Junge Frau erobert die überbetriebliche Dachdecker-Ausbildung

Junge Frau erobert die überbetriebliche Dachdecker-Ausbildung

10. Dezember 2020

 · Knut Köstergarten

Beatrice Braun sagt von sich, dass sie eher ein ruhiger Typ sei. Doch wenn die 25-Jährige von ihrer Arbeit spricht, kommt voll die Begeisterung durch. „Ich habe immer gehofft, hier mal zu arbeiten“, sagt die Dachdeckermeisterin über das Ausbildungszentrum in Lübeck-Blankensee der beiden Landesinnungsverbände Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. „Es macht mir riesigen Spaß, hier seit April als Ausbilderin zu arbeiten.“

Dabei gab es nach der Meisterprüfung 2019 für die Dachdeckerin auch die Option, weiter auf dem Dach zu arbeiten und vielleicht mal einen eigenen Betrieb zu gründen. Doch die junge Frau hat eben neben dem ausgeprägten fachlichen Können eine starke pädagogische Ader. Und deshalb hat sie sich als Ausbilderin beworben, als zuletzt drei Stellen in Lübeck-Blankensee ausgeschrieben wurden.

Bild wie Beatrice Braun den Meisterkurs am Ausbildungszentrum Lübeck-Blankensee unterrichtet
Allein unter Männern: Beatrice Braun unterrichtet auch den Kurs für die angehenden Dachdeckermeister.

Dachdecker-Ausbildung: Als einzige Frau die Lehrlinge und Meister anleiten

Braun betritt damit echtes Neuland und nimmt die Herausforderung an, als einzige Frau in der Dachdecker-Ausbildung die jungen Lehrlinge, fast ausschließlich Männer, anzuleiten. „Das klappt sehr gut, die Gruppen hören mir zu.“ Wie das kommt? „Ich bin vom Typ her ruhiger und eben kein Mann, bei dem manche Teilnehmer meinen, sich behaupten zu müssen“, erklärt Braun. Und sie kann auch mal eben schnell praktisch Dinge vormachen, etwa so einen eingebundenen Fuß mit Schiefer. „Da sind die Jungs schon beeindruckt.“ Knööv und Können, nennt Braun das, was sie Teilnehmern gerne in  der Dachdecker-Ausbildung beibringen möchte. Knööv ist Plattdeutsch und steht für Kraft.

Bild von Beatrice Braun auf dem Steildach
Früher hat sie selbst auf dem Dach gearbeitet. Heute gibt Dachdeckermeisterin Beatrice Braun ihr Wissen mit voller Energie an die Auszubildenden weiter.

Dachdecker-Ausbildung: Praxis lernen ohne Druck

Die überbetriebliche Ausbildung sieht die Dachdeckermeisterin für die Lehrlinge als einen Ort, wo sie ohne Druck praktisch etwas lernen und ausprobieren können für die spätere Arbeit und die Prüfung. „Da schaut ihnen kein Geselle über die Schulter. Bei mir sollen und können die Jungs mit jeder Frage kommen, da ist mir keine zu doof“, erläutert Braun. Sie freut sich, wenn mehrmals nachgefragt wird und genau dadurch am Ende ein gutes Werkstück herauskommt.

Allen Teilnehmern auf Augenhöhe begegnen

„Ich begegne allen meinen Teilnehmern auf Augenhöhe. Mir ist egal, wo sie herkommen, welchen Schulabschluss sie haben und ob sie eine einfache oder teure Arbeitshose vom Betrieb gestellt bekommen.“ Braun ist nicht nur die einzige Frau unter den Ausbildern, sondern auch noch die jüngste. Aber gerade das finden die Lehrlinge schon cool. Braun ist noch gar nicht so viel älter und zeigt trotzdem schon, wie man die Dinge umsetzt. Da kann sie für einige auch ein Vorbild sein, was alles geht im Dachhandwerk.

Bild von Beatrice Braun am Ziegelmodell
Beatrice Braun gefällt besonders die Vielfalt der Aufgaben in der Dachdecker-Ausbildung.

Dachdecker-Ausbilderin reizen vielfältige Aufgaben

Braun gefällt als Ausbilderin die Vielfältigkeit der Aufgaben. Neben der Betreuung der Lehrlinge gibt sie auch Unterricht im einmal jährlich stattfindenden Meisterkurs. Und auch inhaltlich wechseln die Aufgaben. Braun arbeitete schon in den Bereichen Abdichtung, Fassade, Schiefer und Ziegel sowie Holz mit den Azubis. Im Sommer hat sie mit den Lehrlingen die Prüfungsstücke im Bereich Steildach vorbereitet. „Mir ist dabei wichtig, dass sie verstehen, was sie da machen. Von der Mittelwertberechnung bis zur Reihenfolge, in der die Arbeitsschritte sinnvollerweise ausgeführt werden“, sagt Braun. Und dann zeigt sie natürlich auch gerne kleine Kniffe und Tricks, die das Ganze vereinfachen.

