Dachdeckermeisterin Chiara Burgdorf: Familientradition in Frauenhand
Bild von Chiara Burgdorf mit Team

Dachdeckermeisterin Chiara Burgdorf: Familientradition in Frauenhand

10. Mai 2022

 · Gerald Weßel

Oft wird nach Verantwortung gegriffen, in der Selbstsicherheit ihr schon irgendwie gerecht zu werden. In vielen Fällen gelingt das, manchmal misslingt solch ein Unterfangen jedoch auch. Indes fällt nicht selten manch einem jungen Menschen Verantwortung zu, die er oder sie noch gar nicht haben wollte. Chiara Burgdorf, 28 Jahre alt, lebt und liebt ihre neue Rolle aber mit Herz und Seele.

Juniorchefin Chiara Burgdorf

Früher als eigentlich gehofft, trat sie als Juniorchefin der Dachdeckerei Burgdorf in die Fußstapfen ihres Vaters, um die Familientradition als erste Frau in einer langen Reihe von männlichen Handwerksahnen fortzuführen. „Ende 2019, mein Vater hatte Krebs“, beendet sie laut ihr Nachdenken darüber, seit wann sie alleinig verantwortlich ist. „Zuvor hat mir mein Vater noch alles beigebracht, er wollte alles in trockenen Tüchern wissen.“

Bild von Chiara Burgdorf auf dem Steildach
Sie hat es in kürzester Zeit empor geschafft: Chiara Burgdorf übernahm aufgrund von Krankheit das Familienunternehmen von ihrem Vater. (Titelbild und alle Fotos: Chiara Burgdorf/Dachdeckerei Burgdorf)

100 Jahre Familientradition

Es galt fast 100 Jahre an Familiengeschichte zu bewahren, denn ihr Uropa väterlicherseits hatte 1929 das Unternehmen in Arpke bei Lehrte gegründet. Bisher wurde das Unternehmen stets vom Vater zum Sohn weitergereicht, mit ihr gibt es hier einen Umbruch. Geplant sei ihr Weg hin zum Chefinnensessel ohnehin gewesen, resümiert die Dachdeckermeisterin, die es 2017 direkt nach der bestandenen Meisterprüfung ins Büro führte, wo sie das Alltagsgeschäft fernab der Baustelle kennenlernen sollte. „Niemand hätte aber damit gerechnet, dass es so schnell passiert.“ Dabei fiel Chiara Burgdorf die anfallende Arbeit rund um Auftragsangebote, Personalangelegenheiten und Korrespondenz nicht schwer. 

Mut zur Verantwortung

Doch vor allem die ersten Monate ohne ihren Vater erforderten so einiges an Mut, denn „ich hatte anfangs mit der Unsicherheit, ob ich wirklich alles richtig gemacht habe, zu kämpfen.“ Denn bis dahin hatte ihr Vater über alles noch mal rübergeschaut. „Das hat mir stets Sicherheit gegeben“, blickt sie zurück. Ihre Mutter geht ihr auch heute noch zur Hand, doch mit dem Tod Anfang 2020 von Ralf-Otto Burgdorf verloren nicht nur sie ihren Vater und ihre Mutter Ariane ihren Mann, sondern auch die Dachdeckerei Burgdorf unheimlich viel Erfahrung.

Bild von Chiara Burgdorf auf dem Dach
Eine Weile nach der Schule schaute Chiara Burgdorf, ob sie vielleicht studieren will, doch die Wahl fiel auf das Handwerk ihres Vaters: Sie fand ihre Heimat auf dem Dach.

Freund hilft mit – auf dem Bau und bald auch im Büro

Aktuell arbeiten fünf Angestellte draußen, darunter auch Aaron Kirchhoff, der Freund von Chiara Burgdorf. Sie selbst geht an sich auch noch mit raus, doch derzeit kämen derart viele Anfragen rein, dass sie dazu schlicht nicht komme. „Ich bin die Einzige, die jetzt noch wirklich in all der Bürokratie drin ist.“ Doch daran soll sich alsbald etwas ändern: „Mein Freund hat vor Kurzem auch seinen Meisterbrief erhalten.“ Momentan werde er dringend auf den Baustellen gebraucht, doch sobald es in der kälteren Jahreszeit ruhiger wird, soll er sich auch im Büro mit einarbeiten. 

