Beste Chancen für Dachdecker als Klimahandwerker
11. April 2023
Die Zeit ist reif für die Dachdecker, ihr Handwerk als einen angesagten Beruf für Jugendliche und Fachkräfte gegenüber Politik und Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf der Internationalen Handwerksmesse in München wurden jüngst auf Einladung des Bundeswirtschaftsministeriums an einem gemeinsamen Stand mit den Elektrikern PV-Anlagen in Anwesenheit von Minister Robert Habeck (Grüne) vorgeführt. Und sogar die Bewegung Fridays for Future zeigt Interesse an Gespräch und Kooperation. Klimahandwerker sind angesagt.
Klappern gehört sich für Klimahandwerker
Klappern gehört zum Handwerk – sollte man denken. Doch trotz zahlreicher Aktivitäten auf Ebene der Verbände scheint bei vielen Dachdeckerbetrieben noch nicht wirklich angekommen zu sein, welche Chancen Klimaschutz und Energiewende ihnen über die vielen Aufträge hinaus bieten. Es sind vor allem die jungen Menschen, die sich mit den Folgen des Klimawandels für ihr Leben und das ihrer zukünftigen Kinder konfrontiert sehen. Und viele von ihnen wollen das nicht länger hinnehmen, wollen selbst ihren Teil zu einem gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit auf allen Ebenen beitragen.
„Demonstrieren ist gut, installieren ist besser“
Dass junge Menschen dies als Dachdecker tun könnten, wissen aber noch zu wenige von ihnen. Der ehemalige Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, brachte es auf die Formel „demonstrieren ist gut, installieren ist besser“. Energetische Sanierung von Dach und Fassade, PV-Anlagen und Gründächer – Dachdecker sind Klimaschützer, wie es der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), Dirk Bollwerk, auf den Punkt brachte. Doch die Botschaft Klimahandwerker kommt nur an, wenn jeder einzelne Betrieb sie aktiv und mit Selbstvertrauen nach außen trägt. Es gilt, diese historisch bislang einmalige Chance für ein neues, angesagtes Image zu nutzen, gerade auch in Hinblick auf den Fachkräftemangel, der sich bis 2030 mit dem Ausscheiden vieler erfahrener Gesellen in die Rente noch verschärfen wird.
Rückgang bei Azubis im ersten Lehrjahr
So zeigt ein Blick auf die aktuelle Entwicklung der Ausbildungszahlen im Dachhandwerk, dass die Gewinnung von Lehrlingen kein Selbstläufer ist. Erstmals seit fünf Jahren gibt es wieder einen Rückgang bei den Azubis im ersten Lehrjahr um 5,49 Prozent. „Das ist nicht so erfreulich“, sagt denn auch Rolf Fuhrmann, beim ZVDH verantwortlich für den Bereich Berufsbildung und Geschäftsführer des BBZ Mayen. „Zuvor in Coronazeiten haben wir noch profitiert gegenüber anderen Branchen und uns als krisenfester Beruf gezeigt. Doch dieser Effekt lässt jetzt wieder nach und der demografische Wandel spiegelt sich in den aktuellen Zahlen wider.“
Immerhin mehr weibliche Azubis
Fuhrmann ist überzeugt, dass die meisten Betriebe größten Wert auf das Thema Ausbildung legen. „Das Engagement ist da, aber zugleich nur eine gewisse Auswahl an Bewerbern auf dem Markt.“ Erfreulich ist immerhin, dass die Zahl der weiblichen Azubis weiter ansteigt, wenn auch von einem niedrigen Niveau aus. Es sind jetzt 265, was einem Anstieg um 27,4 Prozent entspricht. Für Fuhrmann stellt sich nach dem aktuellen Rückgang die Frage, ob daraus ein Trend wird oder es doch wieder nach oben geht mit den Ausbildungszahlen.
Trommeln für Klimahandwerker
Auf der Internationalen Handwerksmesse trommelte der ZVDH auf jeden Fall für den Dachdecker als Klimahandwerker. Gemeinsam mit dem Bundesverband der Elektriker (ZVEH) und den zugehörigen Landesverbänden und Innungen war der ZVDH auch auf der Sonder- und Aktionsschau „Young Generation“ vertreten, um die beiden Berufsbilder vorzustellen. In Rheinland-Pfalz startet aktuell die Kampagne „#Klimahandwerk“, mit der das Wirtschaftsministerium und die Handwerkskammern junge Leute begeistern wollen. Nach dem Motto: Aktiv das Klima schützen über die Berufswahl.
Junge Menschen als Klimahandwerker gewinnen
„Das Klimahandwerk ist spannend, mit Drohne und Tablet technisch hoch innovativ und der Schlüssel für das Gelingen der Energiewende“, erklärte Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) vor rund 600 Gästen aus Politik und Handwerk auf der Startveranstaltung. Es sei jetzt entscheidend, junge Leute zu gewinnen, die nicht nur für eine Klimawende demonstrieren, „sondern die im Handwerk mit anpacken und somit Klimaschutz hauptberuflich betreiben.“ Dafür würden die Betriebe ausreichend Klimahandwerker als Fachkräfte benötigen.
Coole Kampagne des Handwerks in Rheinland-Pfalz
Die Kampagne läuft seit Februar auf den Instagram-Kanälen aller vier Handwerkskammern von Rheinland-Pfalz, also dort, wo man die Jugendlichen erreicht. Außerdem wird es Veranstaltungen zum Klimahandwerk in den vier Kammerbezirken geben. Die Kampagne will das ganze Jahr über anhand von Beispielen erzählen, warum Klimahandwerk begeistert, warum sich junge Leute dafür entscheiden, was sie in den Berufen eigentlich genau machen, welche Chancen es dabei gibt und warum Frauen im Klimahandwerk genau richtig sind.
