Genossenschaft ermöglicht nachhaltiges Wirtschaften
19. September 2018
Zählt nur der Shareholder Value oder gibt es noch andere Werte für die strategische Ausrichtung von Unternehmen? Als die Bankenkrise vor gut einem Jahrzehnt die globalisierte Wirtschaft erschütterte, waren die grundlegend anderen Strukturen der „Genossen“ wieder in aller Munde. Der Kontrast zwischen zockenden Investmentbanken und nachhaltig wirtschaften Genossenschaftsbanken wurde nie zuvor so deutlich gesellschaftlich wahrgenommen.
Politik sieht die Aktualität von Genossenschaft
Justizministerin Katarina Barley formulierte noch als Arbeits- und Sozialministerin, dass die von vielen zusammengeführte geistige Kraft („Schwarmintelligenz“) und das Zusammenlegen des Geldes zur Finanzierung eines als sinnvoll erachteten Projekts („Crowdfunding“) nicht erst Gedanken dieser Tage seien. Sondern dass dies bereits die Unternehmensform Genossenschaft von Anfang an praktiziert hat. Derart moderne Gedanken, die gerade eine Renaissance erfahren, haben bereits die Genossenschaften vor knapp 200 Jahren hervorgebracht. Zusammenhalt statt Spaltung ist hier laut Barley die Maxime. Zudem würden Lösungen in der Gemeinschaft der Genossen gesucht, die wirtschaftlich auch von dieser Gemeinschaft getragen wird.
Die Ministerin bezeichnet Genossenschaften als eine Form von nachhaltigem Wirtschaften, was gerade heute stetig mehr nachgefragt werde. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte während einer Rede zum internationalen Jahr der Genossenschaft fest, dass „Genossenschaften dafür einstehen, wirtschaftlichen Sachverstand und soziale Verantwortung zu verbinden“, da sich ihrer Ansicht nach beides gegenseitig bedinge.
Erfolgsmodell Genossenschaft: Engagement und Solidarität
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betont mit Blick auch auf die vielerorts bittere Armut der Landbevölkerung im 19. Jahrhundert, Raiffeisen habe gezeigt, „was das Engagement des Einzelnen und die Solidarität vieler gerade in schwierigen Zeiten bewirken können. Das macht für mich seine Idee und sein Wirken so modern.“
„Viele Organisationen verlieren heute Mitglieder, aber bei Genossenschaften zeigt der Trend klar nach oben“, sagt der Vorsitzende der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft, Werner Böhnke. „Mehr als 22 Millionen Menschen in Deutschland sind Mitglied einer Genossenschaft“, stellt er hierzu fest. Das Ziel einer Genossenschaft ist der langfristige Nutzen für die Mitglieder. Jedes Mitglied beteiligt sich mit Anteilen, die das Eigenkapital des Unternehmens bilden. Unabhängig von der Höhe dieser Einlagen hat jedes Mitglied eine Stimme und damit ein Mitspracherecht bei allen Entscheidungen.
Einer für alle, alle für einen: Die Idee der Genossenschaft
Keine Großaktionäre: Jedes Mitglied ist gleich wichtig
„Das führt dazu, dass der Vorstand sich um jedes Mitglied kümmern muss und sich nicht wie zum Beispiel bei Aktiengesellschaften häufig auf Großaktionäre konzentriert“, erklärt Werner Böhnke weiter. „Die breite Einbindung verlangsamt bisweilen die Entscheidungen, aber sie ist ein Garant für sorgfältige Ergebnisse, die von allen mitgetragen werden.“
Kein Zufall, dass berühmte Sozialreformer und Philosophen, die die Lebensrealität der Gesellschaft kritisch reflektierten vor 200 Jahren geboren wurden. So kam gut einen Monat nach Friedrich Raiffeisen der Philosoph Karl Marx zur Welt. Auch er sah die Lebensumstände der meisten Menschen durch die Industrialisierung deutlich schlechter werden. Marx schickte sich daraufhin an, Staatsformen zu überlegen, die diesem Elend nachhaltig entgegenwirken könnten.
Verelendung der Massen als Startpunkt der Genossenschaft
Auch wenn die bisherigen und zu erwartenden Einschnitte und Umwälzungen des Lebens durch die Digitalisierung der Gegenwart in diesen Jahrzehnten mit Recht beargwöhnt werden, die Umwälzungen der damaligen Zeit waren für den Einzelnen um Dimensionen existenzieller als es der derzeitige Wandel ist. Und daher brachten diese gesellschaftlichen Erschütterungen Denker und Sozialreformer hervor, die nach Lösungen suchten, die Missstände der Massen zu beseitigen.
