Dachdecker saust als Rennfahrer durch die grüne Hölle
7. Mai 2020
„Schon mein Vater war in Berlin vom Motorsport begeistert“, erklärt Palluth, wie alles begann. Und weil er schon als Kind immer dabei war, wenn Vater Heinz seinen rechten Gasfuß trainierte, kam es, wie es kommen musste. Bei seinem ersten Besuch am Nürburgring 1981 war Carsten Palluth 17 Jahre alt und endgültig vom PS-Bazillus infiziert. Auf der Rennstrecke liebt er den Tempokick und zugleich den fairen Wettkampf.
Dachdecker sitzt am Steuer der unterschiedlichsten Boliden
Bald begann er selbst, das Steuer der unterschiedlichsten Boliden in die Hand zu nehmen. In den 1990er Jahren feierte er seine Debuts im Tourenwagen, beim Slalom und auf Rallyes. Von 1995 bis 1997 stand die Teilnahme an Langstrecken-Pokalen auf dem Freizeitprogramm des Dachdeckers und Spenglers, der gemeinsam mit seinem Bruder Christian seit 2000 den von Vater Heinz gegründeten Betrieb in Berlin mit Niederlassung in Brandenburg übernahm.
Doch schnell zeigte sich, dass der Profi-Rennsport schlichtweg zu teuer für Amateure wurde. Schweren Herzens begann eine rennfreie Zeit für Dachdecker Carsten Palluth, bis er 2013 mit einem Trip zur Nürburgring-Nordschleife die schlafenden PS-Gene wieder zum Leben erweckte. Nur wenig später mietete er sich beim professionellen Motorsportteam Black Falcon als Fahrer ein. Dieses Team verfügt über Fahrzeuge in den verschiedenen Rennserien inklusive der gesamten Logistik und Betreuung durch eine Mechaniker-Crew.
Dachdecker gibt Gas mit BMW und Porsche
Mit seinem Fahrervertrag bewegte Palluth zunächst einen BMW Z4-Coupe in der seriennahen V5-Klasse durch die „Grüne Hölle“, wie die Nordschleife des Nürburgrings vom Formel-1-Piloten und dreimaligen Weltmeister Sir Jackie Stewart genannt wurde. Zwei Jahre lang war sein Platz in den Fahrzeugen der weißblauen Marke aus Bayern, bevor Palluth weitere zwei Jahre einem Porsche Cayman mit 275 PS die Sporen gab. Dann kam für zwei Jahre der Wechsel zum Motorsport-Team Adrenalin hinter das Lenkrad eines Porsche Cayman in der V5-Klasse. Danach gab es mehr Pferdestärken in einem Cayman der V6-Kategorie.
Auch nach der Rückkehr zum Team Black Falcon hielt Palluth den Zuffenhausener Rennsport-Produkten die Treue, diesmal aber mit einem 911er Porsche mit dicht gedrängten 360 Pferden unter der Heckmotorhaube. Den pilotiert er bis heute auch bei den 24-Stunden-Rennen. Palluth konnte seine Leidenschaft mit den Teilnahmen an den berühmten Langstrecken-Rennen auf dem Nürburgring ausleben. Für ihn hieß dies jedes Mal, vier bis sechs Stunden eingezwängt im Rennsitz in einem Sportwagen permanent Höchstleistungen zu vollbringen. Bei diesen „Sportgeräten“ wurde jeglicher Komfort ebenso ausgeräumt wie das gesamte Interieur. Nacktes Blech und nackte Technik war das, was diese Fahrzeuge zu bieten hatten.
Dachdecker klettert aufs Siegertreppchen
2018 wurde der Freizeit-Terminkalender des rasenden Dachdeckermeisters dann noch lückenloser: Erstmals startete er nicht nur beim 24-Stunden-Rennen, sondern fuhr eine komplette Saison um den Langstreckenpokal. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: In der V5-Klasse erreichte er sich mit dem Team den dritten Platz, ein Jahr später in der V6-Kategorie den zweiten Rang. „Platz 1 wäre natürlich schöner gewesen“, meinte der ehrgeizige Palluth ganz trocken. „Aber sich gegen 160 bis 180 andere Autos im Feld bis fast ganz nach vorn durchzusetzen, hat ja auch was.“
Dachdecker frisst Kilometer für sein Hobby
Mal schnell zum Rennen zum Nürburgring zu fahren, geht für Carsten Palluth auch mit seinem privaten Porsche Cayman GT4 nicht. „700 Kilometer Anfahrt sind schon eine Ansage.“ Die spult er dann donnerstags nach der Arbeit auf dem Dach runter. Freitags stehen Tests und Einstellfahrten beim Team Black Falcon auf dem Programm. Dazu noch ab und zu eine „Taxi-Fahrt“ mit einem VIP auf dem mal schnell montierten Beifahrersitz. Am Samstagvormittag geht es bei den Qualifikations-Läufen um die besten Startplätze für den Nachmittag. Und nach 24 langen Stunden auf der Piste wird am Sonntag die Heimreise in Richtung Osten angetreten.
Männer und Motoren, na klar. Aber was meint seine Frau dazu? „Sie war ganz und gar nicht begeistert von meinem Hobby – bis ich sie vor zwei Jahren mal mitgenommen und mich als Renntaxi-Chauffeur für sie betätigt habe. Dann war sie restlos begeistert“, erinnert sich Palluth. Jetzt mal Klartext: Sind Sie auch auf der Straße ein Rennfahrer? „Nee, wir Rennfahrer haben Spaß auf der Strecke. Im Straßenverkehr ist das viel zu gefährlich“, erklärt er. „Auf der Strecke sind einfach gleichgesinnte Profis unterwegs – auf der Straße nicht.“
Dachdecker sieht auch auf der Piste Grenzen
Und wie passt der Dachdeckerberuf, der ja umweltorientiert ist, zum Rennsport? Carsten Palluth muss nicht lange überlegen: „Im Rennsport gibt es etwa sehr strikte Vorgaben für die zulässigen CO2-Emissionen und für den Lärmschutz.“ Wer die nicht einhält, geht nicht an den Start. Außerdem sieht Palluth auch einen großen Nutzen für die Serienfahrzeug-Entwicklung: „Vieles, was in den Rennserien erprobt wird, geht später in die Serienfertigung von Alltagsautos ein.“ Dazu gehört etwa auch die Energierückgewinnung beim Bremsen, die in der Formel 1 ihre Premiere feierte.
Wie lange wird er noch im Rennzirkus mitmischen? „Je älter man wird, desto mehr spürt man, dass die Kondition nicht mehr so ist wie in jungen Jahren – und dann werde ich rechtzeitig aufhören.“ Da scheinen Rennfahrer irgendwie vernünftiger zu sein als so manch ein Senior, der das Fahren trotz einiger Defizite einfach nicht sein lassen kann.
Sie interessieren sich für die Hobbys von Dachdeckern? Dann lesen Sie unseren Artikel über den Marathonläufer Carsten Stelter.