Dachdeckermeister Kurt Krautscheid, Präsident der Handwerkskammer Koblenz, bezeichnete die Kooperation „#Klimahandwerk“ als „erstklassige Chance für das Handwerk, für die Umwelt und für das Land. Wir brauchen dafür junge Menschen, die eine handwerkliche Ausbildung machen und uns als Fachkräfte bei der Umsetzung der Energie- und Klimawende unterstützen.“ Aktiver Klimaschutz lasse sich auch über eine gezielte Berufswahl verwirklichen. „Wir wollen mehr junge Menschen als Klimahandwerker gewinnen. Berufe und Möglichkeiten sind da und wir punkten mit einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten.“
Unerwartete Verbündete: Fridays for Future
Dass die Politik das Thema Klimahandwerker gemeinsam mit den Handwerksverbänden forciert, liegt ja noch auf der Hand. Doch eine positive Verbindung zur Bewegung Fridays for Future ist dann doch eine Überraschung. Andererseits sucht auch diese Jugendbewegung nach Verbündeten und es gibt eben Anknüpfungspunkte. So wurde etwa ZVDH-Pressesprecherin Claudia Büttner von den Parents for Future gebeten, in deren Newsletter einmal das Berufsbild Dachdecker vorzustellen. Büttner sieht das als Chance, denn bei der Berufswahl hätten die Eltern oft noch einen entscheidenden Einfluss.
Auch Holger ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke blickt im Podcast „ZVDH Aktuell“ gerne auf die ersten Gespräche mit Fridays for Future zurück. Der Dialog solle fortgesetzt werden, weil beide Seiten festgestellt hätten, dass sie in konkreten Bereichen mit ihren Positionen „relativ nah“ beieinander seien. Hierzu zähle die jahrelange bundesweite Vernachlässigung der beruflichen Bildung. Im Podcast zeichnet Schwannecke den weiteren Weg vor: Beide Seiten wollen Themen wie Energieeffizienz und Innenstadtentwicklung voranbringen.
Klimarelevanter Schlüsselberuf
ZVDH-Sprecherin Claudia Büttner hebt vor diesem Hintergrund einmal mehr die Bedeutung des Dachdeckerhandwerks als klimarelevanter Schlüsselberuf hervor. Wer nämlich den Gebäuden und ihren Bauherren im wahrsten Sinne des Wortes aufs Dach steigt, muss nicht nur Balken und Latten fachgerecht vernageln und Dachpfannen verlegen. Zum Beruf gehört viel mehr: die Dämmung der obersten Geschossdecke, der Dächer und der Fassaden sowie der Fenstertausch oder -einbau im Dach. Und für die Energiewende besonders wichtig: die Installation von Photovoltaikanlagen.
Hier arbeite man gewerkeübergreifend. Deshalb seien der ZVDH und der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) zusammengerückt, um eine fachgerechte Umsetzung der PV-Strategie auf Deutschlands Dächern sicherzustellen und den aktuellen PV-Hochlauf zu unterstützen. So wolle man in den Bereichen Kompetenz, Fachtechnik und Weiterbildung künftig enger zusammenarbeiten, erklärt Büttner.
Große Nachfrage: Weiterbildung PV-Manager
Um dem Bedarf gerecht zu werden, sei die entsprechende Qualifizierung notwendig. „Eine Ausbildung im dualen System ist durch nichts zu ersetzen, wenn man die Klimawende nachhaltig bauen will. Solartechniker kann man nicht einfach in einem Schnellkurs qualifizieren, insbesondere nicht bei Indach PV-Anlagen. Daher ist die Bündelung der Fachexpertise aus beiden Gewerken unabdingbar“, führt Büttner aus. Deshalb wird auch in Sachen Qualifizierung zum ZVDH-zertifizierten PV-Manager im Dachdeckerhandwerk Gas gegeben. Bis zum Frühjahr 2023 sollen es rund 1000 Betriebsinhaber und Fachkräfte sein, bis Ende des Jahres voraussichtlich 2000, die den PV-Manager absolviert haben.
Ausbildung zum Klimahandwerker attraktiver machen
Spätestens hier schließt sich der Kreis zur Zusammenarbeit mit Fridays for Future. „Um die Energie- und Wärmewende umzusetzen, sind wir jetzt auf zahlreiche ExpertInnen in handwerklichen Berufen angewiesen. Die Politik muss den Fachkräftemangel in Angriff nehmen und sich für eine Attraktivierung der handwerklichen Ausbildung in klimarelevanten Berufen einsetzen. Es ist längst alles gesagt – Klimaschutz muss jetzt praktisch umgesetzt werden“, zitierte die Deutsche Handwerkszeitung (DHZ) in ihrer Juliausgabe 2022 Pauline Brünger, Sprecherin von Fridays for Future.
Der Anlass: Brünger, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Hans Peter Wollseifer diskutierten im vergangenen Jahr über das Thema Handwerk und Klimaschutz. Es sei aus Sicht des Handwerks schlau, sich als Macher der Energiewende in den Mittelpunkt zu rücken und auf die sinnstiftenden Tätigkeiten im Handwerk zu verweisen, zitiert die DHZ Minister Habeck. Besser lässt es sich kaum formulieren. Jetzt ist es an den Dachdeckern vor Ort, die Chance zu ergreifen und sich offensiv als Klimahandwerker zu präsentieren.
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