Azubis: So finden Dachdecker & Zimmerer die Generation Z
6. Oktober 2020
Bei manch einem hat sich das düstere Bild einer Smartphone-süchtigen Generation Z verfestigt, die sich außer Life-Style-Influencer und YouTube-Star kein Berufsbild mehr vorstellen kann. Im Interview erläutert Hasan Topyürek, warum das so nicht stimmt und wie sich heute qualifizierte Bewerber finden lassen.
DACH\LIVE: Warum sollte ein Dachdecker oder Zimmerer für die Suche nach Azubis auf Sie zurückgreifen?
Hasan Topyürek: Mit meinem noch jüngeren Partner Kaan Yusein habe ich mich auf das Recruiting in genau der Generation spezialisiert, aus der wir kommen. Für Unternehmen aus dem Handwerk ist das eine sehr wertvolle Schnittstelle, weil wir junge Menschen sehr einfach erreichen. Und wir können mit den Möglichkeiten der sozialen Medien auch genau die Personen und Charaktere herausfiltern, die zu einer bestimmten Stellenausschreibung oder einem Ausbildungsplatz passen.
Ich hatte diese Dienstleistung nebenberuflich schon während meiner Schulzeit angeboten, allerdings zunächst für Großunternehmen. Dabei ist mir aufgefallen, dass Handwerksbetriebe die sozialen Medien fast überhaupt nicht zur Gewinnung von Azubis und Fachkräften nutzen. Obwohl Nachwuchs gerade dort so dringend gesucht wird.
DACH\LIVE: Müssen Sie mit Vorbehalten aufgrund Ihres Alters kämpfen?
Hasan Topyürek: Nicht wirklich. Vielleicht filterten uns manche Interessenten aus, wenn sie auf unserer Website unser Alter recherchieren. Aber das bekommen wir ja nicht mit. Unsere Kunden, zuletzt ein Dachdecker hier aus Rheinland-Pfalz, sind da offen. Sie verstehen, dass unsere Zugehörigkeit zur Generation Z ja genau unsere Stärke ist. Wir erreichen Bewerber auf eine sehr authentische Weise und sondieren zugleich sorgfältig aus, sodass wir wirklich qualifizierte und motivierte Bewerber vermitteln können. Man könnte auch sagen: Wir wissen, wie und wo man heute die richtigen Impulse setzt, um Menschen auf ein ganz bestimmtes Unternehmen oder einen konkreten Arbeitgeber aufmerksam zu machen.
DACH\LIVE: Wie genau funktioniert die Personalvermittlung bei Ihnen?
Hasan Topyürek: Der Trick ist natürlich, relevante Bewerber zu finden und diese erst einmal auf die jeweilige Stelle aufmerksam zu machen. Bei dem genannten Dachdeckerbetrieb etwa waren zwei Positionen zu besetzen, ein Ausbildungsplatz zum Dachdecker und eine Stelle für einen Dachdeckergesellen. Wir haben dafür eine einmonatige Kampagne auf Facebook und Instagram gestartet, bei der geeignete Bewerber angesprochen und gefiltert wurden.
Das hat sehr gut funktioniert. Aus Hunderten von Anfragen konnten wir nach kaum zwei Wochen bereits zehn Bewerber für die Stelle als Azubi und drei für die Gesellenstelle an unseren Kunden vermitteln. Wir berechnen dabei nur unseren Aufwand, kalkuliert an der Aufgabe zwei Stellen zu besetzen. Wir berechnen keine Tarife abhängig von der Bewerberzahl oder den finalen Einstellungen. Dadurch bleibt das Preisgefüge fair und ist für Handwerksbetriebe auch kosteneffizient.
DACH\LIVE: Führen Sie viele Gespräche für die Vorauswahl der Azubis?
Hasan Topyürek: Gar nicht, wir haben einen eigenen Bewerbungsprozess entwickelt. Wir nutzen dafür eine für mobile Geräte optimierte Website, auf der potenzielle Bewerber in wenigen Schritten durch einen auf die jeweilige Stelle zugeschnittenen Fragenkatalog geführt werden. Das dauert kaum eine Minute. Es führt aber zu genau den zentralen Antworten und Informationen, die in einem deutlich zeitaufwändigeren Bewerbungsverfahren ebenfalls abgefragt würden.
Unsere Kunden können nach der Kontaktaufnahme mit den Bewerbern dann selbst entscheiden, ob sie für die finale Stellenbesetzung noch umfangreiche Lebensläufe oder Bewerbungsanschreiben benötigen. Der Trick ist aber natürlich, relevante Bewerber zu finden und diese erst einmal auf die jeweilige Stelle aufmerksam zu machen.
DACH\LIVE: Das klingt unkompliziert, warum macht das nicht jeder?
Hasan Topyürek: Auf der einen Seite ist das natürlich nur dann unkompliziert, wenn man sich mit diesen Tools gut auskennt. Ich glaube, viele Menschen, die soziale Medien selbst eher wenig oder gar nicht nutzen, haben einfach kein Bild davon, wie Facebook und andere Netzwerke funktionieren und wie sie genutzt werden. Nicht jeder junge Mensch will sich hier permanent in Szene setzen, auch wenn das ein verbreitetes Vorurteil ist.
Hinzu kommt, dass auch offene und technikaffine Unternehmer neben der Betriebsführung kaum Zeit finden, eine Recruiting-Kampagne zu erarbeiten und zu überwachen. Für Großkonzerne ist das kein Problem. Die setzen vielleicht sogar die eigene Personalabteilung dafür ein. Aber in einem Handwerksbetrieb mit wenigen Mitarbeitern, bei dem ohnehin schon alle übergeordneten Geschäftsprozesse in der Hand des Inhabers liegen, sind dafür schlichtweg keine Ressourcen übrig. Genau deshalb haben wir uns mit Genzy auch auf das Handwerk spezialisiert.
DACH\LIVE: Wie gehen Sie mit Vorbehalten gegenüber der Generation Z und sozialen Medien um?
Hasan Topyürek: Ich denke, man darf hier einfach nicht alle jungen Menschen über einen Kamm scheren. Ich denke schon, dass der Wunsch nach einer ausgewogenen Life-Work-Balance in meiner Generation insgesamt ausgeprägter ist. Aber es gibt auch sehr arbeitswütige, karriereorientierte Charaktere. Ich bin jedenfalls fest davon überzeugt, dass sich für jeden Ausbildungsplatz und jede vakante Stelle der passende Mensch findet, der die Position gut ausfüllt.
Und auch für die sozialen Medien würde ich mir mehr Offenheit wünschen. Gerade ältere Unternehmer verstehen nicht, dass sie nicht ihr Mittagessen posten müssen, um Mitarbeiter auf Facebook zu finden. Viele Menschen haben da ein falsches Verständnis. Man braucht auch keine Follower oder muss täglich irgendwelche Inhalte teilen. Bezahlte Werbeanzeigen sind hier viel zielgerichteter und effektiver, wenn man eine klar eingegrenzte Personengruppe ansprechen will – beispielsweise zur Besetzung von freien Stellen als Azubis oder Gesellen.
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