Sehnsucht nach Arbeit auf der Baustelle

„Ich vermisse die Arbeit auf dem Dach sehr“, begründet sie ihren Wunsch, in Zukunft auch wieder häufiger draußen auf den Baustellen unterwegs zu sein. Vor allem an sonnigen Tagen sei diese Sehnsucht ausgeprägt. Und an Tagen, an denen nicht mal Kundentermine den Kalender und die Muskeln auflockern, fehle ihr auch einfach die Bewegung.

Bild von Chiara Burgdorf
Dachdeckermeisterin Chiara Burgdorf

Dachdeckerin statt Studium Betriebswirtschaftslehre

Allerdings musste auch Chiara Burgdorf diese Begeisterung für das Dachhandwerk erst entdecken – in die Wiege gelegt war sie ihr nicht. Nach dem Abitur sah sie sich gemeinsam mit ihren Freundinnen verschiedene Studiengänge an. „Betriebswirtschaftslehre stellte sich schnell als Renner in meinem Freundeskreis heraus.“ Auch sie informierte sich, doch im Gegensatz zu ihrem Umfeld schrieb sie sich nicht ein. „Es passte irgendwie nicht, und ich wollte als junge Erwachsene eh lieber schnell Geld verdienen.“ Letztendlich begann sie die Ausbildung im heimischen Betrieb, der Mitglied bei der Dachdecker-Einkauf Ost eG ist. Und direkt nach der bestandenen Gesellenprüfung begann sie den Meisterkurs an der Schule in St. Andreasberg.

Bild von Chiara Burgdorf
Gerne wäre Chiara Burgdorf wieder öfter auf dem Dach aktiv, doch die viele Arbeit im Büro lasse dies derzeit kaum zu, berichtet sie.

Mangel an Azubis

Inzwischen ist sie Inhaberin eines Ausbildungsscheines und will alsbald gemeinsam mit ihrem Freund, der inzwischen auch ausbilden darf, neuen Lehrlingen die Kunst des Dachdeckerhandwerks näherbringen – wenn es denn Interessenten gäbe. „Dieses Jahr hatten wir bisher nicht eine Anfrage und auch zum vergangenen Start im Herbst sah es schlecht aus“, berichtet sie und muss kurz zurückrechnen. „Zuletzt haben wir vor vier Jahren einen Azubi übernommen, seitdem hat niemand mehr die Ausbildung durchgezogen.“ Sie habe es selbst im Betrieb bereits mehrmals erlebt, dass Lehrlinge begonnen, die Ausbildung aber nach relativ kurzer Zeit abgebrochen haben.

Warum? Darauf hat sie keine abschließende Antwort. „Wahrscheinlich sind es viele kleine Gründe, jeder hat seine“, überlegt sie. „Doch wir bieten unseren Azubis einen abwechslungsreichen, spannenden Job“, wirbt Burgdorf überzeugt. „Er ist vielseitig und am Ende eines Tages sieht man mit Stolz, was man mit seinen eigenen Händen geschaffen hat.“

Chiara Burgdorf auf Instagram

Auf ihren eigenen Instagram-Account arbeitet sie tagtäglich mit Storys gegen solche ihrer Meinung nach grundfalschen Ansichten an, indem sie ihren zumeist jungen Followern den Alltag auf Baustellen und im Büro zeigt. „Ich will, dass alle sehen können, was man mit seiner eigenen handwerklichen Leistung und Geschick und dem Wissen der Kollegen gemeinsam umsetzen kann“, erzählt sie. Noch seien es zwar relativ wenige, die anschauen, was sie an Storys hochlädt, doch sie will dranbleiben und für die Branche Werbung machen.

Bild von Chiara Burgdorf mit Team
Chiara Burgdorf und ihr Team der familieneigenen Dachdeckerei, die wie viele Betriebe dringend nach motivierten Azubis sucht.

