Ruhrpott-Dachdeckerin mit Mut und Herz
9. Mai 2019
Allein schon mit ihr zu telefonieren, macht gute Laune. Wer mit Victoria Weber Kontakt hat, der kann Spaß haben. Die junge Dachdeckerin trägt ihr Herz auf der Zunge. Sie mag Menschen, ist direkt und sagt klar, was sie will. Ein Interview vor Ort im Betrieb Grandrath im Stadtteil Altenbochum sollte es schon sein. Persönlicher Kontakt ist ihr wichtig, das geht am Telefon nicht so richtig. Bei der Arbeit ist sie dann gekleidet in der Zunft. „Mein Vater ist immer in Zunftkleidung unterwegs, er ist da mein Vorbild. So bin ich authentisch gekleidet“, sagt Weber. Zunftkleidung, das steht in ihren Augen für Ehre und Stolz auf das Handwerk. Das strahlt die 28-Jährige auch aus. Wenn sie über ihren Beruf spricht, ist immer die Leidenschaft und Liebe für das Dachdecken herauszuhören.
Dachdeckerin arbeitet zunächst in der Behindertenhilfe
Seit Victoria Weber laufen kann, war sie schon mit im Betrieb. Dennoch hat sie nach der Schule erst einmal eigene Wege eingeschlagen und in der Behindertenhilfe gearbeitet. Was sicher auch gut passte, denn sie kann einfach mit Menschen. Das hilft ihr natürlich, im väterlichen Betrieb Fuß zu fassen. Denn freundliche Beratung der Kunden und wertschätzende Kommunikation mit den Mitarbeitern werden heute immer wichtiger. Dazu eignete sie sich das Know-how als Dachdeckerin auf die harte Tour an, berufsbegleitend. Erst war es das Abendstudium zur Betriebswirtin, jetzt folgt die Meisterschule. Die Arbeit ist ihr zentraler Lebensinhalt – im positiven Sinne. Weber ist keine, die über zu viele Aufgaben jammert. Im Gegenteil freut sie sich über Herausforderungen.
Dachdeckerin startet Azubi-Projekte im eigenen Betrieb
Die Leidenschaft teilt die 28-Jährige gerne. Die Nachwuchsförderung liegt ihr besonders am Herzen. Einmal im eigenen Betrieb, wo sie sich persönlich um die drei Auszubildenden unter den 20 Mitarbeitern kümmert. „Ich sehe mich als Patin und begleite die Jungs durch die Ausbildung.“ Mit ihr haben die Auszubildenden jemanden zum Reden, wenn es Bedarf gibt – beruflich, schulisch oder privat. Weber hält zudem Kontakt zu den Lehrern der Dachdeckerschule in Eslohe. „Die sollen sehen, dass wir uns als Betrieb kümmern um den Erfolg der Jungs.“ Den möchte Weber weiter befördern mit einer Idee, die sie „Azubi-Projekte“ nennt. Die Auszubildenden sollen so ein Gefühl für eigenverantwortliches Handeln bekommen. Es geht um kleine Aufträge von Kunden, die von der Anfrage über den Kontakt, das Angebot bis zur Umsetzung abgewickelt werden sollen. „Ich selber begleite das, halte mich aber im Hintergrund“, erläutert Weber.
Erstes Projekt sind in der eigenen Firmenhalle die Ausbildungs-Modelle für die Schulung. „Die Jungs stellen diese Modelle im Team her und übernehmen auch die Planung und die Kostenschätzung für das Material. Für Weber ist wichtig, dass sich die Auszubildenden im Betrieb wohlfühlen. „Sie bekommen bei uns genauso das Lob und die Wertschätzung wie die Gesellen und Meister.“ Voraussetzung dafür ist, dass sie wirklich Bock haben auf den Job und Leistung bringen wollen. „Wir geben jedem eine Chance und fördern, wo wir können“, erklärt die Dachdeckerin. Diese Einstellung habe sie vom Vater. „Der fordert zwar viel von seinen Leuten, ist aber zugleich ein sehr sozialer Mensch.“
Vater und Tochter: Zwei Charakterköpfe treffen aufeinander
Und der Vater ist natürlich stolz darauf, dass die Tochter in seine Fußstapfen tritt. „Direkt zeigt er dass nicht so, eher im Gespräch mit anderen Menschen“, sagt die 28-Jährige. Wer die beiden so zusammen erlebt, merkt schnell, dass sie bei allen Unterschieden auf einer Wellenlänge liegen. Streit gibt es auch mal, wenn die zwei Charakterköpfe aufeinander treffen. „Wir lieben beide die klaren Worte und danach ist auch wieder gut“, so beschreibt es die Tochter. Sie besprechen alle Projekte miteinander. Noch ist ihr Vater der Chef. „Er sitzt mir im Nacken“, sagt Weber trocken mit Blick auf die Sitzordnung im Büro. Die Tochter musste sich schon freischwimmen, nachdem sie vor vielen Jahren im Betrieb „mit einem Sprung ins kalte Wasser“ gestartet war. Doch inzwischen hat die mutige junge Frau ihr Standing gefunden.
Dachdeckerin ist eine aktive Netzwerkerin
Da schaut der Vater sogar wohlwollend auf ihr Engagement bei den „Dachdecker-Mädelz“, dem Netzwerk der Frauen auf dem Dach. Für Victoria Weber gehört auch das zur Nachwuchsförderung. „Wir wollen junge Mädchen ermutigen, diesen tollen Beruf zu ergreifen.“ Netzwerke knüpfen und sich ehrenamtlich zu engagieren, ist ihr sehr wichtig. In der Region hat sie mit „Frauen im Handwerk Ruhrgebiet“ eine Gewerke-Kooperation mit gegründet. In Altenbochum sitzt sie im Vorstand des Gewerbevereins „Stadtteilfreunde Altenbochum e.V.“ und in der Kreishandwerkerschaft engagiert sich Weber im Bereich Ausbildung/Öffentlichkeitsarbeit.
Bei der DEG Dach Fassade Holz ist der Betrieb seit drei Jahren Mitglied. „Auch hier möchte ich den Kontakt und das Miteinander pflegen, nicht nur über Aufträge.“ Inzwischen ist Weber im Stadtteil und der Region schon bekannt wie ein bunter Hund. „Viele sprechen mich an und finden es toll, dass ich als Frau Dachdeckerin bin.“ Als sie jüngst mit 15 Kolleginnen von den „Dachdecker-Mädelz“ bei einer Kundin für eine Reparatur auftauchte, war das Erstaunen groß. „Dass wir alle Dachdeckerinnen waren, das hat schon Eindruck gemacht in der Siedlung.“
Sie interessieren sich für das Thema Frauen im Handwerk. Dann lesen Sie unseren Artikel über eine Dachdeckerin, die im Internet bloggt.