Berg Dach+Schiefer: 4-Tage-Woche läuft bestens
1. August 2024
Montage-Baustellen in weit entfernten Städten, Übernachtungen, stundenlange An- und Abfahrten am Montag und Freitag – das schlaucht Chef und Mitarbeiter gleichermaßen. Weil Kräfte nicht unendlich sind, arbeitet der Handwerksbetrieb Berg Dach+Schiefer aus Erden an der Mosel seit 2021 endgültig in einer 4-Tage-Woche. Lesen Sie hier, wie der Versuch zum Erfolgsmodell wurde.
Längere Fahrten mit dem Wohnmobil
Mario Michels und seine Frau sind begeisterte Wohnmobilisten. Mal über das Wochenende wegfahren: traumhaft und eine willkommene Abwechslung zum Alltag. Der Dachdecker aus dem rheinland-pfälzischen Kröv kann sein Hobby seit drei Jahren einen Tag länger auskosten – denn er muss am Freitag nicht mehr arbeiten. „In meinem Alter ist das schon vorteilhaft“, sagt der 54-Jährige. „Meine Frau hat oft freitags frei und wir haben etwas mehr voneinander als früher.“
Vier-Tage-Woche mit voller Stundenzahl
Das heißt nicht, dass der seit 2023 bei der Dachdeckerei Berg Dach+Schiefer beschäftigte Fachmann weniger arbeitet. Die 40-Stunden-Woche gilt für ihn und seine Kollegen weiterhin. Morgens geht es früher los, abends wird länger gearbeitet. „Man kommt halt von Montag bis Donnerstag später nach Hause. Das ist der Preis“, sagt Chef Markus Berg.
Spezialist für Schiefereindeckung
Er hat 2013 den 1987 von Kurt Haag gegründeten Betrieb übernommen. Mitten im Moseltal gelegen, 50 Kilometer von Trier und 100 Kilometer von Koblenz entfernt, hat sich das Unternehmen zum anerkannten Fachbetrieb für denkmalgeschützte Bauten entwickelt. Die Spezialität ist die Schiefereindeckung, die Berg Dach+Schiefer detailversessen in höchster Qualität abliefert. Im November 2019 erhielt das Unternehmen dafür sogar den Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege. Ausgezeichnet wurde die erstklassige Arbeit bei der Sanierung der Villa Micka in Saarbrücken.
Mitarbeitern nicht zumuten, was einen selbst genervt hat
Über Aufträge braucht sich Berg Dach+Schiefer keine Sorgen zu machen – auch aus entfernteren Regionen. Schließlich hat sich herumgesprochen, dass in Sachen Schiefer niemand dem Betrieb etwas vormacht. Doch entfernte Montagearbeit bedeutet lange Fahrten, Übernachtungen, spätes Heimkommen am Freitagabend. „Das hat mich in meiner Zeit als Angestellter immer genervt – selbst wenn wir freitags auf der Baustelle nur noch sauber gemacht haben und mittags gefahren sind. Es wurde dann manchmal doch spät am Freitag und das Wochenende kam uns immer zu kurz vor“, erinnert sich Markus Berg.
„Donnerstagabend wieder in Erden!“
Deshalb machte er selbst es in seinem Unternehmen von Beginn an anders: „Nur vier Tage in der Woche auf Montage – Donnerstagabend wieder zurück in Erden“, lautete die Devise. Die „Daheimgebliebenen“ arbeiteten allerdings wie gehabt fünf Tage durch. „Aber dann haben wir auch für diese Mitarbeiter langsam die 4-Tage-Woche eingeführt“, erinnert sich Ehefrau Anne Berg, die als Managerin im Dachdeckerhandwerk den Laden schmeißt, während ihr Mann oft vor Ort die Baustellen organisiert.
„Das passierte natürlich nicht von jetzt auf gleich, sondern in intensiven Gesprächen mit den Mitarbeitern und dann Schritt für Schritt“, berichtet Anne Berg. So konnten beispielsweise einige Mitarbeiter, die wegen schulpflichtiger Kinder früher zu Hause sein mussten, nicht sofort mitmachen. Inzwischen haben die Montagefahrten deutlich abgenommen – denn die positive Entwicklung des Unternehmens und der gute Ruf führten dazu, dass die meisten Aufträge mittlerweile aus der Mosel-Region kommen.
