vdd: ein Verband für Hersteller von Kunststoff- und Bitumenbahnen
29. März 2022
Das Flachdach boomt, davon profitieren trotz Lieferengpässen bei einigen Rohstoffen auch die Hersteller von Kunststoff- und Bitumenbahnen. Die haben jetzt ihr „Kriegsbeil“ begraben und mit dem vdd einen neuen gemeinsamen Lobbyverband gegründet. Dr. Rainer Henseleit, 58 Jahre, ist der Geschäftsführer und erläutert im Interview die Gründe für den Zusammenschluss sowie die Chancen und Herausforderungen der Branche – aktuell mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Aus aktuellem Anlass: Wie schätzen sie die Geschäftsaussichten ein?
Aufgrund der aktuellen Lage im Ukrainekonflikt blickt der vdd mit großer Sorge auf das laufende Jahr. Da sowohl Kunststoffe als auch Bitumen Erdölprodukte sind, wird all dies einen erheblichen Einfluss auf die Abdichtungsbahnenbranche haben. Bereits jetzt zeichnen sich ein deutlicher Mangel und signifikante Preissteigerungen bei den Rohstoffen für die Bahnenproduktionen der Mitglieder ab. Gepaart mit rasch steigenden Energie- und Transportkosten führt dies sicherlich zu einer Verteuerung der Produktion und wahrscheinlich zu Lieferengpässen bei Abdichtungsprodukten.
Generell: Wie kam es zu der Neuausrichtung des vdd?
Etliche Jahre haben der Verband der Kunststoff-Dach- und Dichtungsbahnen (DUD) und wir als Verband der Bitumenbahnenhersteller miteinander gesprochen. Aber man hat nie wirklich zueinandergefunden – allein schon deshalb, weil viele der jeweiligen Mitgliedsunternehmen im täglichen Wettbewerb miteinander stehen. Aber diese strikte Grenze zwischen Kunststoff- und Bitumenbahnenherstellern ist zuletzt immer mehr aufgeweicht.
Wie kam das?
In erster Linie durch Aufkäufe von Unternehmen der jeweils anderen Unterbranche. Es ging vielen unserer Alt- und Neumitglieder um eine möglichst breite Aufstellung bei den bahnenförmigen Abdichtungsstoffen. Und inzwischen gibt es europaweit eine Renaissance dieser Einheitsverbände oder zumindest Bestrebungen einer gemeinsamen Vertretung der Branche, die ja in Deutschland wie auch europaweit vor den gleichen Herausforderungen steht.
Warum ging der DUD im vdd auf und nicht andersherum?
Wahrscheinlich deswegen, weil der vdd der mitgliederstärkere Verband gewesen ist. Und wir besaßen auch schon zuvor engere Verbindungen zu politischen Zirkeln.
Sie erwähnten bereits Herausforderungen. Welche sind das?
Das ist zweigeteilt, zum einen für den vdd und zum anderen für die Branche. Als Verband lernen wir jetzt, mit einer Stimme für unsere gemeinsamen Interessen einzutreten. Wir stehen weiter im Wettbewerb miteinander, müssen natürlich kartellrechtliche Regeln einhalten und es dennoch schaffen, ein „Wir-Gefühl“ hinzubekommen und dies nach außen zu tragen. Dem Spartendenken muss ein Riegel vorgeschoben werden – eine Mitgliedschaft aller auf Augenhöhe, egal ob als Alt- oder Neumitglied.
Und für die Branche?
Es geht um das Ringen um die beste Lösung: Steil- oder Flachdächer? Wir als vdd sagen Flachdach und haben dafür gute Argumente, die wir Bauherren und der Politik darbringen müssen. Vor allem Ballungszentren brauchen die Möglichkeiten, die Flachdächer bieten: Aufgestellte Photovoltaik, Gründächer, Retentionsflächen, um nur einige zu nennen. Wir wollen Leben auf dem Dach, wir wollen, dass das Dach mehr ist als nur dicht. Es soll elementares Werkzeug und Lebensraum für eine gesunde und ökologische Zukunft sein.
Mit wem aus der Politik sprechen Sie in Zukunft über was?
In erster Linie mit dem Bauministerium. Hier muss mit Augenmaß gehandelt werden. Das jüngste Vorgehen von Herrn Habeck, Stichwort KfW-Förderung, hat uns gar nicht gefallen. Wir brauchen keine schnellen Verbote, sondern Abwägen von Pro und Contra und dann die richtigen Anreize für die Bauherren. Höhere Kosten – und das bedeuten Gründächer zum Beispiel erst einmal – schrecken ab. Deshalb braucht es klare Kommunikation, die die richtigen Vorgaben und Strukturen für entsprechende Impulse gibt. Freundliches Bitten alleine wird den Wandel weder aufs Dach noch sonst wo ans oder ins Haus bringen.
Wie schätzen Sie die Geschäftsaussichten der vdd Mitglieder ein?
Die Auslastung ist allgemein auf einem hohen Niveau und wir sind gut durch die Coronazeit gekommen. Ein Blick auf die Dachdecker als Kundengruppe genügt. Haben die viel zu tun, geht es der Branche insgesamt gut. Aber leider sind die gut ausgebildeten Fachkräfte der Deckel nach oben. Wir brauchen mehr junge Menschen, die sich für das Handwerk entscheiden.
Für welche Dachform abseits des Flachdaches können Sie besondere Wertschätzung aufbringen?
Ich kann mich auch für die handwerkliche Qualität hinter Steildächern begeistern. Tonnendächer stehen diesen sicher nicht nach, aber von der Optik her sagen mir Steildächer mehr zu. Mein eigenes Haus ist hierfür ein gutes Beispiel – eine bunte Mischung von flachen und steilen Dachelementen.
Wie würden Sie persönlich während einer Werbekampagne in Schulen für das Dachhandwerk werben?
Mit den Top-Aussichten und mit der besonderen Qualität der Arbeit am Dach. Auch wenn die Materialien vielleicht auf dem ersten Blick nicht spannend sind, ist die Kombination von ihnen allen mit großem Reiz und tollen Möglichkeiten verbunden. Allein schon, wenn man an Photovoltaik oder an Gründächer denkt.
Heute ist Dachhandwerk so vielseitig wie nie zuvor. Es ist mehr denn je ein Aufgabenfeld für Menschen mit Köpfchen, die mit ihren Händen an der frischen Luft arbeiten und Neues schaffen und dann vielleicht auch noch Unternehmer werden wollen.
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