Friedrich Wilhelm Heinrich Raiffeisen suchte im Gegensatz zu Marx in kleinteiligeren Organisationsstrukturen die Linderung. Solidarität und Zusammenhalt waren seine Werte: „Was einer allein nicht schafft, dass schaffen viele“, war sein Credo. So war die Gründung eines „Hilfsvereins zur Unterstützung unbemittelter Landwirte“ am 1. Dezember 1848 auch das Gründungsdatum des Genossenschaftsgedankens. Der Verein unterstützte die durch die Umstände zumeist plötzlich in die Selbstständigkeit geworfenen Landwirte. Denn diese waren oft nicht in der Lage einen Betrieb zu führen und fielen allzu oft Betrügern zum Opfer.
Filmportrait Friedrich Wilhelm Raiffeisen
Zusammenhalt und gemeinsame Ziele
Das Zusammenstehen und das Verfolgen der gemeinsam formulierten Ziele der Mitglieder ist im Wesen der Genossenschaftsgedanke. Dabei hat jedes Mitglied eine Stimme, unabhängig von der Höhe seiner Einlagen. Und es war ein wichtiger Grundstein, dass Hilfe zur Selbsthilfe geleistet wurde und nicht etwa Almosen verteilt wurden. So gab es immer günstige Darlehen für die Notleidenden, nicht aber Geschenke. Die Raiffeisenbank als Hilfsinstrument entstand auf diese Weise. Diese edlen Grundgedanken der Genossenschaften haben es vor zwei Jahren geschafft, in die „Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ der UNESCO aufgenommen zu werden.
ZEDACH-Gruppe lebt Gedanken der Genossenschaft
In den fünf Einzelgenossenschaften der ZEDACH-Gruppe sind rund 7.000 Handwerksbetriebe als deren Mitglieder und zugleich Kunden organisiert. Die selbstorganisierte Struktur – jeder hat eine Stimme – sorgt dafür, dass die Interessen der Mitglieder, also der Dachdecker- und Zimmererbetriebe, gewahrt werden. Auch Hilfe für Betriebe, die in Schieflage geraten sind, gehört zum praktizierten Solidargedanken der ZEDACH-Gruppe.
Das Sortiment bestehend aus insgesamt 650.000 Artikeln wird zusammengestellt aus der Expertise der Mitglieder. Denn wer weiß schon besser als die Handwerker auf dem Dach, was sie wirklich benötigen. In erster Linie geht es darum, die Dachhandwerker mit Waren und Dienstleistungen optimal zu versorgen. Der Profitgedanke steht hier nicht im Vordergrund. Alles was bei der rund einen Milliarde Umsatz, den die ZEDACH-Gruppe mit ihren 130 Niederlassungen erwirtschaftet, hängen bleibt, wird am Jahresende als Rückvergütung für die Kunden oder als Dividende für die Mitglieder ausbezahlt.
Genossenschaft: Mitglieder sind das Maß aller Dinge
Letztlich – so oder so – bekommen den materiellen und immateriellen Mehrwert die zusammengeschlossenen Genossen zurück, die den Körper der fünf Einzelgenossenschaften bilden und über die Selbstverwaltung die Arbeit der jeweiligen geschäftsführenden Vorstände steuern und kontrollieren. „Der Erfolg des Einzelnen stärkt auch die anderen. So wird aus Einzelkämpfern eine starke Gemeinschaft“, sagt Volkmar Sangl, der sich im Vorstand der DEG „Alles für das Dach“ für die genossenschaftlichen Belange einsetzt.
Und der Vorsitzende des Aufsichtsrates der ZEDACH-Gruppe, Kurt Krautscheid, ergänzt: „Die Genossenschaft bildet einen deutlichen Gegenpol in der Wirtschaftswelt mit ihrer Offenheit und Transparenz. Aus der Mitte der Mitglieder wird ein Aufsichtsrat gewählt. Die Mitsprache und das Auskunftsrecht sind jedem Mitglied garantiert.“
Der langjährige Vorstand Andreas Hauf von der DEG Dach-Fassade-Holz weist auf die wirtschaftliche Beständigkeit von Genossenschaften hin, die im Fall einer Gewährleistung einstehen können, weil sie schlicht noch da sind. „Schaut man sich als Beispiel die in den vergangenen Jahren durch den Investmentbereich getriebene Deutsche Bank an, sieht man die deutlichen Schwankungen: Gestern Top und heute Flop“, sagt er. „Mit unseren Services und Dienstleistungen verstehen wir uns vor allem als Problemlöser unserer Mitglieder, den Betrieben vor Ort“, ergänzt Hauf.
Und das ist dann wieder ganz nahe an der Wertegemeinschaft des Raiffeisen‘schen Gedankens: „Was einer allein nicht schafft, dass schaffen viele.“
Sie möchten mehr erfahren über das Thema Genossenschaft. Dr. Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes, analysiert in seinem Kommentar, warum die Genossenschafts-Idee heute auch für Gründer wieder attraktiv ist.