Jörg Mosler im Interview
6. September 2018
DACH\LIVE: Jörg Mosler, jeder Betrieb hat die Mitarbeiter, die er verdient. Was meinen Sie damit?
Jörg Mosler: Bei der Mitarbeitergewinnung gibt es kein Wir. Für jeden Betrieb gilt aus meiner Sicht: Was ich nach außen ausstrahle, das ziehe ich an. Klagen hilft nicht, sondern nur die Fokussierung auf das, was ich selbst beeinflussen kann. Und da geht es zentral um die Frage, wie ich Menschen gewinne für mein Unternehmen.
DACH\LIVE: Was heißt das konkret für einen Chef?
Jörg Mosler: Zunächst geht es um die Frage, wie er selbst sein Unternehmen sieht. Die Einstellung des Unternehmers ist der Ursprung. Will jemand einfach Dächer decken und Kohle machen. Was ja völlig in Ordnung ist. Doch für wen ist das wichtig, wen zieht so eine Ausrichtung an? Andere, meist sehr erfolgreiche Betriebe gehen anders vor. Sie fragen sich, warum und für wen es wichtig ist, was sie tun. Sie haben Leidenschaft für ihren Beruf und sie ziehen dann entsprechende Auszubildende und Fachkräfte an.
DACH\LIVE: Warum fällt das vielen Handwerkern so schwer?
Jörg Mosler: Weil sie hinaus müssen aus der Komfortzone. Mitarbeiter kommen nicht mehr von alleine. Da hilft es nichts, die Chef sollten sich bewegen und immer mehr tun es auch. Ich nehme da gerne das Bild von einem abfahrenden Zug im Bahnhof. Einige sitzen schon drin, einige laufen nebenher und können womöglich noch aufspringen und andere stehen am Bahnsteig und sehen nur noch die Rücklichter.
DACH\LIVE: Was zieht Mitarbeiter an?
Jörg Mosler: Natürlich geht es auch um Geld. Das ist ein wichtiger Faktor. Und Dachdecker und Zimmerer zahlen da durchaus gute Gehälter. Hinzu kommen emotionale Grundbedürfnisse. Die Menschen wollen etwa für andere einen Beitrag leisten. Sie wollen wirksam sein und Wertschätzung erhalten, für das, was sie tun. Da geht es oft um Kleinigkeiten. Es gibt auf YouTube ein Video, wo Paketboten „Lovezettel“ an ihrer Windschutzscheibe finden. Das steht drauf: „Ohne Dich kein Weihnachten“. Dann kommt ein Weihnachtsmann und verteilt Schokolade. Und zu sehen sind freudige, strahlende Gesichter. So etwas meine ich mit Wertschätzung.
Lovezettel: Kleine Aufmerksamkeit mit großer Wirkung
https://www.youtube.com/watch?time_continue=36&v=js2rSPnxHQw
DACH\LIVE: Wertschätzung ist auch ein wichtiger Faktor, um Ausbildungsabbrüche zu verhindern?
Jörg Mosler: Zunächst ist klar, die Gründe für Abbrüche sind vielfältig. Aber auch hier gilt, dass ich als Unternehmer meinen Job mache. Also für die Dinge Verantwortung übernehme, die ich beeinflussen kann. Das heißt: Wie gehe ich mit Menschen um, wie begeistere ich sie – Kunden, Mitarbeiter und Mitarbeiter-Kandidaten? Bei einem neuen Auszubildenden könnte der Chef sich mal fragen, wie der Jugendliche sich eigentlich fühlt vor dem ersten Tag. Dann könnte er ihm vorab über WhatsApp ein kurzes Video senden mit der Botschaft: Ich freue mich auf Dich. Auch das ist eine Kleinigkeit, aber mit großer Wirkung. Der Auszubildende wird sich freuen, er teilt das Video und zeigt es seinen Eltern und seinen Freunden. Es gibt so viele Möglichkeiten, sie müssen nur ergriffen werden.
DACH\LIVE: Jetzt werden sicher einige Chefs beim Lesen die Stirn runzeln?
Jörg Mosler: Ja sicher, ich kenne solche Reaktionen von meinen Vorträgen. Ich sage den Menschen dann gerne, dass ihre Abwehrhaltung vor allem etwas über sie selbst aussagt. Da werden viele schon mal nachdenklich. Denn es gilt: Jeder Betrieb hat die Mitarbeiter, die er verdient.
DACH\LIVE: Wie wichtig ist Mitarbeitergewinnung für einen Handwerksbetrieb?
Jörg Mosler: Es ist längst kein Teilbereich mehr unter anderen. Mitarbeitergewinnung ist Chefsache und Teil der gesamten Unternehmensstrategie. Weil es ja darum geht, wie einer nach innen und außen auftreten will, wie er sich positioniert.
DACH\LIVE: Welche Rollen spielen dabei die sozialen Medien?
Jörg Mosler: Generell geht es um Aufmerksamkeit – online oder offline im direkten Kontakt. Hier bin ich, es gibt den Betrieb! Der Vorteil von sozialen Medien ist, dass ich mehr Einfluss darauf nehmen kann, wen ich wie erreichen möchte. Das Internet bietet die beste Möglichkeit für gezielte Werbung. Doch meine Erfahrung ist, dass viele Betriebe das gar nicht oder nur wenig nutzen. Ich stelle in Vorträgen oft die Frage, wer denn eine Karriereseite auf der Homepage hat, vielleicht sogar mit einen kurzen Video. Das sind die wenigsten. Die meisten sagen trotzdem, dass sie in Sachen Mitarbeitergewinnung schon alles probiert hätten. Da kann ich nur sagen, die haben noch nicht mal losgelegt.
Die Betriebe müssen sich und ihre Projekte zeigen, Geschichten erzählen. Ein tolles Beispiel ist der Glasermeister Sven Sterz aus dem Raum Cuxhaven, der auf Facebook ein ungewöhnliches Werbevideo zur Nachwuchssuche hochgeladen hat. Dieses wurde bis heute vier Millionen Mal angeklickt und Sterz kann sich vor Bewerbern kaum retten.
Nachwuchswerbung auf die ungewöhnlich Art
https://www.facebook.com/glaserei.sterz/videos/1625119947569928/
DACH\LIVE: Können Imagekampagnen und Aktionen der Berufsverbände die Aktivität der Betriebe in Sachen Nachwuchswerbung unterstützen?
Jörg Mosler: Solche Kampagnen können einen Anfang machen. Doch die Betriebe müssen aufspringen und selber kommunizieren. Die Betriebe sollten sichtbar werden in ihrer Individualität. Nichts gegen Imagekampagnen also, aber ich würde das Geld eher dafür einsetzen, um Betriebe fit zu machen. Damit sie lernen authentisch zu kommunizieren. Jeder Chef sollte die Zukunft seines Unternehmens selbst in die Hand nehmen – und die liegt zentral in der Mitarbeitergewinnung.
50 Tipps zur Mitarbeitergewinnung
Artikel jetzt teilen!
AuszubildendeBerufsbildDachdeckerDachdeckerFachkräfteMitarbeitergewinnung