Zukunft des Handwerks bewahren

Um auch in der Praxis möglichst vielen einen Blick in das Berufsbild zu geben, öffnet sie alle Türen: „Wir gehen auf Messen, bieten Praktika an oder Plätze für den Girls‘Day“, zählt sie auf. „Wir sind da sehr flexibel und offen für alles. Denn wir müssen ausbilden, so viel es geht.“ In den kommenden Jahren gehen auch in ihrem Betrieb etliche der Mitarbeiter in Rente, denn die meisten sind im Alter ihres verstorbenen Vaters. „Wir brauchen die Jugend, wir sind die Zukunft des Handwerks und das hat es verdient bewahrt zu werden“, steht Chiara Burgdorf für ihre Zunft ein. „Und wir werden allerorts gebraucht, um unser Können am Dach zu zeigen – so wie unsere Eltern vor uns.“

Sie interessieren sich für Familienunternehmen? Dann lesen Sie unsere Story über die Familie Bernhardt, die sich als Dachdecker in Frankfurt am Main bereits seit Jahrzehnten einen Namen gemacht hat.

Artikel jetzt teilen!

Weitere Artikel

Newsletter-Anmeldung

DACH-Ticker

Dirk Sindermann zum neuen ZVDH-Vizepräsidenten gewählt

Dachdeckermeister Dirk Sindermann ist auf dem jüngsten Dachdeckertag in Dresden in einer Kampfabstimmung gegen den bisherigen Amtsinhaber André Büschkes mit knapper Mehrheit zum neuen Vizepräsidenten des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) gewählt worden. „Ein zentrales Anliegen ist es für mich, das Dachdeckerhandwerk in der öffentlichen Wahrnehmung gemeinsam mit den Mitgliedern der Organisation zu stärken“, so Sindermann. „Ein Schwerpunkt liegt auf der Öffentlichkeitsarbeit, um die Bedeutung unseres Gewerks in der Gesellschaft sowie bei relevanten Akteuren weiter zu festigen.“

28. März 2025

Böcker eröffnet neue Niederlassung in Burghaslach bei Nürnberg

Kranhersteller Böcker verstärkt seine deutschlandweite Präsenz mit der neuen Niederlassung in Burghaslach bei Nürnberg und eröffnet diese feierlich mit einem 360 Grad Höhentag. Ein Jahr nach dem Spatenstich im konnte nun laut einer Pressemeldung das moderne Servicegebäude fertig gestellt werden. Damit ist Böcker deutschlandweit an sieben Standorten, einschließlich des Firmensitzes im westfälischen Werne, als Partner direkt vor Ort.

21. März 2025

Baugenehmigungen 2024 stark rückläufig

Im Jahr 2024 wurde in Deutschland der Bau von 215 900 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Ergebnissen mitteilt, waren das 16,8 Prozent oder 43 700 Wohnungen weniger als im Vorjahr. Damit sank die Zahl der Baugenehmigungen bereits im dritten Jahr in Folge. Weniger neue Wohnungen waren zuletzt im Jahr 2010 mit 187 600 Wohnungen genehmigt worden. In den Zahlen sind die Baugenehmigungen für Wohnungen sowohl in neuen als auch in bestehenden Gebäuden enthalten.

27. Februar 2025

Bauder eröffnet neues Werk in Landsberg

Ein bedeutender Meilenstein für die Paul Bauder GmbH & Co. KG: Mit der feierlichen Einweihung seines neuen Werks in Landsberg stärkt das Stuttgarter Familienunternehmen seine Produktionskapazitäten und setzt zugleich ein klares Signal für Wachstum und Innovation. Rund 12,5 Millionen Euro wurden laut einer Pressemeldung von Bauder in die neue Anlage investiert, die speziell für die Herstellung des Flüssigkunststoffs Liquitec konzipiert wurde und Raum für modernste Forschungs- und Entwicklungsarbeit umfasst. Dabei wurde ein ganzheitlicher Ansatz für eine bestmögliche Ökobilanz des Produktionsprozesses verfolgt.

31. Januar 2025

Baugenehmigungen 2024 weiterhin auf Talfahrt

Im November 2024 wurde in Deutschland der Bau von 17 900 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren das 13 Prozent oder 2700 Baugenehmigungen weniger als im November 2023. Im Zeitraum von Januar bis November 2024 wurden 193 700 Wohnungen genehmigt. Das waren 18,9 Prozent oder 45 200 weniger als im Vorjahreszeitraum. In diesen Ergebnissen sind sowohl Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Wohn- und Nichtwohngebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten.

