Erst Miss Handwerk und bald Meisterin mit eigenem Dachdecker-Betrieb
19. Mai 2020
Geschenkt bekommen hat sie nie etwas und auch keinen Familienbetrieb im Rücken. Doch Sonja Theisen weiß, was sie will. Wenn die Dachdeckerin sich Dinge vornimmt und Ziele setzt, hängt sie sich voll hinein in die Umsetzung. Schon mit Opa und Vater schnupperte die kleine Sonja erstmals Baustellenluft. Nach dem Fachabitur war klar, dass sie die Familientradition als Dachdeckerin fortsetzen wollte. „Ich habe mir in meiner Region Mayen/Koblenz einen Betrieb gesucht, der vom Leistungsspektrum breit aufgestellt ist“, sagt Theisen.
Zunächst genoss die junge Frau Welpenschutz, doch danach wurden die männlichen Kollegen schon rustikaler. „Das war zu Beginn schwer für mich, weil ich eher ruhig und schüchtern war. Ich musste lernen, mit dem rauen Ton umzugehen“, erinnert sich die angehende Dachdecker-Meisterin. Erst war sie erschrocken, doch schnell wusste sie sich zu wehren und auf den Punkt zu kommen. „In der Lehre habe ich mehr und mehr Selbstvertrauen gefunden. Die Kollegen wurden zu Freunden. Wir haben gegrillt und sind zusammen weggegangen.“
Als Miss Handwerk das Reden auf der Bühne gelernt
Beigetragen zum gestärkten Selbstvertrauen hat sicher auch die Bewerbung für den Kalender Miss Handwerk 2013. Theisen versuchte es einfach, fuhr zum Shooting und schaffte es dann nicht nur in den Kalender. Sie errang als 21-Jährige direkt den Titel Miss Handwerk. Sich auf einer Bühne zu präsentieren, wie bei der Endauswahl und der Ehrung auf der internationalen Handwerksmesse, das braucht Courage und bringt Erfahrung.
„Ich habe gemerkt, auf einer Bühne zu reden, ist gar nicht so schlimm.“ Auch auf dem Sofa im Studiointerview des TV-Senders SWR stand sie als Miss Handwerk Rede und Antwort, cool und ohne das ihr die Aufregung anzumerken war. Das kommt ihr danach und bis heute zugute. Etwa als sie für Rathscheck auf der Messe DACH+HOLZ am Stand moderiert hat oder bei der jüngsten Weltpremiere des VW Caddy, wo Influencerin Theisen als Gast eingeladen.
Ein Profi als Dachdeckerin und Markenbotschafterin
Inzwischen ist sie als Markenbotschafterin für das Handwerk genauso ein Profi wie als Dachdeckerin. Beides hat sie sich hart und mit viel Engagement erarbeitet. Nach der Lehre arbeitete Theisen in mehreren Betrieben, um weiter zu lernen für die Ziele Meisterin und eigener Betrieb. „Man bleibt nicht da, wo man gelernt hat“, sagt sie selbst dazu. Ein Jahr geht die Dachdeckerin nach Marburg. Dort macht sie nach viel Flachdach in der Lehre mehr Steildach. Danach kehrt sie in die Heimatregion zurück, um in einem Zimmererbetrieb zu arbeiten. „Da habe ich gemerkt, Holz ist nicht so meins, Klempnerei schon mehr.“ Doch es zog Theisen zurück zu einem klassischen Dachdeckerbetrieb. Dort hatte sie bis zur Anmeldung zum aktuellen Meisterlehrgang am BBZ Mayen drei gute Jahre. „Es war sehr familiär, mit viel Vertrauen und Austausch. Wir haben viel zusammen gemacht nach der Arbeit“, berichtet Theisen.
Wohlfühlumfeld wird auch im eigenen Betrieb wichtig sein
Für die Dachdeckerin ist ein Wohlfühlumfeld wichtig. Der Betrieb oder auch das Nachwuchsprojekt Zukunft Dachdecker der Landesinnung Rheinland-Pfalz mit den Filmdrehs und der ehrenamtlichen Mitarbeit am Stand auf vielen Berufsmessen, das ist für Theisen wie zweite Familie. Und so wird sie sicher auch ihren eigenen Betrieb gründen und aufbauen in Worms, wo ihr Freund bereits einen Betrieb im Bereich Dach & Gebäude-Management führt. „Im Sommer möchte ich loslegen. Ich denke, dass sich unsere beiden Betriebe da sehr gut ergänzen.“
Etwas verschieben wird sich das Ganze in Zeiten von Corona, denn der Meisterkurs am BBZ Mayen endet gut drei Wochen später als geplant. Anfang Juni soll die letzte mündliche Prüfung stattfinden, wenn alles gut läuft bis dahin, mit Maskenschutz und Abstand halten. Das E-Learning über Wochen daheim konnte die Dachdeckerin nicht schocken. Sie schaut gerne auf das Positive. „Mit Kindern wäre es noch krasser gewesen.“
Wettkämpfe als Fitnessathletin neben der Arbeit
Krass im positiven Sinne ist, dass Sonja Theisen ab 2016 neben der Arbeit auf dem Dach auch noch an Wettkämpfen als Fitnessathletin teilgenommen hat – mit entsprechender Intensität im Training. Sechs Mal die Woche in einem Mainzer Studio, dazu die entsprechende Diät für die perfekte Figur, das braucht Motivation und Power. „Ich habe mir ein Ziel gesetzt und wollte schauen, wie weit ich mit meinem Körper komme“, sagt die Dachdeckerin.
Parallel dazu startete Theisen als Sunny Roofer auch ihren Instagram-Kanal mit Bilder von der Baustelle, vom Training, zu Essen und Ernährung. Und eines Tages spielte sie mit Filtern auf dem Smartphone und hielt mal drauf beim Altgesellen Micha, der ein Tänzchen wagte. Seitdem hat sie viele Storys mit ihm gepostet. Micha und Sunny sind ein cooles Duo, das unterschiedlicher nicht sein könnte. „Er hatte erst ein wenig Angst vor mir, weil er noch nie mit einer Frau gearbeitet hatte. Schließlich arbeitet er schon seit knapp 40 Jahren als Dachdecker. Doch er ist so ein toller Mensch und ich habe von seinem Wissen viel profitiert“, sagt Theisen.
Als Sunny Roofer mit Micha auf Instagram
Inzwischen ist sie als Sunny Roofer die wichtigste Influencerin unter den Dachdeckern. Weil sie authentisch rüberkommt in ihren Posts und Storys, auf der Bühne oder auf einer Berufsmesse, bodenständig und reell. „Man muss auch auf Instagram sein Ding durchziehen und dazu stehen, was man macht. Jedem kann ich es sowieso nicht recht machen. Neid habe ich mir erkämpft, obwohl ich das als Nonsens ansehe, da ich gerne meine Erfahrung teile und helfe, wo ich kann. Ich weiß das man einiges erreichen kann, wenn man Ziele und Träume hat, egal was andere sagen“, berichtet Theisen.
Es klingt durch, dass dies manchmal hart war. „Für viele Männer war ich die Schiefer-Barbie und Frauen sagten, du bist gar keine Frau. Doch ich habe die Hände zum Arbeiten, was ist falsch daran?“ Theisen ist eine attraktive Frau, ohne sich zu schminken oder in Schale zu werfen. Eine Frau, die zudem weiß, was sie kann und will als Dachdeckerin. Sie freut sich auf die Gründung des eigenen Betriebs. Dafür, dass das Geschäft gut läuft, wird sie sicherlich wieder alles geben.
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