverträge es nicht zuließen. Hier kamen der Forderungsausfall, Unerfahrenheit und falsche Berater im Steuer- und Vertragsrecht als Gründe zusammen.“ Es ist Horstmann wichtig, darüber zu berichten, „weil man auch in einer so schweren Zeit, den Kopf nie in den Sand stecken darf“.
Horstmann nutzte die Herausforderung, um seine Abläufe zu verbessern. „Wir haben geschaut, wie wir trotz der schwierigen Zeit gutes Geld verdienen können und haben vor allem die Nachkalkulation verbessert.“ Seine Preise sind bis heute sauber gerechnet und er steht zu ihnen gegenüber den Kunden. „Ich handele nicht und sage das auch. Die Qualität unserer Arbeit hat eben ihren Preis.“ Horstmann freut sich darüber, dass diese Sicht auch bei vielen Innungskollegen inzwischen Einzug gehalten hat und die Preise am Bau endlich steigen. „Doch wir haben eigentlich immer noch zu geringe Löhne in der Branche.“
Mitunter muss Horstmann schmerzhaft erfahren, was das heißt. Dieses Jahr hat er erstmals seit Jahren keinen neuen Auszubildenden gefunden, obwohl er voll auf das Heranbilden der eigenen Fachkräfte setzt. „Über 70 Prozent meiner Leute haben bei mir gelernt.“ Er berichtet auch von erfahrenen Gesellen, die den Betrieb nach mehr als 15 Jahren verlassen, um bei der Bundeswehr oder der Post zu arbeiten. Nichts Persönliches, die Leute wollen einfach was anderes machen und mehr Geld verdienen.
Chef pflegt sozialen Umgang mit seinen Mitarbeitern
Gegenüber seinen Mitarbeitern setzt der Dachdeckermeister auf einen sozialen Umgang. „Ich bin freundlich, sachlich in der Ansprache und kann dabei auch nachdrücklich und klar sein, wenn ich meckere.“ Neben einem guten Gehalt, das immer pünktlich ausgezahlt wird, bietet Horstmann seinen Mitarbeitern vor allem eine sehr gute Ausstattung. „Unsere Fahrzeuge sind super in Schuss und werden alle fünf Jahre ausgetauscht. Und wenn wir Werkzeug oder neue Maschinen brauchen, sprechen wir darüber. Und wenn es Sinn macht, wird sofort investiert.“ Auch im Umgang sind es die Kleinigkeiten, die ihm wichtig sind. „Mal ein Kasten Bier und Grillen, mal bringen meine Frau oder ich Eis oder Pizza als Überraschung auf eine Baustelle.“ Wichtig für das Betriebsklima sei zudem, dass die richtigen Leute miteinander arbeiten.
Ein Lagermeister macht die Logistik auf umgebautem Bauernhof
Nicht so wichtig ist ihm, wie sein gepachtetes Betriebsgelände nach außen wirkt. „Ich hatte schon mal ein Grundstück gekauft, um selber so zu bauen, wie es für uns passt. Aber die hohe Investition wollten wir dann doch nicht riskieren. Keiner weiß, ob der Betrieb nach mir weitergeführt wird.“ So hat Horstmann auf einem alten Bauernhof ein Silo, eine Scheune und einen Schweinestall nach und nach umgebaut und Unterstände mit Wellblechdach für den großen Kran und das Holz gefertigt. Das wirkt improvisiert, folgt aber einem strukturierten Plan. Seit über zehn Jahren beschäftigt Horstmann einen Lagermeister, der ihm und den gewerblichen Mitarbeitern inklusive eines Meisters die Arbeit erleichtert. „Er setzt die Maschinen in Stand, räumt ein und auf, bereitet Material für die Baustellen vor, das rechnet sich“, erläutert der Chef.
Ausfahrten mit der Harley-Davidson quer durch Europa
Er selbst wohnt mit seiner Familie nicht auf dem Betriebsgelände. Seine Frau arbeitet mit im Büro. „Sie hat jeweils kurz nach der Geburt unseres heute elfjährigen Sohnes und unserer fünfjährigen Tochter wieder angefangen zu arbeiten. Für die Kleinen hatten wir gleich neben dem Büro ein Spielzimmer“, erzählt Horstmann. Seine Frau sei, sagt er nicht ohne Stolz, trotz ihrer zierlichen Statur sehr hart im Nehmen. Sie passt also gut zu ihm, der früher bis zu 15 Stunden täglich gearbeitet hat. Heute sei er ruhiger und gemäßigter. Wie das kam? „Durch die Kinder, sie waren für mich das Geschenk schlechthin.“
Seitdem arbeitet der Familienmensch deutlich weniger. Was er sich neben der Familie in der Freizeit gönnt, sind die Ausfahrten mit der Harley-Davidson, in einer Clique mit seinem Bruder, der als Profi auch das Schrauben der Maschinen übernimmt. „In Westeuropa war ich praktisch schon in jedem Land, von Italien bis Schweden“, sagt Horstmann. Auf den Touren kann er abschalten und wieder seine Ruhe und Mitte finden – auch für den weiteren beruflichen Erfolg als Dachdecker.
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