Niél Braun: Ein echtes Mädchen auf dem Dach
2. März 2023
Sie ist erst 26 Jahre jung und schon Chefin im Familienbetrieb. Und der Vater und Firmengründer, gerade Mitte Fünfzig, arbeitet jetzt lieber als Angestellter. Für Dachdeckermeisterin Niél Braun ist das gar nicht so besonders. Bei ihr stand schon während der Schule fest: Das Dachhandwerk soll es einmal sein und nichts anderes. Der Erfolg gibt ihr recht. Niél Braun ist zufrieden und glücklich mit ihrem Job. Das liegt nicht bloß an der guten Auftragslage des Betriebs Bedachungen Braun GmbH, aus Eschweiler, sondern vor allem am familiären Zusammenhalt, der alle Mitarbeiter einbezieht.
Familie und Betrieb waren nie getrennt
Ein Leben jenseits des Dachhandwerks kennt Niél Braun gar nicht. „Familie und Betrieb waren bei uns nie getrennt. Das Büro lag in unserem Wohnhaus und die Angestellten sind täglich bei uns ein- und ausgegangen“, erzählt die junge Geschäftsführerin. Den Vater damit täglich auch als Chef eines Handwerksbetriebs zu erleben, war für die junge Tochter ein bleibender Eindruck. „Ich fand das immer toll, wie familiär alle miteinander umgegangen sind. Da wurden Witze gemacht, die ich natürlich nicht immer verstanden habe, und viel gelacht. Man hat einfach gemerkt, dass die Arbeit meinem Vater und seinen Mitarbeitern Spaß macht. Das wollte ich später unbedingt auch erleben“, erinnert sich Niél Braun.
Mit kleinen Hürden zur Dachdeckerin
Nach der zehnten Klasse hatte Niél Braun nach einigen Ferienjobs im elterlichen Betrieb das Dachhandwerk bereits praktisch kennengelernt. Sie wollte die Schule verlassen und gleich mit der Lehre beginnen. Die Eltern waren von der Idee aber nicht überzeugt, erinnert sich die heutige Dachdeckermeisterin. „Meine Noten waren recht gut und mein Vater wollte mir die große Belastung – für eine Frau vor allem auch körperlich – und den stressigen Alltag nicht zumuten und mir noch etwas Bedenkzeit verschaffen.“
Die Eltern überredeten ihre Tochter, sich den Berufswunsch noch einmal gut zu überlegen und zunächst einmal das Abitur dranzuhängen. „Das habe ich auch gemacht. An meinem Wunsch, Dachdeckerin zu werden, hat sich aber nichts geändert“, erklärt Braun mit einem Lächeln. Immerhin konnte sie die Ausbildung im heimischen Familienbetrieb, Mitglied der DEG Alles für das Dach eG, dank des höheren Schulabschlusses auf zwei Jahre verkürzen und ab 2017 als Gesellin weitere Berufserfahrung sammeln.
Das einzige „Mädchen“ auf der Meisterschule
Bis 2019 besuchte Niél Braun die Meisterschule am BBZ in Mayen. In der Meisterklasse war sie die einzige Frau – wie zuvor bereits an der Berufsschule. Als besondere Herausforderung hat sie das aber nie empfunden. „Das Dachhandwerk ist zwar klar eine Männerwelt, in der ein entsprechend rauer Ton herrscht, aber das hat mich nie sonderlich gestört“, erzählt die Meisterin. „Ich bin zwar ein echtes Mädchen und trage gerne Kleider und so. Aber ich bin auch laut und direkt. Wir Rheinländer tragen ja bekanntlich das Herz auf der Zunge. Das passt.“
Motivation ist wichtiger als das Geschlecht
Das Thema Frauen im Handwerk betrachtet Niél Braun eher nüchtern. „Ob ein Mann oder eine Frau den Weg ins Handwerk findet, halte ich für nebensächlich. Klar wäre es cool, wenn mehr Frauen vertreten wären, aber die Frage ist ja, ob ein Mensch im Handwerk überhaupt richtig aufgehoben ist. Stimmt die Motivation, sind die nötigen Fähigkeiten und ein echtes Interesse vorhanden? Diese Fragen interessieren mich viel mehr, auch als Arbeitsgeberin.“ Zudem engagiert sie sich auf der Plattform „Das Handwerk“ des Zentralverband des Deutschen Handwerks in einem Videofilm als Botschafterin für das Dachdeckerhandwerk.
