Abenteuer auf der Walz: Dachdeckergeselle Luca Umlauf
31. Oktober 2024
Auf der Walz statt in der Komfortzone. Der 22-jährige Luca Umlauf aus Heusweiler im Saarland sucht für mindestens drei Jahre eine traditionsreiche Herausforderung. Was treibt heute einen jungen Mann an, ohne Smartphone zu Fuß oder per Anhalter die Republik zu erkunden, in Kluft und auf der linken Schulter den sogenannten Charlottenburger, in dem Arbeitskluft, Werkzeug sowie Wäsche und persönliche Dinge kunstvoll zusammengeschnürt werden? „Bereits im ersten Lehrjahr hat ein Berufsschullehrer von der Walz erzählt und diesen Wunsch in mich eingepflanzt“, berichtet Luca Umlauf, der damals 16 Jahre alt war.
Via Google auf den Rolandschacht gestoßen
Einige Zeit traute er sich nicht, fühlte sich noch nicht erwachsen genug, um die Wanderschaft auf der Walz mental durchzuhalten. Dann zog er vor zwei Jahren aus dem Elternhaus in eine eigene Wohnung und seit einem Jahr konkretisierte der Dachdeckergeselle sein Vorhaben. „Ich habe mich bereit gefühlt, Infos und verschiedene Möglichkeiten des Reisens gegoogelt und bin auf den Rolandschacht gestoßen. Dort wurde ich sehr positiv aufgenommen und bekam Antworten auf meine Fragen. Danach habe ich mich bei zwei regionalen Gesellschaften auf deren Stammtischen vorgestellt.“
Die blaue „Ehrbarkeit“ als Erkennungszeichen
Der Rolandschacht wurde 1891 in Nürnberg gegründet. Die Namensgebung bezieht sich auf den Bremer Roland, der als Freiheitsheld verehrt wurde, steht auf der Homepage. Denn die Idee zur Gründung hatten Bremer Maurer. Als Erkennungszeichen binden sich die Rolandsbrüder die blaue „Ehrbarkeit“ ein. Dabei handelt es sich um ein blaues Band, das mit dem obersten Knopf am unter der Weste getragenen Staudenhemd festgeknöpft wird. An der Ehrbarkeit ist die goldene Handwerksnadel befestigt. Heute reisen im Rolandschacht Zimmerer, Tischler und Schreiner, Holzbildhauer, Dachdecker, Steinsetzer, Steinmetze, Maurer, Betonbauer, Stuckateure und Bootsbauer auf der Walz.
Dachdeckergeselle Andreas als Mentor
Auf dem Maitreffen in Hildburghausen lernte Luca Umlauf den Dachdeckergesellen Andreas kennen, der bereits seit eineinhalb Jahren auf der Walz ist. Die beiden fanden sich direkt sympathisch. So wurde Andreas sein Mentor. Den braucht es auch auf der Walz. „Ich bin eine Woche vor dem Start am 22. September nach Heusweiler gekommen, helfe Luca bei den Vorbereitungen, rede mit den Eltern und gebe ihm nach und nach das mündliche Wissen weiter.“ Kurz vor dem Start richtete Luca Umlauf noch ein Abschiedsfest für die Familie, Arbeitskollegen und engen Freude aus, dann ging es zu Fuß los, der Nase nach, ohne festes Ziel.
Aufregung und Freude vor dem Start
„Ich bin schon sehr aufgeregt, alles andere wäre gelogen“, erklärt Luca Umlauf vor dem Start. „Zugleich freue ich mich, dass es endlich losgeht auf der Walz.“ Zum Dachdecken ist er über einen Ferienjob gekommen, da war er 14 Jahre alt. Im selben Betrieb startete er danach die Lehre. „Mir liegt die Arbeit, ich mache sie einfach sehr gerne.“ Das ist für ihn ein Grund. Der andere ist dieser Blick von ganz oben. „Diese Aussicht von einem Kirchturm, Hochhaus oder normalem Dach, das ist herrlich.“ Nach der Lehre wechselte Luca Umlauf, um einen anderen Betrieb kennenzulernen. „Dazu hat mir sogar mein alter Seniorchef geraten.“
Unbedingt Schieferdeckung lernen
Auf der Walz möchte der Dachdeckergeselle seine Kompetenzen weiter ausbauen. „Bei uns im Saarland gibt es viel Flachdach oder Ziegel, eher Karo einfach. Ich will Biberschwanzdeckungen machen und auch Reetdächer, vor allem aber lernen, mit Schiefer einzudecken.“ Mindestens drei Jahre dauert die Walz, das schreibt die Tradition so vor. Und da bleibt ja genug Zeit, um die Dachbesonderheiten in den verschiedenen Regionen Deutschlands zu erkunden. Gerne würde Luca Umlauf auf der Walz auch nach Übersee reisen – Kanada oder Japan kämen für ihn infrage. Möglich ist das. „Statt eines Lohns in Geldform kann etwa auch ein Flugticket als Bezahlung mit einem Betrieb vereinbart werden“, erläutert Dachdeckergeselle Andreas.
Arbeit gibt es auf der Walz genug
Jobs zu finden auf der Walz, selbst auf Zeit, das ist aktuell kein Problem. „Wir können uns die Arbeit aussuchen“, meint Andreas. „Das halten Firmenwagen auf der Straße an oder es sprechen uns Menschen an, dass der und der Betrieb noch Mitarbeiter sucht.“ Denn mit der schwarzen Kluft mit dem weißen Hemd, dem Tuchbündel und dem Wanderstab fallen die Handwerker auf der Walz sofort auf. Was er denn bislang an besonderen Erfahrungen gemacht hat? „Es sind diese vielen kleinen Begegnungen“, antwortet Andreas.
Prinzipiell zu Fuß oder per Anhalter unterwegs
Jetzt ist er drei Monate gemeinsam mit Luca Umlauf auf der Walz. „Prinzipiell gehen wir zu Fuß, ab und zu fahren wir per Anhalter oder mit dem Bus, wenn der Fahrer uns umsonst mitnimmt.“ Geld darf dafür nicht bezahlt werden. Das gilt auch für das Übernachten. Wenn sich nichts anderes findet, wird irgendwo draußen unter freiem Himmel geschlafen. „Doch wir werden zumeist eingeladen, die Menschen sind gastfreundlich. Und wenn wir länger in einem Betrieb bleiben, stellt dieser meist eine Schlafmöglichkeit“, erzählt Andreas. Kontakt zur Familie darf Luca Umlauf per Brief aufnehmen. Zuhause anrufen geht nur, wenn ihm jemand ein Telefon zur Verfügung stellt. Zudem muss er immer mindestens 60 Kilometer entfernt vom Heimatort sein.
Später an Berufsschulen über die Wanderschaft berichten
Nach den ersten drei Monaten treffen die beiden eine Entscheidung. „Ich schaue ihn mir an, wie er sich verhält auf der Walz. Und Luca überlegt, ob das für ihn das Richtige ist“, erklärt Andreas. Wenn alles passt, wird der junge Dachdeckergeselle offizielles Mitglied im Rolandschacht. Dann beginnt sein großes Abenteuer – mindestens drei Jahre auf der Walz. Was danach kommt, darüber macht sich Luca Umlauf noch keine Gedanken. Nur eines weiß er sicher: „Ich möchte an Berufsschulen über meine Erfahrungen auf der Walz berichten. Vielleicht kann ich bei einem der jungen Menschen den Nerv treffen und ihn für eine Wanderschaft inspirieren.“
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