Dachdecker spürt bei Kilometer 30 den Hammer im Kopf
2. April 2020
In der Tat ist das Engagement des 50-Jährigen vorbildlich. Allein wenn man auf seine Teilnahme am Marathonlauf 2019 in Hamburg zurückblickt. Die Idee, dort mit Kolleginnen und Kollegen zu starten und das gleich in Sportkleidung mit aufgedruckter Dachdeckerkluft, kam ihm bei einem Übungslauf. Im Landesinnungsverband Bremen/Niedersachsen stieß das auf positive Resonanz, und so waren gleich 47 Teilnehmer aus der Branche mit elf Staffeln und drei Einzelkämpfern über die volle Distanz am Start. Alle zeigten sich in den speziell für den Lauf entworfenen Shirts und Hosen im Style der Handwerkerkleidung. Auf den Shirts waren die Zunftwesten täuschend ähnlich aufgedruckt, auf dem Rücken sorgte der Slogan „Dachdecker dein Beruf“ für die klare Botschaft. Später sollten die Laufshirts sogar Vorläufer für die UV-Schutz Shirts im Dachdecker-Style werden. Diese sind förderfähig durch die Berufsgenossenschaft Bau und im Shop des Landesinnungsverbandes zu erhalten.
Originelle Lauf-Kleidung der Dachdecker steht im Blickpunkt der Zuschauer
„Wir wurden überall positiv angefeuert, fanden viel Beachtung und konnten deutliche Zeichen setzen, auch wenn es insgesamt 24.000 Teilnehmer gab“, sagt Carsten Stelter, der sich natürlich auch auf die gute Betreuung durch „sein Service-Team“ von der Landesausbildungsstätte St. Andreasberg verlassen konnte. Auch im Fernsehen sei man zu sehen gewesen und von Reportern im Zielbereich aufgrund ihrer originellen Kleidung immer wieder genannt worden. Letztendlich konnten die 400.000 Zuschauer auf fast jedem Kilometer einen Dachdecker in laufender Aktion sehen.
In früheren Jahren ist Carsten Stelter regelmäßig gelaufen und hatte den Hamburg Marathon bereits vor zwölf Jahren schon einmal geschafft. Von der Idee im Januar bis zum Start im April blieb 2019 allerdings nicht viel Zeit. Jedoch bietet die herrliche Heidelandschaft rund um seinen Standort Amelinghausen im Landkreis Lüneburg auf wunderbaren Wegen optimale Bedingungen, um sich rechtzeitig in Form zu bringen. Nach einigen 10-Kilometer-Strecken und drei bis vier längeren Passagen gelang es ihm, sich mit gesundem Ehrgeiz und vernünftigem Trainingsaufbau rechtzeitig fit zu machen. Schließlich wollte er mit seiner Aktion andere motivieren und etwas für das Image des Dachdeckerhandwerks tun.
Irgendwann das Denken ausschalten bis zum Zieleinlauf
Das ist ihm hundertprozentig gelungen. Das Wetter am entscheidenden Tag war mies, jedoch konnte die Stimmung, insbesondere im Handwerker-Team kaum besser sein. „Es ist eine reine Kopfsache durchzukommen, wenn dich bei Kilometer 30 die ersten echten Krämpfe einholen. Dann hast du den Hammer im Kopf. Es zählt nur der eiserne Wille, ab und an einige Meter gehen, das Denken ausschalten, langsam wieder antraben und die 42,195 Kilometer zu bewältigen“, berichtet der Dachdecker-, Gas- und Wasser- sowie Lüftungs- und Heizungsbaumeister. Mit einem Lächeln fügt er hinzu: „Als ich bereits unter der Dusche stand, kamen immer noch Läufer durchs Ziel. Aber sich jenseits des 6-Stunden-Limits vom Besenwagen auflesen zu lassen, gilt nicht. Dann lieber gar nicht erst antreten.“ Eine Fortsetzung mit den Dachdeckern soll es geben – allerdings wegen Corona nicht wie geplant schon im April beim Marathon in Hannover.
Dachdecker spielt Saxophon seit der Kindheit
Neben dem Sport ist beim Landesinnungsmeister ebenso seine Liebe zur Musik zu nennen. Mit zehn Jahren erlernte er das Saxophon zu spielen. Seither gehört er zu den starken Kräften im Blasorchester Amelinghausen, in dem schon sein Vater spielte und nun auch Tochter und Sohn musizieren. Dabei reicht das Spektrum von traditioneller Polka über Musical und Jazz bis zu Pop. Auch hier zählen Gemeinschaftssinn, soziales Engagement und Vorbild für die Jugend zu sein. Und wenn man mit Carsten Stelter über Hobbys spricht, darf auch sein Ehrenamt in der Feuerwehr nicht fehlen. Allerdings nicht mehr so aktiv wie früher. „Eigentlich kommen die Hobbys ja immer zu kurz“, sagt Stelter.
Dachdecker bildet im Betrieb mit Ehefrau Michaela ein starkes Team
Verständlich, denn der vor 125 Jahren gegründete Betrieb beschäftigt heute 30 Mitarbeiter und arbeitet in der vierten Generation sowohl auf dem Dach als auch im Sanitär- und Heizungsbereich. Ein weites Feld, auf dem ihn seine Ehefrau Michaela im Bereich Personal, Steuern und Finanzen eine wesentliche Stütze ist. Ginge es nach Stelter, würde die Bürokratie im Handwerk endlich auf ein Minimum reduziert, würde es mehr guten Nachwuchs geben und Kunden, die verstehen, dass man bei dem derzeitigen Fachkräftemangel nicht sofort auf dem Dach sein kann.
Das sind Themen, die Stelter auch im Ehrenamt als Landesinnungsmeister umtreiben. Und wegen der horrenden Preisgestaltung bei der Entsorgungsproblematik im Sanierungsbereich sei der Vorstand intensiv mit der Landespolitik im Gespräch. Genug zu tun gibt es also, ob haupt- oder ehrenamtlich. Es ist halt eine Frage des Willens, was sich neben der betrieblichen Arbeit noch so alles machen lässt. Sicher ist, dass Carsten Stelter auch beim nächsten Marathon, dann in der Staffel, wieder gerne an seine Grenzen gehen wird.
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