Tarifverhandlungen 2022 der Dachdecker vorerst gescheitert
27. September 2022
Die Mitgliederversammlung des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) hat das vorläufige Tarifergebnis mit der Industriegewerkschaft (IG) Bau vom 23. August mehrheitlich abgelehnt. Vorgesehen war eine Erhöhung des Dachdecker-Gesellenlohns ab Oktober 2022 um rund fünf Prozent auf 20,50 Euro und ab Oktober 2023 noch einmal um drei Prozent auf dann 21,12 Euro pro Stunde.
Energie- und Materialkosten machen Betrieben zu schaffen
„Uns ist durchaus bewusst, dass wir unserer Verantwortung gegenüber unseren Beschäftigten in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten nachkommen müssen. Hierzu brauchen wir aber auch verlässliche Rahmenbedingungen, was derzeit für alle Beteiligten eine große Herausforderung darstellt. Ständig steigende Energie- und Materialkosten machen auch den Dachdeckerbetrieben zu schaffen“, erklärt der Verhandlungsführer, ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk.
Weiter Gesprächsbereitschaft in Sachen Dachdecker-Tarif
Komplett verhärtet sind die Fronten also nicht. „Die nächste Verhandlungsrunde für die rund 100 000 Beschäftigten im Dachdeckerhandwerk findet voraussichtlich im Oktober statt“, so Bollwerk. Auch die IG Bau zeigt sich in einer Mitteilung auf der Homepage weiterhin gesprächsbereit. „Wir werden unseren Unmut zum Ausdruck bringen, aber auch die aktuelle Situation besprechen und nach ersten Lösungsmöglichkeiten suchen wollen.“
Knackpunkt steuerfreies Gehaltsextra der Bundesregierung
Ein Knackpunkt ist, dass der ZVDH das von der Bundesregierung vor kurzem im Zuge des dritten Entlastungspaketes angekündigte steuer- und abgabenfreie Gehaltsextra von 3 000 Euro pro Jahr mit in die Verhandlungen einbeziehen möchte. Die IG Bau hält dies hingegen für „eine Nebelkerze“. Fakt ist, dass dieses Gehaltsextra, das wie zuvor die Coronaprämie, eine freiwillige Leistung der Betriebe darstellt, noch nicht in gesetzlich trockenen Tüchern ist.
Gute Idee – noch nicht umgesetzt
Die Idee ist sicher gut, um die Auswirkungen der Inflation für die Beschäftigten abzumildern, ohne dabei die Betriebe zu stark zu belasten. Bei der Vorstellung des dritten Entlastungspakets sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu: „Für uns ist das etwas, an dem man richtig merkt, wie sich dann alle unterhaken.“ Er gehe davon aus, dass das in großem Umfang umgesetzt werde. „Wenn das jetzt flächendeckend, millionenfach, überall in Deutschland geschieht und Arbeitgeber und Beschäftigte zusammen solche Entscheidungen treffen, dann wird das von der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen unterstützt.“
Die abgelehnten Tarifergebnisse im Überblick
Was sich daraus für das nächste Spitzengespräch von ZVDH und IG Bau im Oktober ergeben wird, ist aber völlig offen. Klar ist bislang nur, dass die Arbeitgeber die oben erwähnte Erhöhung des Ecklohns für Dachdecker-Gesellen und weitere zuvor in der Verhandlungskommission erarbeitete Ergebnisse in Gänze nicht mittragen wollen.
Vorgesehen war laut IG Bau zusätzlich zu den 300 Euro Energiepreispauschale der Bundesregierung, die Ende September ausgezahlt wird, ein zweiter Zuschuss zu den Energiekosten für die Monate Juli, August und September 2022 von einmalig 300 Euro.
Deutlich mehr Geld für Auszubildende avisiert
Zudem sollten die Lehrlinge laut IG Bau über die gesamte dreijährige Laufzeit insgesamt zehn Prozent höhere Ausbildungsvergütungen erhalten. Avisiert war eine Steigerung um 80 Euro im ersten Lehrjahr auf 860 Euro, um 100 Euro im zweiten Lehrjahr auf 1.040 Euro und um 120 Euro im dritten Ausbildungsjahr auf 1.320 Euro.
Arbeitgeber sollen Winterbauumlage allein tragen
Wichtig für die Beschäftigten war laut IG Bau auch der dritte Punkt. Der Arbeitnehmerbeitrag für die Winterbeschäftigungsumlage sollte ab Januar 2023 entfallen. Bislang zahlten die Beschäftigten einen Anteil von 0,8 Prozent oder verzichteten auf zwei Urlaubstage. Jetzt sollte diese Winterbauumlage in Höhe von zwei Prozent allein von den Arbeitgebern getragen werden. Den Arbeitnehmern im Dachdeckerhandwerk würde diese Regelung effektiv zwei Tage Urlaub zusätzlich oder 0,8 Prozent mehr Lohn einbringen.