17. Januar 2025

Valentin Bremer gewinnt German Craft Skills 2024 der Dachdecker

Der Sieger der German Craft Skills 2024 Valentin Bremer kommt aus Hessen und hat von 200 möglichen Punkten 178,70 erreicht. Den zweiten Platz belegte John Seltmann aus Sachsen, Dritter wurde Linus Esseln, der Landessieger aus Rheinland-Pfalz. Bremer und Seltmann haben sich für die 30. IFD-Weltmeisterschaft junger DachdeckerInnen im Jahr 2026 qualifiziert. „Es ist immer wieder eine große Freude zu sehen, wie sehr sich junge Menschen für ihr Handwerk begeistern“, erklärte ZVDH-Vizepräsident Jan Voges, der als Zuschauer vor Ort war.

30. Oktober 2024

Georg Harrasser wird neuer Geschäftsführer bei Nelskamp

Georg Harrasser übernimmt ab November 2024 die Geschäftsführung der Dachziegelwerke Nelskamp. Der 58-jährige Maschinenbauingenieur ist ein alter Bekannter in der Bedachungsbranche. Nach mehr als 25 Jahren bei der BMI Group war Harrasser zuletzt als Präsident bei der Carlisle Construction Materials Europe tätig. Er folgt auf Heiner Nelskamp, der im Mai 2024 als Geschäftsführer in Rente gegangen ist. „Nelskamp ist ein bekannter Name und wird als ein führender Hersteller von Dacheindeckungsmaterial in Deutschland sehr geschätzt. Der Ausbau des deutschen sowie internationalen Geschäfts ist eine spannende Aufgabe, auf die ich mich sehr freue“, so Harrasser.

17. September 2024

A. Ewald Kreuzer wird Ehren-Landesinnungsmeister der bayerischen Dachdecker

Nach Abschluss der Neuwahlen der Vorstandschaft auf dem jüngsten Landesverbandstag der bayerischen Dachdecker stellte der neu gewählte Landesinnungsmeister Mario Kunzendorf den Antrag, A. Ewald Kreuzer für seine herausragenden Verdienste während seiner knapp 20-jährigen Amtszeit als Landesinnungsmeister zum Ehren-Landesinnungsmeister zu ernennen. Kunzendorf bekräftigte die Aussage von ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk, dass mit der Zeit von Kreuzer als Landesinnungsmeister eine „Ära“ zu Ende gehe und ergänzte, dass dieser Begriff selten treffender hätte sein können.

18. Juli 2024

ifo Institut erhöht Prognose auf 0,4 Prozent Wirtschaftswachstum für 2024

Das ifo Institut hat seine Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr auf 0,4 Prozent heraufgesetzt, von 0,2 Prozent bislang. Im kommenden Jahr dürfte es sich beschleunigen auf 1,5 Prozent. „Es entsteht gerade neue Hoffnung“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich langsam aus der Krise. Das zweite Halbjahr 2024 dürfte deutlich besser ausfallen als das erste.“ Gleichzeitig wird die Inflation abflauen, von 5,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 2,2 Prozent in diesem und auf nur noch 1,7 Prozent im kommenden Jahr.  

20. Juni 2024

17 Prozent weniger Baugenehmigungen im April 2024 als im Vorjahr

Im April 2024 wurde in Deutschland der Bau von 17 600 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren das 17 Prozent oder 3600 Baugenehmigungen weniger als im April 2023. Im Vergleich zum April 2022 sank die Zahl der Baugenehmigungen sogar um 43,5 Prozent oder 13 500 Wohnungen. Von Januar bis April 2024 wurden 71 100 Wohnungen genehmigt. Das waren 21 Prozent oder 18 900 Wohnungen weniger als im Vorjahreszeitraum. „Deutschlands Wohnungsnot verschärft sich weiter. Was heute nicht genehmigt wird, können wir morgen nicht bauen und wird den Mieterinnen und Mietern am Markt fehlen“, erklärt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe.

18. Juni 2024