4-Tage-Woche: Erfolgsmodell bei Dachdeckermeister Tim Evertz
30. April 2024
Dachdeckermeister Tim Evertz hat die 4-Tage-Woche ohne Stundenreduzierung umgesetzt. Der 27-Jährige führt in Kempen bei Krefeld einen Betrieb mit acht gewerblichen Mitarbeitern, einem Kranfahrer und einer Vollzeitkraft im Büro. „Ich habe viel über das Thema gehört und mir dann Gedanken gemacht und erste Ideen aufgeschrieben, wie ich das als Handwerker umsetzen kann.“ Danach sprach Evertz mit der Soka Dach über rechtliche Themen wie Arbeitszeitkonten, Überstunden oder Schlechtwettergeld und ließ sich auch von der örtlichen Handwerkskammer beraten.
4-Tage-Woche hat Produktivität erhöht
Schließlich setzte sich der Dachdeckermeister mit seinem Team zusammen. „Meine Mitarbeiter sind ohnehin aufgeschlossen und generell offen für Neuerungen. So beschlossen wir eine dreimonatige Testphase ab Oktober 2022, um zu sehen, wie wir damit klarkommen. Das hat funktioniert, trotz des extremen Wetters in diesem Herbst und Winter“, berichtet Evertz. Seitdem haben die Mitarbeiter jeden Freitag frei, Überstunden werden für Schlechtwetterzeiten genutzt. Als zentralen Vorteil sieht Evertz die Steigerung der Produktivität. „Wir fahren meist eine Stunde bis zu Baustellen. So kamen wir vorher freitags bis zum Mittag nur auf eine wirtschaftliche Arbeitszeit von 3, maximal 3,5 Stunden. Da macht es mehr Sinn, jeden Tag eine Stunde länger zu bleiben, komprimiert auf vier Tage.“
Mehr Motivation und weniger Krankentage
Ein weiterer Vorteil: Die Motivation im Team ist höher und es gibt weniger Krankentage. „Die Regeneration mit einem Tag mehr macht viel aus“, erklärt Evertz. Auch für ihn selbst als Unternehmer ist die 4-Tage-Woche wichtig, gerade als junger Vater. „Ich bin leidenschaftlich gerne selbstständig als Dachdecker, aber ich will auch Zeit für die Familie haben. Jetzt bin ich vier Tage auf den Baustellen und bei Kunden. Freitag mache ich das Telefon aus und kann in Ruhe und mit Konzentration fast alles abarbeiten im Büro.“
„Wir wollen als Team nicht mehr zurück“
Im Betrieb Tim Evertz Dachdeckermeister, Mitglied der DEG Dach-Fassade-Holz eG, läuft die 4-Tage-Woche inzwischen eineinhalb Jahre. „Wir als Team wollen nicht mehr zurück“, erklärt Tim Evertz. Ein, zwei der jüngsten Mitarbeiter fragen noch ab und zu, ob sie nicht auch Freitag was machen können an Überstunden. „Aber das will ich gar nicht, 50 Stunden oder so, dann sind die in drei Jahren kaputt.“ Mit den Kunden gibt es keine Probleme in Sachen freier Freitag. Und bei den ganz harten Fälle, wie nach schweren Stürmen, bietet auch Tim Evertz einen Notdienst.
Lehrling einstellen: Tücken liegen im Detail
Für den Dachdeckermeister liegen bei der Umsetzung der 4-Tage-Woche die Tücken im Detail. „Wie passe ich Arbeitszeitkonten oder Urlaubstage an, um solche Frage geht es.“ Um da auf der rechtlich sicheren Seite zu sein, hält Tim Evertz externe Unterstützung für sinnvoll. Das gilt auch für das Thema Ausbildung. Evertz würde gerne einen Lehrling einstellen. „Da haben wir einen gesetzlichen Jugendarbeitsschutz. Minderjährige dürfen nicht mehr als acht Stunden am Tag und 40 Stunden in der Woche arbeiten, wozu auch die Berufsschule zählt. Da müsste ich ihn immer frühzeitig von den Baustellen abholen oder er hätte einen zusätzlichen freien Tag zum Lernen. Mal sehen, wie da eine Lösung aussehen kann“, erläutert der Dachdeckermeister die Problemlage.
Großes Medienecho sorgt für viele Bewerbungen
Ein sehr positiver Effekt der Einführung einer 4-Tage-Woche ist das Medienecho. So war es auch bei Tim Evertz. Das WDR-Fernsehen mit der Lokalzeit und die Rheinische Post als die große Tageszeitung in der Region Düsseldorf berichteten über den Betrieb. „Ich konnte mich kaum vor Bewerbungen retten“, erinnert sich Tim Evertz. „Und ich konnte zwei neue Mitarbeiter gewinnen, die sich gut eingelebt haben. Ein Geselle und ein Helfer, der jetzt gerade seine Gesellenprüfung nachholt. Dabei waren nicht alle Bewerber passend. „Denn es braucht natürlich schon mehr Motivation für den Job bei uns, als nur Freitag nicht arbeiten zu wollen“, stellt Tim Evertz klar.
Betrieb übernommen ohne Probleme
Der heute 27-Jährige startete 2013 seine Ausbildung und arbeitete nach der Gesellenprüfung ein halbes Jahr auf Montage im industriellen Hallenbau. Danach ging Tim Evertz wieder zurück in den Lehrbetrieb und machte 2019 den Meister. „Die Fachteile drei und vier habe ich in Vollzeit absolviert, die anderen vorher berufsbegleitend.“ Zurück im Betrieb wollte er weiter praktische Erfahrungen auf den Baustellen sammeln, arbeitete aber auch schon zwei Tage im Büro mit. „Ende 2020 habe ich den Betrieb übernommen. Der Chef ging in Rente, es gab einen fließenden Übergang“, erläutert Tim Evertz. Stolz ist er darauf, dass der Altgeselle bei ihm geblieben und immer noch da ist, der ihn früher angelernt hatte.
Zufrieden mit der Selbstständigkeit
Unterm Strich läuft es gut mit dem eigenem Betrieb. „Wir machen vor allem Instandhaltung und energetische Sanierung, querbeet, Neubau nicht. Die Auftragslage ist sehr gut, 2024 sind die Bücher schon voll“, so Tim Evertz. Sehr hilfreich sei es, dass der Betrieb Hausverwaltungen und Architekten als Stammkunden gewonnen habe. PV-Anlagen realisiert der Betrieb auch, aber nur in Kooperation mit einem Elektriker, über den die Aufträge kommen. „Wir übernehmen nur die Montage auf dem Dach.“ Tim Evertz reicht das. „Wir brauchen schon in anderen Bereichen viel Know-how, da muss ich den Kunden nicht auch noch PV-Anlagen aus einer Hand anbieten.“
Wenn es sich ergibt, möchte Tim Evertz weiter wachsen mit dem Betrieb. „Ich lege es aber nicht darauf an“, erläutert der Dachdeckermeister. „Bei unserer jetzigen Größe kann ich eigenständig alles gut überblicken und vernünftig planen.“
Sie interessieren sich für das Thema neue Arbeitszeitmodelle? Dann lesen Sie unseren Bericht, in dem Handwerksexperten die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten beleuchten.