Vater wollte Betrieb so früh wie möglich übergeben
Niél Braun ist das mittlere von drei Kindern. Ihr älterer Bruder hat ebenfalls eine Ausbildung zum Dachdecker gemacht, danach aber studiert und ist heute Bauingenieur. Für die jüngere Schwester, die im öffentlichen Dienst tätig ist, kam eine Betriebsnachfolge nie infrage. „Als mein Vater gemerkt hat, dass ich genau die Richtige bin, um unseren Betrieb zu übernehmen, wollte er die Geschäftsführung dann eher früher als später in meine Hände legen, um mehr Zeit mit meiner Mutter verbringen zu können.“
Selten auf der Baustelle – ein Wermutstropfen
Auch die Mutter arbeitet bei Bedachungen Braun, allerdings im Büro und nicht als Handwerkerin. Das Niél Braun heute ebenfalls meist im Büro und selten auf der Baustelle zu tun hat, ist für sie ein kleiner Wermutstropfen. „Ich bin wirklich gerne auch dem Dach. Dieser überwältigende Blick aus der Höhe, mit seinen eigenen Händen etwas zu schaffen und die tolle Atmosphäre mit den Jungs – das finde ich am Dachhandwerk einfach geil.“
Familienbetrieb gleich Familie
Als Dachdeckermeisterin Niél Braun die Betriebsführung 2021 in die Hand nahm, gab es für sie keine größeren organisatorischen Baustellen. „Ich musste nicht alles umkrempeln. Technisch ist der Betrieb schon gut ausgerüstet gewesen. Auch deshalb hatte ich keine Sorgen, hier als Frau irgendetwas nicht bewältigen zu können.“ Änderung nahm Niél Braun jedoch im Team vor. Weil sie mit allen Kollegen bereits gearbeitet hatte, kannte sie deren Stärken und Schwächen.
Team auf die echten Leistungsträger reduziert
„Wir haben das Team um fünf Mitarbeiter auf die echten Leistungsträger reduziert. Das ist auch nur fair und es sorgt für mehr Zufriedenheit, wenn nicht einer immer für den anderen mitarbeiten muss und das niemand anerkennt, weil es nicht gesehen wird.“ Zum derzeit zehnköpfigen Team bei Bedachungen Braun gehören Mitarbeiter, die die heutige Chefin schon als Kleinkind kannten. „Das fühlte sich aber nie komisch an, sondern stärkte das Familiengefühl“, so Niél Braun. „Ich fühle mich sicher und weiß, dass immer jemand aus unserem Team hinter mir steht und wir aufeinander achten. Ich glaube, diesen Zusammenhalt spüren alle im Betrieb.“
Zukunft Gründach und PV-Anlagen
Große Zukunftspläne hat Niél Braun nicht. Im Betrieb stimme alles, die Geschäfte liefen gut. Einen Wunsch hat sie aber doch: „Dass jede Neueindeckung als Gründach mit PV-Anlage erfolgt.“ Sie sieht sich selbst dabei aber nicht als Öko-Aktivistin. Für sie ist das eine Frage der Konsequenz. „Den Klimawandel und die spürbaren Herausforderungen kann man nicht wegdiskutieren. Für mich ist es nur logisch, ressourcenschonenden und günstigeren Strom selbst zu erzeugen und mit einer Dachbepflanzung etwas gegen den CO²-Ausstoß zu tun. Ich empfehle jedem Kunden, diesen wichtigen Weg mitzugehen und wenn Bedarf besteht auch einen Energieberater hinzuzuziehen, um über eventuelle Förderungen informiert zu sein.“
Schlechte Laune nur mal bei schlechtem Wetter
Und manchmal überzeugt sie ihre Kunden auch selbst. Bei so viel Gelassenheit könnte man meinen, dass Niél Braun keine schlechten Arbeitstage kennt. Danach gefragt, muss sie schon eine Weile überlegen. Aber dann fällt ihr ein: „Wenn es regnet, habe ich so richtig schlechte Laune. Dann passiert auf dem Dach einfach zu wenig und der Tag ist morgens schon gelaufen.“ Immerhin ein kleiner Trost: Vor schlechtem Wetter ist auch die beste Dachdeckerin mit ihrem Team nicht gefeit.
Sie interessieren sich für junge Dachdeckerinnen, die ihren eigenen Weg gehen? Dann lesen Sie unsere Story über Fabienne Ellermeier.
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