Energetische Sanierung: Förderkürzungen treffen Dachdecker
9. August 2022
Bauprojekte werden storniert, Baugenehmigungen und Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe gehen gegenüber dem Vorjahr zurück, die Materialpreise sind weiter auf einem hohen Niveau, Strom- und Gaspreise steigen. In diesem für Dachdecker und Zimmerer bei aktuell noch immer sehr guter Auftragslage herausforderndem Umfeld gibt es jetzt ein weiteres problematisches Signal aus dem Bundeswirtschaftsministerium in Sachen Fördergelder, das private Bauherren und Dachsanierer weiter verunsichern und Baustopps nach sich ziehen wird.
Stopp von Förderprogrammen bietet wenig Anreiz für Dachsanierung
Ab sofort greifen Förderkürzungen bei der energetischen Sanierung für einzelne Bauprojekte. Also in einem Bereich, der sehr wichtig für ein Gelingen der Energiewende ist. Denn das Ziel ist eigentlich, die Sanierungsquote von einem auf zwei oder drei Prozent pro Jahr zu erhöhen und damit auch angesichts der Gaskrise weiter Energie einzusparen. „Gerade jetzt, wo Bauzinsen wieder steigen, die Lebenshaltungskosten unkalkulierbar sind und die Unsicherheit bezüglich der Energiepreise weiter zunimmt, bieten sinkende Fördersätze für energetische Sanierungsmaßnahmen wie Dämmen der Gebäudehülle und der obersten Geschossdecke wenig Anreiz für Bauherren“, kritisiert Hauptgeschäftsführer Ulrich Marx vom Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH).
Dachdecker befürchten sinkende Sanierungsquote
Die derzeitige Sanierungsquote sei immer noch dramatisch niedrig. „Wir befürchten, dass sie weiter sinken statt steigen wird. Denn was der Klima-Minister Robert Habeck auch nicht bedacht hat: Was nützen neue Heizungen oder Wärmepumpen in unsanierten alten Gebäuden?“, so Marx weiter.
Gerade im alten Gebäudebestand liegt noch viel Potenzial brach: Etwa 600 Millionen Quadratmeter Dachfläche – das entspricht rund vier Millionen Dächern – erfüllen laut einer Studie des Forschungsinstituts für Wärmeschutz e.V. München von 2021 lediglich die Anforderungen an den Mindestwärmeschutz. Weitere 6,5 Millionen Dächer, rund eine Milliarde Quadratmeter Dachfläche, seien nur gering modernisiert und genügten gerade einmal den energetischen Anforderungen der Wärmeschutzverordnungen von 1977 und 1984. Das werde bei einer solchen Förderpolitik laut Marx nun voraussichtlich auch noch lange Zeit so bleiben.
KfW-Bank für Komplettsanierung – BAFA für Einzelmaßnahmen zuständig
Generell gilt, dass der Fördertopf für Gebäudesanierung von acht auf zwölf Milliarden Euro pro Jahr aufgestockt wird – mit dem Ziel, zukünftig mehr Hausbesitzer unterstützen zu können. Deshalb seien im Gegenzug laut Ministerium angesichts knapper Haushaltsmittel etwas verringerte Fördersätze notwendig. Das heißt für den einzelnen Bauherren eine Reduzierung der Zuschüsse von 5 Prozent bei Einzelmaßnahmen. Also etwa bei einer Dachdämmung maximal 12 000 Euro statt vorher 15 000
Zudem plant das Bundeswirtschaftsministerium eine klarere Trennung der Zuständigkeiten. Wer eine Komplettsanierung umsetzen und dafür Förderung beantragen möchte, wendet sich laut einer Pressemeldung an die staatliche Förderbank KfW. Wer Fenster, Türen oder Heizkessel austauschen sowie sein Dach dämmen möchte, wendet sich an das BAFA. Nur noch das BAFA ist künftig für diese sogenannten Einzelmaßnahmen zuständig. Die Kreditförderung für Einzelmaßnahmen in der Sanierung bei der KfW entfällt, da diese Variante keine große Nachfrage erfahren hat.
