Jahresumfrage 2023: Dachdecker steigern Auftragsbestände
19. Mai 2023
Obwohl die Baubranche insgesamt mit dem Einbruch des Wohnungsneubaus zu kämpfen hat und davon auch etliche Betriebe des Dachdecker-Handwerks betroffen sind, blickt der überwiegende Teil laut der jüngsten Jahresumfrage des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) dank anhaltender Nachfrage optimistisch nach vorne. Herausforderungen gibt es dennoch einige, wie ein Blick auf die vorgelegten Zahlen für das vergangene Jahr zeigt. ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk findet zum Thema Fachkräfte deutliche Worte.
Weiterer Umsatzanstieg auf 12,95 Milliarden Euro
Das Dachdeckerhandwerk erzielte 2022 einen Gesamtumsatz von 12,95 Milliarden Euro, im Vergleich zu 2021 bedeutet das einen Zuwachs von 13,6 Prozent oder 1,55 Milliarden Euro. Einerseits sind laut ZVDH die Probleme wegen Lieferengpässen und Materialverfügbarkeit nach und nach abgeklungen, aber den Dachdecker-Betrieben machten dennoch steigende Preise und Unsicherheiten bezüglich der gesamtwirtschaftlichen Lage zu schaffen.
Problem: Real-Umsätze sind trotzdem gesunken
„Die Preissteigerungen von insgesamt durchschnittlich knapp 20 Prozent bei wichtigen Baustoffen, Energie und Personal haben allerdings den Umsatzzuwachs komplett aufgefressen“, stellt Felix Fink, Diplom-Ökonom beim ZVDH fest. „Am Ende dürfte der Gesamtumsatz der Dachdecker-Betriebe real um circa sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken sein. Damit relativiert sich der erfreulicherweise gestiegene Umsatz schnell wieder.“
Herausforderung: Rückgang bei gewerblichen Mitarbeitern
Fink weist noch auf eine weitere Problematik hin, die den Betrieben Sorgen bereitet. „Wir verlieren Mitarbeitende im gewerblichen Bereich. Die Zahl lag 2022 im Dachdecker-Handwerk mit 63.552 um 1,4 Prozent unterhalb der Vorjahreszahl. 2021 hatten wir noch 64.431 Mitarbeitende. Da auch die Zahl der Auszubildenden Anfang 2023 leicht gesunken ist, wird sich der Fachkräftemangel noch verschärfen.“
Bis 2030 geht fast jeder vierte Mitarbeiter in Rente
Ein besorgniserregender Trend, der sich noch weiter verstärken wird bis 2030. Dazu braucht es nur einen Blick auf die Alterspyramide bei den gewerblichen Mitarbeitern im Dachdecker-Handwerk. 1999 handelte es sich tatsächlich noch um eine Pyramide mit den meisten Beschäftigten, fast 16 000, im Alter zwischen 31 und 35 Jahren. 2021 flachte die Pyramide bereits so stark ab, dass diese Gruppe sich halbierte und gleichauf mit den 41 bis 45-Jährigen lag.
Die 51 bis 55-Jährigen mit über 8000 Beschäftigten sind inzwischen an der Spitze. Zwischen 51 und 65 Jahren sind rund 18 000, also mehr als jeder vierte gewerbliche Mitarbeiter. Die meisten von ihnen werden in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen. Und es stellt sich die Frage, wie es dann mit den Betrieben mit älterer Belegschaft weitergehen soll, wenn nach wie vor zu wenig ausgebildet wird.
Betriebe müssen sich beim Nachwuchs bewerben
„Macht euch schick für junge Menschen. Es ist an uns, sich beim Nachwuchs zu bewerben und glaubhaft zu machen, dass man als Betrieb gut ausbildet“, lautet denn auch der Appell des jüngst wiedergewählten ZVDH-Präsidenten Dirk Bollwerk im Interview mit dem Fachmagazin DDH. „Sowas spricht sich übrigens schnell rum: Zahlung des Tariflohns, wertschätzendes Betriebsklima, mal die eine oder andere Weiterbildung spendieren, Unterstützung durch Nachhilfe, wenn es mal Probleme in der Schule gibt: Das alles sind Bausteine, die helfen.“ So deutlich hat bislang noch kein offizieller Verbandsvertreter angesprochen, welche Hausaufgaben die Dachdecker-Betriebe zu machen haben, wenn sie erfolgreich Fachkräfte gewinnen und halten wollen. Das zeigt, wie groß die Herausforderung bereits heute ist.
Ertragslage der Dachdecker ist weiterhin gut
Allerdings gibt es auch Anlass zur Hoffnung, denn die Ertragslage wurde von den Betriebsinhabern in der aktuellen ZVDH-Jahresumfrage vielfach als gut bis zufriedenstellend angesehen. Außerdem seien die Auftragsbestände der Unternehmen Anfang des Jahres höher als zum Vorjahreszeitpunkt, erläutert Fink.
Betriebe richten positiven Blick nach vorne
Die Zuversicht bezogen auf das laufende Jahr resultiert vor allem aus der Erkenntnis, dass das Dachdeckerhandwerk maßgeblich an der Energiewende beteiligt sein wird. Denn für das Erreichen der gesteckten Klimaziele ist laut Fink eine deutliche Zunahme der Maßnahmen bei der energetischen Gebäudesanierung und bei der Errichtung von Photovoltaik-Anlagen unabdingbar. Und hier liegen die Stärken des Dachdeckerhandwerks. „Bei abgeschwächten, aber immer noch vergleichsweise hohen Preissteigerungsraten könnte das Jahr 2023 für das Dachdeckerhandwerk einen weiteren nominalen Umsatzzuwachs zwischen sieben und zehn Prozent bringen“, meint ZVDH-Ökonom Fink.
Höhere Förderung und mehr politische Verlässlichkeit gefordert
Das Dachdeckerhandwerk wünscht sich für Bauherren und Unternehmen bei den Förderregelungen mehr Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit. Auch die schon seit langem geforderte Doppelförderung wäre laut Fink hilfreich. Zum einen sollte die Förderung für die Dämmung der Gebäudehülle wieder auf 20 Prozent erhöht werden und zum anderen sollte es zusätzlich 25 Prozent Förderung für Solaranlagen geben. Denn für die Energiewende braucht es beides: energetische Sanierung und die Gewinnung von Strom über eine PV-Anlage. Zumal es laut Fink wenig Sinn mache, regenerativ erzeugte Energie durch die schlecht gedämmte Fassade oder das Dach wieder zum hinauszuheizen.
Die Unternehmen hätten laut ZVDH ihren Auftrag verstanden und bereiteten sich in einer breit angelegten einwöchigen Weiterbildungsmaßnahme zum „ZVDH-zertifizierten Photovoltaikmanager im Dachdeckerhandwerk“ auf Gegenwart und Zukunft vor. Bundesweit werden bis Ende 2023 voraussichtlich über 2500 Dachdecker und Dachdeckerinnen den Kurs absolviert haben. „Eine Förderung dieser Weiterbildungsmaßnahmen könnte dazu beitragen, dass das Dachdeckerhandwerk die geforderten PS auch auf die Straße bringt“, bekräftigt Fink die Forderungen an die Politik.
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