Neue Gerüstbau-Regel nimmt Dachdecker in die Pflicht
9. April 2019
Mit Stand Januar 2019 liegt das für Gerüstbauer und Gerüstnutzer verbindliche Regelwerk TRBS 2121 Teil 1 aktualisiert vor. Trotz ihrer Mitwirkung zeigen sich die Bundesinnung Gerüstbau und der Bundesverband Gerüstbau mit dem Ergebnis nicht voll zufrieden. Ein „ganzheitlicher Ansatz zur Verbesserung der Arbeitssicherheit fehlt“, heißt es auf der offiziellen Website. Tatsächlich fällt auf, dass im Vergleich zur vorherigen Variante dieses Regelwerks nun einige Gerüstvarianten aus dem Anwendungsbereich herausgenommen wurden. Dabei handelt es sich etwa um fahrbare Arbeitsbühnen, Tragkonstruktionen und Bockgerüste.
Gerüstbau-Regel: Dachdecker muss Funktionsfähigkeit selbst kontrollieren
Eine für Dachdecker, Zimmerer und Spengler wichtige Neuerung der TRBS 2121 Teil 1 ist die klare Trennung zwischen dem Gerüsthersteller, also dem Gerüstbauer und dem Gerüstnutzer. Das Kapitel 4.3 enthält nun zahlreiche Vorgaben zum Gebrauch des Gerüstes. Im neuen Regelwerk heißt es ausdrücklich: dass sich die Nutzer nach Übernahme vom Gerüsthersteller eigenverantwortlich um den sicheren Gebrauch und Betrieb kümmern müssen. Konkret wird auf die Inaugenscheinnahme und Funktionskontrolle durch den Gerüst nutzenden Betrieb verwiesen. Dieser muss dann eine qualifizierte Person hiermit beauftragen.
Beim qualifizierten Prüfer kann es sich um einen Gerüstbaumontageleiter oder Gerüstbaumeister handeln. Auch wenn dieser vom Gerüstbauer selbst beauftragt wird, entbindet dies Dachdeckerbetriebe und weitere Nutzer allerdings nicht von der Inaugenscheinnahme. Im Regelwerk heißt es wörtlich: „Wird das Gerüst von mehreren Arbeitgebern gleichzeitig oder nacheinander gebraucht, hat jeder Arbeitgeber sicherzustellen, dass die vorgenannte Inaugenscheinnahme durchgeführt wird.“
Gerüstbau-Regel: Kennzeichnung und Prüfprotokoll vorhanden?
Im Rahmen der sogenannten Inaugenscheinnahme muss der Dachdeckerbetrieb prüfen und sicherstellen, inwieweit das vorhandene Gerüst für die auszuführenden Arbeiten geeignet ist. Und ob die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen vorhanden sind. Eine Kennzeichnung und ein Prüfprotokoll des Gerüstherstellers – also des ausführenden Gerüstbausunternehmers – dienen hier als Anhaltspunkt. Allerdings ist die Sicherheit des Gerüsts nach besonderen Ereignissen wie Unwettern erneut zu prüfen.
Neben der Standfestigkeit und Tragfähigkeit steht für nutzende Betriebe die Prävention von Abstürzen an erster Stelle der Arbeitssicherheit. Laut TRBS 2121 Teil 1 müssen ab einer potenziellen Fallhöhe von 0,30 Metern Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz ergriffen werden. Für den Gerüstnutzer gilt dabei wie für den Gerüstbauer die Rangfolge: erst Absturzsicherung, dann Auffangeinrichtung und erst danach persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA).
Gerüstbau-Regel: Sicherung über Seitenschutz erforderlich
Ein Grundsatz der Arbeitssicherheit ist das TOP-Prinzip. Hiernach sollten zunächst Technische Maßnahmen, dann alternativ Organisatorische Maßnahmen und als letzte Variante Personenbezogene Maßnahmen ergriffen werden. Für die Absturzsicherung auf dem Gerüst bedeutet das vereinfacht: Seitenschutz als Kollektivschutz geht vor. Dies bildet auch die überarbeitete TRBS 2121 Teil 1 ab. Wörtlich heißt es hier: „Jede Gerüstlage, die als Arbeits- und Zugangsbereich genutzt werden kann, muss während des Gebrauchs durch den Gerüstnutzer durch Seitenschutz gesichert sein.“ Nur wenn es für die Ausführung einer besonderen Arbeit erforderlich ist den Seitenschutz zu entfernen, können Auffangeinrichtungen wie Schutznetze und Schutzgerüste eingesetzt werden. Erst in letzter Instanz ist die Verwendung persönlicher Schutzausrüstung empfohlen.
Gerüstbau-Regel: Dachdecker dürfen keine Umbauten vornehmen
Zu den nun explizit genannten Pflichten des Gerüstnutzers gehört nach dem neuen Regelwerk auch, dass Umbauten vermieden und festgestellte Veränderungen dem verantwortlichen Gerüstbauunternehmen gemeldet werden müssen. Der Aus- oder Umbau von Bauteilen, insbesondere von solchen, die der Arbeitssicherheit dienen, hat „grundsätzlich durch einen Gerüsthersteller zu erfolgen“, wie es wortwörtlich heißt.
Für die Bundesinnung Gerüstbau und den Bundesverband Gerüstbau greift der rein technische Ansatz des neuen Regelwerks in der Praxis zu kurz. Ergänzend empfehlen sie Gerüstbaubetrieben die Einführung und Nutzung eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS), auf dessen Grundlage die Arbeitssicherheit auf der Baustelle ganzheitlich betrachtet und gesteigert wird. Von den Vorteilen eines gut organisierten Arbeitsschutzes profitieren auch Dachdecker, denn mit einem AMS lassen sich technische Lösungen, Sicherheitsunterweisungen, Gefährdungsbeurteilungen und weitere Arbeitsschutzaspekte gleichermaßen erfassen und realisieren. Zu den bekanntesten Lösungen zählt das AMS Bau, das die BG Bau ihren Mitgliedern zur Verfügung stellt.
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