Start mit Ausbildung zur Reet-Dachdeckerin

Bild von Beatrice Braun auf einem Reetdach
Ihre Liebe zum Reetdach führte Beatrice Braun zur Ausbildung als Dachdeckerin.

Zum Beruf ist die Dachdeckermeisterin gekommen, weil sie schon als Kind von schönen Häusern, von Holz und vor allem Reetdächern fasziniert war. „So was habe ich viel bei unseren Familienurlauben in Dänemark gesehen.“ Also bewarb sie sich als Reetdachdeckerin. „Da hat mich die Frau von meinem späteren Chef zurückgerufen und gefragt, ob ich am nächsten Tag mit einem Praktikum beginnen wolle“, erinnert sich Braun.

Erster Arbeitstag bei drei Grad und Nieselregen

Sie sagte spontan zu und stand an einem Dezembermorgen bei drei Grad und Nieselregen auf einem großen Bauernhaus. Doch auch nach so einem harten Start freute sie sich noch auf den nächsten Arbeitstag. „Da habe ich gemerkt, dies ist der richtige Job für mich“, berichtet Braun. Auch der Chef war begeistert. Nach dem neunmonatigen Praktikum folgte die verkürzte Lehre. Und bereits als 22-Jährige machte  die damalige Junggesellin  ein cooles Image-Video für die Nachwuchswerbung der Dachdecker.

Sie machte dann vor der Meisterschule einen viermonatigen Abstecher ins Ausland – Work and Travel auf Hawaii. „Danach habe ich den Betrieb gewechselt, um bei einem ‚normalen‘ Dachdecker auch alle anderen Bereiche neben Reet praktisch weiter zu vertiefen.“

Bild von Beatrice Braun, wie sie auf dem Steildach mit dem Hammer arbeitet
Nach der Lehre beim Reetdachdecker wechselte Beatrice Braun den Betrieb, um weitere praktische Erfahrung zu sammeln.

Abschalten draußen mit dem Hund

Doch erst jetzt als Ausbilderin ist Braun wirklich angekommen und macht genau das, was sie will. Immer dabei ist ihr Hund, der während der Arbeit im Aufenthaltsraum liegen darf. Mit ihm ist sie in der Freizeit gerne draußen in Feld und Wald unterwegs. „Am besten dort, wo man keine Seele mehr trifft“, sagt die 25-Jährige. Dort und auch am Meer tankt sie auf für ihren neuen, herausfordernden Job in der Dachdecker-Ausbildung.

Bild von Beatrice Braun mit ihrem Hund am Meeresstrand
Die Ausbilderin erholt sich gerne bei Ausflügen mit dem Hund in der Natur.

Sie interessieren sich für das Thema Dachdecker werden. Dann lesen Sie unsere Story über Leon Steinhof, der nach dem Meister direkt als Projektleiter im Betrieb durchstartet.

Artikel jetzt teilen!

Weitere Artikel

Newsletter-Anmeldung

DACH-Ticker

Positiver Trend im Dachdeckerhandwerk: Steigerung der Azubizahlen

Die aktuellen Zahlen zeigen einen erfreulichen Anstieg der Azubizahlen im Dachdeckerhandwerk. Derzeit erlernen 8490 junge Menschen diesen Beruf, was einem leichten Anstieg um 0,75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr mit 8427 Auszubildenden entspricht. Rolf Fuhrmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), betont die positive Entwicklung trotz der allgemeinen Ausbildungssituation und intensiver Konkurrenz mit anderen Berufen.

7. Februar 2024

Holzhandel erzielt im Jahr 2023 deutlich weniger Umsatz

Das schwierige wirtschaftliche Umfeld verbunden mit einer sehr schwachen Baukonjunktur sorgten beim deutschen Holzhandel 2023 insgesamt für einen Umsatzrückgang von 15 Prozent. Teilweise ist dieser Umsatzrückgang aber auch weiter nachgebenden Preisen geschuldet. Die Jahresauswertung des monatlichen GD Holz Betriebsvergleiches zeigt deutlich, dass die schwachen Absatzmärkte im vergangenen Jahr voll auf die Umsatzentwicklung der Branche durchgeschlagen haben. Alle wichtigen Sortimente im Holzhandel sind von diesem Umsatzrückgang betroffen, am stärksten Schnittholz mit einem Umsatzrückgang von 24 Prozent.

2. Februar 2024

ifo Institut: Rentenalter an steigende Lebenserwartung koppeln

Das ifo Institut Dresden hat sich dafür ausgesprochen, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. „Einige unserer Nachbarländer haben das bereits beschlossen, so die Niederlande, Schweden und Finnland“, sagt ifo-Rentenexperte Joachim Ragnitz. In den Niederlanden werde folgende Regel angewendet: Wenn die Menschen drei Jahre länger leben, müssen sie zwei Jahre länger arbeiten und bekommen ein Jahr länger Rente. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen würde damit auch nach dem Jahr 2040 stabil bei rund 40 Prozent liegen und nicht auf fast 50 Prozent steigen, wie derzeit prognostiziert. 