Drei Tage frei ermöglicht mehr Flexibilität
Auch der 29-Jährige Mitarbeiter Benjamin Ehses sieht sich als Profiteur der 4-Tage-Woche: „Das Wochenende ist länger, ich habe mehr Zeit für meine Familie“, sagt der junge Vater. Wenn seine Frau beispielsweise freitags ihre Rückbildungsgymnastik macht, ist er für die kleinen Kinder da. „Man kann auch seine privaten Termine flexibler planen, ohne Urlaub nehmen zu müssen – ob es nun um den Einkauf, das Auto oder Erledigungen auf dem Amt geht. Auch für schöne Ausflüge ist mehr Zeit da. Dafür nehme ich die vier längeren Tage vorher gerne in Kauf.“
Seit 2024 voll und ganz Betrieb mit 4-Tage-Woche
Seit Anfang 2024 ist Berg Dach+Schiefer endgültig vollumfassend als Betrieb mit 4-Tage-Woche aufgestellt. „Das heißt, auch Urlaubs- und Krankheitstage werden nur von Montag bis Donnerstag gerechnet“, erklärt Anne Berg. „Wir fangen jetzt um 6 Uhr morgens an, gearbeitet wird dann bis 16.30 Uhr. Im Schnitt kommt noch eine Stunde Rückfahrt dazu, so dass in der Regel gegen 17.30 Uhr hier am Lager dann Feierabend ist.“ So sieht ein Arbeitsalltag in der 4-Tage-Woche aus.
Den Nachwuchs Freitag von der Schule abholen
Die einzigen, die davon nicht in vollem Umfang profitieren, sind die Chefs selber. „Schön wär’s“, antwortet Büromanagerin Anne Berg mit einem Lachen auf eine entsprechende Frage. Weil das Paar mit den beiden acht- und zehnjährigen Jungen Ben und Leon zwei Kinder hat, arbeitet Anne Berg nur halbtags – „und weil in einem erfolgreichen Betrieb nun mal viel Arbeit auf dem Tisch liegt, sitzt mein Mann auch freitags und samstags im Büro.“ Trotzdem profitiert auch die Inhaber-Familie von der 4-Tage-Woche: In Ruhe mit Ehefrau und den Jungs frühstücken, das lässt sich der Vater an diesen beiden Tagen nicht nehmen – oder er holt den Nachwuchs freitags von der Schule ab.
Vier von fünf Handwerkern können sich 4-Tage-Woche vorstellen
Im weiteren Umkreis von Erden ist Berg Dach+Schiefer der einzige Handwerksbetrieb weit und breit, der die 4-Tage-Woche anbietet – „jedenfalls soweit ich weiß“, so Anne Berg. Es gäbe einige wenige Unternehmen, die eine 4,5-Tage-Woche haben oder es „mit jedem zweiten Freitag frei“ versuchen würden. Dabei ist das Arbeitszeitmodell durchaus attraktiv: In einer nicht repräsentativen Umfrage der Meisterwerk-App vom Februar 2023 können sich 82 Prozent der befragten Handwerker eine Vier-Tage-Woche vorstellen.
Attraktives Modell gerade für den Nachwuchs
Beim bestens ausgelasteten Berg-Unternehmen – ein Mitgliedsbetrieb der DEG Alles für das Dach eG, Niederlassung Trier – wird durch das Arbeitszeitmodell auch die Fachkräfte-Anwerbung leichter. „Wir bekommen jetzt auch Bewerbungen nicht nur aus der Region, sondern ‚von weiter weg‘. Das Modell ist für viele jüngere Leute durchaus attraktiv. Sie verdienen ja nicht weniger, sondern verteilen die Arbeitszeit nur anders. Auch so kann eine bessere ‚Work-Life-Balance‘ gelingen“, ist Markus Berg überzeugt. Die vielen attraktiven Projekte, die der Schieferspezialist bearbeitet, tun ihr Übriges: In Trier ist Berg Dach+Schiefer derzeit für 2000 Quadratmeter Dacheindeckung beim Max-Planck-Gymnasium verantwortlich, in Saarbrücken an der Eindeckung der Kirche St. Johann beteiligt.
Im entfernteren Bonn hat die mittlerweile auf 15 Beschäftigte angewachsene Firma demnächst wieder eine Montagebaustelle: den Turm der St.-Sebastian-Kirche. „Dort arbeiten wir natürlich wie gehabt: Gut, aber nur an vier Tagen in der Woche“, schmunzelt der Firmenchef.
Sie interessieren sich für das Thema 4-Tage-Woche? Dann lesen Sie hier, welche Erfahrungen der junge Dachdeckermeister Tim Evertz damit macht.
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