Keine Kreditförderung mehr – nur noch Zuschüsse
Das hört sich zunächst sinnvoll an. Doch bei Einzelmaßnahmen wie einer Dachsanierung oder einem Fensteraustausch konnten private Sanierer bisher bei der KfW-Bank einen Kredit beantragen von bis zu 60 000 Euro, inklusive eines Tilgungszuschusses von maximal 15 000 Euro, also 25 Prozent. Über die BAFA gibt es keine Kredite, sondern nur einen Zuschuss in gleicher Höhe. Das heißt: Wer auf Kredite zur Finanzierung angewiesen ist, muss sich an die Hausbank oder den Kapitalmarkt wenden, bei aktuell wieder steigenden Zinsen.
Damoklesschwert Auftragsstornierung
Da hängt die Stornierung von Aufträgen wie ein Damoklesschwert über Dachdecker und Zimmerern. Laut einer Umfrage des ifo Instituts von Ende Juli 2022 werden in der deutschen Baubranche bereits jetzt ungewöhnlich viele Projekte storniert. Auf dem Hochbau betrug der Anteil der betroffenen Unternehmen im Juni 11,5 Prozent, im Mai waren es sogar 13,4 Prozent. „Die Größenordnung ist vergleichbar mit dem Corona-Schock im Frühjahr 2020. Diesmal sehen wir im Wohnungsbau besonders häufig Stornierungen. Allerdings sind die Auftragsbücher im Mittel weiterhin prall gefüllt“, sagt ifo-Forscher Felix Leiss.
Sinkende Auftragslage am Bau: Aussichten verdüstern sich
Bei der Neubauförderung erfolgt die Reform laut Bundeswirtschaftsministerium erst zu 2023. Diese werde in enger Abstimmung mit dem Bundesbauministerium erarbeitet. Bis zur Neukonzipierung der Neubauförderung läuft das Programm EH 40 Nachhaltigkeit bis Jahresende weiter, vorbehaltlich der vorhandenen Haushaltsmittel, die irgendwann ausgeschöpft sein werden. Ziel sei, eine klimapolitisch ambitionierte, ganzheitlich orientierte Förderung für neue Gebäude. Eine Planungssicherheit für Bauherren und ausführende Dachdecker und Zimmerer sieht trotz großer Worte anders aus.
Noch gibt es eine gute Auftragslage
„Aktuell haben die Unternehmen noch viel zu tun. Wie lange dieser Trend anhält, kann aber keiner sagen. Eine zunehmende Verunsicherung ist bei vielen Bauherren und Investoren angesichts der Preisentwicklungen zu spüren, hören wir. Auch die Baugenehmigungen sind zuletzt zurückgegangen“, erklärt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. „Die Politik muss jetzt zügig gegensteuern und verlässliche Förderbedingungen schaffen mit wirtschaftlichen und realistischen Neubau-Anforderungen.“
Forderung nach verlässlichen Fördervorgaben 2023
Dazu gehört für Pakleppa, alles auf den Prüfstand zu stellen, was das Bauen langsam und teuer macht. Die angekündigten Fördervorgaben für 2023 müssten einfach und verlässlich gestaltet sein. Sonst sei ein noch größerer Rückgang bei den Neubau- und Sanierungsprojekten nicht mehr aufzuhalten.
Positiv sieht Pakleppa die jetzt von der Bundesregierung geplante Erhöhung der Abschreibung im Mietwohnungsbau von zwei auf drei Prozent, die im Jahressteuergesetz 2022 bereits vorgesehen ist. „Das ist ein wichtiges Signal für den Wohnungsmarkt insgesamt. Dass die Neuregelung erst für Gebäude kommt, die 2024 fertig gestellt werden, wird im kommenden Jahr zu einer weiteren Delle in der Wohnungsbaukonjunktur führen.“
Sie interessieren sich für Infos aus dem Marktumfeld? Dann lesen Sie unsere Story über steigende Preise und Materialknappheit bei Dachziegeln.
Artikel jetzt teilen!
AuftragslageDachdeckerDachsanierungEnergetische SanierungFörderung