Gottlieb Bedachung: Senior-Mitarbeiter Heinz Reuter
1. November 2022
Mit Alter kommt Weisheit – zumindest oft. Fürs Dachhandwerk noch wichtiger sind aber Erfahrung und Kenntnisse, die ein Mitarbeiter jenseits der 60 mitbringt. „Schlicht unbezahlbar“, weiß Patrick Gottlieb, Chef von Gottlieb Bedachung in Hohenstein. „Bis ein Geselle derart Bescheid weiß und so breit eingesetzt werden kann, dauert das lange.“ Der 63-jährige Senior unter seinen Angestellten, Heinz Reuter, hat aber nicht nur deshalb einen besonderen Platz in seiner Firma: „Er ist unser Trickser für die Details und als Urgestein des Dachhandwerks in der Region ein Pfeiler unseres Betriebes und der Nachwuchsausbildung.“
Gründungsgeselle der zweiten Stunde
Der Dachdeckergeselle kam bereits ein Jahr nach der Gründung als Verstärkung ins Team. Denn nachdem der Mitgliedsbetrieb der DEG Alles für das Dach eG 2004 das Licht der Welt erblickte, kaufte Patrick Gottlieb 2005 die Reuter bis dahin beschäftigende Firma auf. So kam er unter die Fittiche seines heutigen Chefs: „Oder eher ich unter seine“, scherzt Gottlieb. „Als Heinz Reuter seine Ausbildung beendete, war ich ein Jahr alt“, blickt der 45-Jährige auf das Jahr 1978 zurück.
Herausforderung ältere Mitarbeiter
Der Dachdeckermeister aus Hessen möchte auf alle Fälle den heute als Vorarbeiter eingesetzten Dachexperten nicht mehr missen. Obschon sein Alter nicht nur für Heinz Reuter Herausforderungen mit sich bringt, sondern auch für das Unternehmen. Als Dachdecker mit über 60 Jahren noch zu arbeiten, ist für viele gewerbliche Mitarbeiter unmöglich: Oft beenden Krankheiten, Verletzungen der Muskulatur oder schlicht Verschleiß an Gelenken oder Knochen die Karriere auf dem Dach vorzeitig. Was den Betrieben Top-Arbeitskräfte und den Neu-Rentnern ein mitunter geliebtes Tageswerk nimmt.
Gottlieb Bedachung: Gemeinsam mit Veränderungen umgehen
Damit dieser Zeitpunkt möglichst weit nach hinten geschoben werden kann, plädiert Patrick Gottlieb für einen angepassten Umgang. Hiernach sollen die Aufgaben – soweit es geht – auf den älteren Mitarbeiter zugeschnitten werden. „Nur so können wir gemeinsam mit den Veränderungen umgehen, die das Alter mit sich bringt. Die Mitarbeiter werden ja nicht per se schlechter“, stellt er klar. „Sie müssen nur angepasst eingesetzt werden.“ Es sei schlicht illusorisch, von einem 50-, oder gar 60-Jährigen zu erwarten, dieselben körperlichen Tätigkeiten ähnlich schnell wie ein 30-Jähriger zu erledigen. „Heinz Reuter rennt nicht mit den jüngeren Gesellen jeden Weg, sondern übernimmt als Vorarbeiter Aufgaben, für die er ideal ist.“
Doch dabei geht es eben auch nicht nur um das Tempo, das angeschlagen werden kann, sondern vor allem auch darum, ob es körperlich sinnvoll ist. Beispiel: schwere Lasten. Die moderne Technik lasse hier viele einstmals die Muskeln und Knochen strapazierenden Tätigkeiten, wie das Hinaufschleppen von Ziegeln über Leitern, seltener nötig werden. „Vieles wird abgenommen oder zumindest erleichtert“, verweist der 45-Jährige auf Gerüste mit Treppenaufgängen, Außenaufzüge und auf Kräne.
Füße mögen Vielfalt
„Aber Bewegung hält ja auch fit, es muss nur die richtige Art sein“, weiß der 63-jährige Reuter. Und außerdem, ab und an packe er schon gerne selber mit an. Denn nicht allein die Schwere der Arbeit stresst Muskeln und Gelenke, sondern auch einseitige Belastungen und Monotonie. Und ein Dach-Wechsel hilft dabei. „Mal ein Steildach, mal ein Flachdach, möglichst ausgeglichen“, wünscht es sich Reuter. „Die körperliche Belastung ist anders je nach Art des Daches, vor allem die Füße mögen die Vielfalt im Schichtplan.“ Der Dachdecker-Körper brauche halt beide Spielarten des Handwerks. Und jegliche Unbill des Jobs kann auch Patrick Gottlieb seinem Mitarbeiter wahrlich nicht ersparen: Das Wetter mit all seinen Kapriolen bleibt.
Fachwissen und Erfahrung als Trumpf
Denn das Berufsbild als Dachdecker ist wesentlich technischer geworden. „Viel Bauphysik und verwandte Bereiche, für die es Übersicht braucht, um Erfahrung und Fachwissen an der richtigen Stelle anzubringen“, schildert Gottlieb. „Und Heinz Reuter ist dafür zuständig aufzupassen, dass die Jüngeren die Arbeiten schnell richtig machen.“ So profitieren alle von seiner Expertise, ohne dass dieser in seinem Alter unnötige Risiken eingehen muss. Und handwerklich hat er einen klaren Favoriten: „Schieferarbeiten, zum Beispiel an alten Kirchen. Das ist mein Liebling“, so Reuter.
Fort in die Rente, aber nicht fort vom Hof
Ende Mai 2023 wird Heinz Reuter in die verdiente Rente gehen. „Ich werde mich aber nicht langweilen, ich habe genügend Enkel“, freut er sich und sein Chef wirft lachend ein: „Da ist er schon fest verplant.“ Sollte der freiwillige Neu-Rentner allerdings Sehnsucht verspüren, findet er seine dann ehemaligen Kollegen ganz in der Nähe: „Ich wohne 50 Meter von der Firma entfernt, also werde ich sicher ab und an mal vorbeischauen.“ Und den ein oder anderen guten Rat kann er dem Nachwuchs sicher auch dann bei einem Kaffee geben – als Mensch sowie als erfahrener Dachdecker. Und Nachwuchs gibt es reichlich, denn bei Gottlieb Bedachung sind unter den 45 Mitarbeitenden acht Azubis.
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