Dachdecker lädt Bewerber zum Joggen ein
11. August 2020
Der Mann ist nicht auf den Mund gefallen und weiß, wie er Aufmerksamkeit wecken kann. „Es geht einfach darum, zu zeigen: das bist du“, sagt Dachdeckermeister Sascha Kloss dazu, der im Betrieb Phillipp Haustechnik in Bielefeld für alle Aufträge im Bereich Dach zuständig ist. „Und ich will die Fahne hochhalten für das Handwerk.“ Offensiv präsentiert Kloss sich und den Betrieb in den Medien und bei Instagram. Sein Leitspruch dazu stammt von Jörg Mosler, der früher als Dachdecker einen Betrieb führte und inzwischen ein gefragter Experte für Nachwuchswerbung im Handwerk ist. Der Satz lautet: „Man kann nur für mich arbeiten, wenn man mich sieht.“ Eigentlich eine Binsenweisheit, doch noch immer sind viele Dachdecker-Betriebe für Jugendliche weitgehend unsichtbar und warten deshalb immer öfter vergeblich auf Bewerber für Lehrstellen.
Dachdecker geht ungewöhnliche Wege bei Nachwuchswerbung
Sascha Kloss gehört nicht dazu. Für ihn gehört das Trommeln ganz selbstverständlich zum Handwerk. „Ich brauche keine Krone, Rücken gerade machen und hinstellen“, lautet seine Devise. Seine Sprache ist klar und schnörkellos. Vor kurzem lud er in einem kurzen, kernigen Videostatement Jugendliche ein, mit ihm am Sonntag Joggen zu gehen, also ihre Fitness zu beweisen, und danach mit ihm über einen Ausbildungsplatz zu sprechen. „Da ist so spontan natürlich keiner gekommen, gehört ja auch viel Mut dazu. Aber die Resonanz auf Instagram war mega“, berichtet Kloss. Er kann sich darüber freuen, wenn er wieder einen rausgehauen und sich ins Gespräch gebracht hat. „Andere Kollegen lehnen sich aus dem Fenster, weil sie keine Auszubildenden mehr finden, tun aber nichts“, meint Kloss und macht es anders. „Es gilt, sich was zu trauen, neue Wege zu gehen, auch mal anzuecken.“
Dachdecker kandidiert als Mister Handwerk 2021
Schlaue Werbung in eigener Sache hat Kloss auch mit seiner Kandidatur für den Wettbewerb Mister Handwerk 2021 gemacht. Dort bewerben sich sonst nur deutlich jüngere Männer als der 47-Jährige. Bis 4. August konnte online für die Kandidaten gevotet werden, auch mehrmals von den gleichen Leuten. So ergibt sich ein Stimmungsbarometer als erstes Ranking, das wenig Aussagekraft hat, bevor eine Jury die Endauswahl macht. „Ich selbst möchte Follower, die ein Standing haben und einmal für mich voten. Wenn Kollegen mit Reputation in den sozialen Medien mich unterstützen, dann bin ich zufrieden.“ Auf Instagram hat er das Thema in mehreren Posts bespielt. Zudem haben die Medien seine ungewöhnliche Bewerbung vielfach aufgegriffen. Beide lokalen Tageszeitungen in Bielefeld, ein Radiosender und der WDR mit einem TV-Beitrag berichteten über Kloss – kostenlose Werbung für den Betrieb, das Gewerk Dachdecker und das Handwerk allgemein.
Coole Posts: über Instagram die Jugendlichen erreichen
Kloss will einstehen für das, was er macht. Und dafür investiert er auch Zeit. „Die Arbeit auf dem Dach kann man doch sehr gut in Bilder oder kurze Videos fassen. Da lassen sich schöne, emotionale und humorvolle Aufnahmen machen, auch mit der Drohne.“ Und so wird er mit dem Betrieb sichtbar für potenzielle, neue Mitarbeiter. Die wissen über die klassischen und sozialen Medien, was sie bei Philipp Haustechnik als Dachdecker erwartet. Wer der Chef ist, wie das Team arbeitet. „Wir bekommen auf Instagram viel Zuspruch gerade auch von den jungen Leuten. Es gibt mehr Anfragen für Praktika und aktuell hatten wir viele Bewerbungen für das gerade gestartete Ausbildungsjahr“, sagt Kloss. Doch bislang hat der Dachdeckermeister noch nicht den passenden Kandidaten gefunden. „Wir wollen auch keinen auf Krampf. Ein neuer Azubi muss ins Team passen wie die bisherigen.“
Kloss klagt aber nicht über fehlende Qualität der Bewerber, er nimmt die Dinge, wie sie kommen. Was ihn ärgert, ist eher die gesellschaftliche Grundstimmung. „Es müssen nicht alle studieren.“ Und Kloss versteht auch nicht, warum Eltern wollen, dass ihre Kinder immer auf das Gymnasium sollen. „Mir ist der Abschluss doch egal, ob Hauptschule oder Sonderschule. Was wir doch auch brauchen, das sind Indianer und nicht nur Häuptlinge.“ Indianer auf dem Dach, um im Bild zu bleiben, die gerne, geschickt und kraftvoll mit ihren Händen und ihrem Körper arbeiten wollen.
Dachdecker zeigt seinen Stolz auf die Arbeit und sein Team
Sein Top-Team ist für Kloss die Basis des Erfolgs. „Die meisten arbeiten schon zehn, 15 Jahre bei uns. Einige sind auch wiedergekommen, nachdem sie mal weg waren“, erklärt der 47-Jährige. Er hat selbst bei Philipp Haustechnik gelernt und ist seitdem an Bord – mittlerweile 31 Jahre. Kloss lebt das vor, diese Kontinuität, als angestellter Meister. Und er weiß: „Man muss was anbieten, gute Fachleute können sich die Jobs aussuchen.“ Geld muss bezahlt werden, klar. Zudem gibt es professionelle Arbeitskleidung, Werkzeug und Fahrzeuge. „Und wir machen auch mal ein Event am Wochenende. Es gilt viele kleine Stellschrauben zu drehen, damit die Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen und motiviert sind.“
Eine weitere Idee für den Teamzusammenhalt ist der bereits erwähnte sonntägliche Lauftreff. Der hat sich längst etabliert bei den Mitarbeitern. Kloss selber hält sich auch körperlich gerne in Bewegung, ist fit, auch wenn er inzwischen vor allem die Kundentermine und die Büroarbeit macht. Er ist der Frontmann, der gerne und gut reden kann. Jetzt will er Mister Handwerk werden, aber ohne zu großen Ehrgeiz. „Wenn es nicht klappt, werde ich nicht weinen. Das Wichtigste ist, nach außen Stolz zu zeigen auf die eigene Arbeit.“
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