
Spenglermeisterin macht Kunsthandwerk mit Herz und Respekt
16. November 2021
Die 23-jährige Jennifer Konsek ist Spenglermeisterin, eine der wenigen in Deutschland, und zeigt auf Instagram, was ihren Beruf zwischen Handwerk und Kunst auszeichnet.
Hoch hinaus und etwas Praktisches sollte es sein, so viel war für Jennifer Konsek klar. War es ihr doch von Kindheitsbeinen an in die Wiege gelegt: der Vater Dachdeckermeister mit eigener Firma namens „Die Dachlatte“ in München und sie schon immer interessiert an all dem, wie das Dach nicht nur dicht, sondern auch ansehnlich aufs Haus kommt. Doch kaum endete die Realschule, stand dennoch die Frage ins Haus, was jetzt? Denn die heutige Spenglermeisterin konnte nicht ohne Umweg in die Fußstapfen ihres Vaters treten – ein Rückenleiden versperrte ihr den Weg.

Plan B entpuppte sich als goldrichtig
Die schweren Pakete an Ziegeln, mit denen frau es da zu tun hätte, wären da wohl mindestens zu einer Herausforderung, wenn nicht sogar zu einer Bedrohung ihres Lebenstraumes geworden. Doch des Vaters Rat zeigte den Weg: Werde Spenglerin! Und was zuerst nach Plan B klang, entpuppte sich schnell als goldrichtig. Heute ist Jennifer Konsek mit 23 Jahren Spenglermeisterin, eine der ganz wenigen in Deutschland. Und eines steht für alle in der Familie bereits heute fest: Die Junior- wird eines Tages die Seniorchefin werden.
Schreinerlehre war auch eine Überlegung
„Zwischenzeitlich hatte ich schon überlegt, eine Schreinerlehre zu machen“, erzählt sie. Denn nach der Realschule war schnell klar, dass der mögliche Besuch der Fachoberschule nichts für sie war. „Ich wollte nicht noch länger die Schulbank drücken“, erzählt Konsek. „Aber Holz ist nicht ganz so mein Material.“ Ein Dilemma, das sich jedoch bald auflöste. Der Beruf der Spenglerin war für sie quasi „die Leiter aufs Dach“.

Spenglerei kommt künstlerischer Ader entgegen
„Die Materialien sind weniger schwer, egal ob Blech oder Aluminium, höchstens bei Kupfer stoße ich mal an Grenzen“, ordnet Konsek für sich ein. „Und dazu kommt es meiner künstlerischen Ader entgegen. Die kann ich hier hoch oben bei frischer Luft voll ausleben.“ Denn Metalldächer gibt es in Süddeutschland traditionell noch in größerer Anzahl als im Norden. Und auch heute noch werden viele Neubauten mit einem Dach aus Aluminium, Zink, Kupfer oder anderen Metallen eingedeckt.

Nach der Lehre gleich die Meisterschule
Sie begann die Lehre im Familienunternehmen. Ihr Vater konnte sie ausbilden, da Dachdecker und Spengler verwandte Berufe sind. „Das haben wir aber auch erst erfahren, als wir nachfragten“, sagt Konsek. Die eigentlich anberaumten dreieineinhalb Jahre verkürzte sie auf drei und im Anschluss ging es direkt auf die Meisterschulbank. Also jetzt doch wieder Schule, trotz der früheren Unlust? „Ja, ich war noch im Lernfluss von der Berufsschule und die Themen lagen mir“, erläutert die Spenglermeisterin. „Die Fächer hatten alle mit dem zu tun, was mir Spaß macht.“ Und außerdem wollte sie nicht nur auf der Baustelle Aufgaben ausführen, sondern auch selbst wissen und verstehen, wie und warum etwas auf bestimmte Weise fachgerecht gemacht wird.

Liebe für die Detailarbeit mit Metall
Doch bei aller Zuneigung für das Gesamtbild, regelmäßig zieht es Jennifer Konsek zu den Details am Giebel. „Das Spenglerhandwerk ist oft mehr Kunsthandwerk“, erklärt sie. „Bei Metalldächern gibt es viele komplizierte Ecken, die schön aussehen müssen – und das Material lässt diese Detailarbeit eben auch zu.“ Dabei komme es, zu ihrem Vorteil, weniger auf Kraft an, sondern eher auf Gespür und Geschick, um mit dessen Hilfe das theoretische Wissen praktisch am Metall umzusetzen. „Frau kann sich echt verkünsteln“, gesteht die Spenglermeisterin lachend ein. Letztlich sei es aber wie bei jedem Tagewerk, dem mit Herz nachgegangen wird: „Es braucht handwerklichen Respekt.“

Frauen für den Weg ins Handwerk begeistern
Und diesen zeigt sie auch online. Vor allem bei Instagram betreibt sie einen Kanal, über den sie mit zunehmendem Erfolg junge Menschen erreicht. „Ich möchte so vor allem jungen Frauen zeigen, dass sie sich sehr gut in dieser scheinbaren Männerdomäne behaupten können“, definiert sie ihr Ziel. Allerdings hält sie keine flammenden Plädoyers, um diese Überzeugung in die Welt zu tragen, sondern zeigt praktisch, wie das Ergebnis eines Arbeitstages auf dem Dach aussehen kann. „Das ist es, worauf frau stolz sein kann“ Obendrein möchte sie mithelfen, ihren Beruf als Spenglermeisterin bekannter zu machen, denn je nach Bundesland fristet dieser mitunter ein Nischendasein.

Frau als Spenglermeisterin fällt immer noch auf
Im eigenen Betrieb sind sie momentan zu siebt, darunter auch zwei Lehrlinge. Alltäglich auf einer Baustelle sind Frauen auch heute nicht – vor allem nicht in der Rolle der Meisterin. „Frau fällt immer noch auf“, berichtet Konsek. Negative Erfahrungen habe sie aber nur vereinzelt machen müssen. Die meisten Männer kämen spätestens nach einem Moment der Verwirrung, in dem sie verarbeiten, auf wen sie da zu hören haben, gut klar, sagt sie schmunzelnd.

„Ein Arbeitskollege, einer der Gesellen bei uns, war früher mein Babysitter. Heute sage ich ihm, was zu machen ist“, berichtet sie. „Das ist schon manchmal komisch, allein, weil ich halt so viel jünger bin.“ Aber am Ende gehe eh alles Hand in Hand, niemand kommandiere andere herum. Und sie ist zum Glück längst nicht mehr die einzige Frau im Betrieb, geschweige denn in der Münchner Spenglerszene: „Wir werden langsam mehr“, sagt die 23-Jährige. Inzwischen ist auch eine der zwei Auszubildenden im Familienbetrieb, Mitglied der Dachdecker-Einkauf Süd eG, eine Frau.

Auch als Chefin regelmäßig hoch aufs Dach
Jennifer Konsek ist nun als Spenglermeisterin dort, wo sie sein möchte: auf dem Dach, in der praktischen Arbeit. „Ich will jetzt erst mal Erfahrung in all diesen Facetten meines Berufes sammeln.“ Doch alsbald wird sie weitere Aspekte kennenlernen, die bisher vor allem ihr Vater verantwortet: im Büro. „Ich werde mich langsam einarbeiten, denn irgendwann werde ich das übernehmen“, weiß sie heute schon. „Ich freue mich auch auf diese Seiten der Firma – solange ich regelmäßig hoch aufs Dach komme.“
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