16. Januar 2024

Beschäftigung auf Rekordniveau: Arbeitsmarkt zeigt sich 2023 widerstandsfähig

Im Dezember 2023 waren rund 2,6 Millionen Menschen arbeitslos. Im Vergleich zum November stieg die Arbeitslosenquote saisonbedingt um 0,1 Prozentpunkte auf 5,7 Prozent. Staatssekretärin Leonie Gebers, Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Erfreulich ist, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit 35,1 Millionen im Oktober erneut einen Höchststand erreicht hat und die Nachfrage nach neuen MitarbeiterInnen im Dezember trotz weiterhin schwacher Konjunktur wieder leicht gestiegen ist. Der Arbeitsmarkt erweist sich als verlässlich und widerstandsfähig.“

8. Januar 2024

Dachdecker gilt als am wenigsten durch Künstliche Intelligenz gefährdeter Beruf

Die meisten Büroberufe halten viele Menschen nach einer repräsentativen Umfrage der Marktforscher von YouGov für akut gefährdet, durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt zu werden. Besser sind die Zukunftsaussichten für die handwerklich geprägten Berufe, bei denen sich die menschliche Komponente nur sehr schwer ersetzen lässt. Den Beruf des Schreiners halten 64 Prozent der Befragten für wenig oder gar nicht gefährdet, 65 Prozent den Beruf Maler und für den Beruf Dachdecker sehen gar 71 Prozent der Befragten wenig oder gar keine Gefahr.

21. Dezember 2023

Mayener Meisterwoche 2024 mit aktuellen Themen

In Mayen werden vom 24.-26. Januar 2024 wieder Tür und Tor für die Mayener Meisterwoche (MMW) geöffnet. Das Programm lässt keine Wünsche offen und beleuchtet die aktuellen Themen der Zeit: Neben wichtigen Neuerungen im Fachregelwerk geht es um Schadensfälle bei PV-Anlagen, die Möglichkeiten und Grenzen einer 4-Tage-Woche in Dachdeckerbetrieben, aber auch Cybersicherheit und KI im Handwerk versprechen interessante Einsichten. Ein Blick in das Programm lohnt auf jeden Fall.

15. Dezember 2023

Neues Führungs-Duo bei Velux Deutschland

Mit sofortiger Wirkung übernehmen Silke Stehr als Sprecherin der Geschäftsführung und Matthias Mager als Geschäftsführer Vertrieb die Leitung von Velux Deutschland. Jacob Madsen, bisheriger Geschäftsführer, wechselt als Executive Vice President Region North Europe in das Top-Management der Velux Gruppe. „Silke und Matthias haben viel Markt- und Branchen-Erfahrung und gestalten Velux schon lange erfolgreich mit,“ erklärt Madsen. „Gemeinsam werden wir unser Qualitätsversprechen, die enge Zusammenarbeit mit den Partnerbetrieben im Fachhandel und Handwerk und die starke Position des Unternehmens weiter ausbauen.“

4. Dezember 2023

Auftragszahlen im Wohnungsbau gehen weiter abwärts

„Seit mehr als einem Jahr verzeichnen wir nun schon negative Zahlen bei Baugenehmigungen und Auftragseingängen im Wohnungsbau. Von Januar bis September wurden fast 77.000 Wohneinheiten weniger genehmigt als im Vorjahreszeitraum. Die Order sind im September um real 15 Prozent zurückgegangen“, so Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Der Der Wohnungsbau brauche neben dem beim Kanzlergipfel verabschiedeten 14-Punkte-Plan kurzfristige Hilfe, sonst werde der Einbruch noch dramatischer.

24. November 2023

ifo Institut: Auftragsstornierungen im Wohnungsbau erreichen neuen Höchststand  

Die Stornierungswelle im Wohnungsbau reißt nicht ab. Im Oktober meldeten 22,2 Prozent der Unternehmen gestrichene Projekte, im Vormonat waren es 21,4 Prozent. „Es wird immer schlimmer, mehr und mehr Projekte scheitern am gestiegenen Zinsniveau und den teuren Baupreisen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo Umfragen. „Das Neugeschäft im Wohnungsbau ist weiterhin sehr schwach, die Auftragsbestände der Firmen schmelzen ab.“ 

15. November 2023

ifo Institut: Wirtschaftsleistung 2023 schrumpft um 0,4 Prozent

Das ifo Institut hat seine Konjunkturprognose bestätigt. Demnach wird die deutsche Wirtschaftsleistung 2023 um 0,4 Prozent schrumpfen. Im kommenden Jahr wird sie dann um 1,4 Prozent steigen, aber 0,1 Prozentpunkte weniger als bislang gedacht. Im Jahre 2025 wird das Wachstum 1,2 Prozent betragen. „Anders als bislang erwartet dürfte die Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2023 ausbleiben. Die Abkühlung setzt sich fort, in nahezu allen Branchen steht die Tendenz auf Flaute“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. 

8. September 2023