Dieser Dachdecker lebt das Ehrenamt
15. November 2018
Hans-Peter Kistenberger ist in vielen Ehrenämtern zuhause – immer leidenschaftlich, voller Ideen und mit klarer Meinung. Und er klebt nicht an seinen Posten. „Es hat alles seine Zeit. Und irgendwann ist die Zeit gekommen, dass es weitergeht und ein anderer die Aufgaben übernimmt.“ Daher kandidierte der Dachdeckermeister bei den Vorstandswahlen 2018 auf dem Landesverbandstag nach 18 Jahren nicht mehr als Landesinnungsmeister von Baden-Württemberg. „Ich will Platz machen für die nächste Generation“, lautete schon vor diesem Verbandstag seine Ansage. Und Wehmut kommt auch nicht auf: „Ich habe ja jetzt Zeit, all das zu tun, wofür die Zeit bisher zu knapp war.“
Ein Highlight: Landesverbandstag in der Heimatstadt Bruchsal
Das Ereignis, das ihm vielleicht am meisten in Erinnerung bleiben wird, ist der Landesverbandstag 2009 in seiner Heimatstadt Bruchsal. „Es war toll, sich ganz intensiv für die Vorbereitungen einbringen zu können. Außerdem es war beeindruckend, wie fasziniert die 600 Teilnehmer unseres Verbandstages waren“, erinnert sich Kistenberger. Kein Wunder, denn es drehte sich hier alles um das Thema Feuer und Brandschutz und Veranstaltungsort war die Feuerwehrschule.
Ein Dachdecker übernimmt Ehrenämter in Handwerk, Politik und Gesellschaft
So „Feuer und Flamme“ wie für sein Amt als Landesinnungsmeister war und ist er auch für seine anderen Engagements. Als Dachdecker übernahm er Ehrenämter von der Innung Karlsruhe bis hinauf zum Hauptvorstand und der Tarifkommission des Zentralverbandes des deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH). Doch Freigeist Kistenberger dachte immer über das Handwerk hinaus, hinein in Politik und Gesellschaft. Seit 1999 ist er Mitglied des Bruchsaler Gemeinderats, heute als Fraktionsvorsitzender der CDU, und seit 2014 auch Mitglied im Kreisrat.
Dazu kommen Ehrenämter als Ehrensenator in der Großen Karnevalsgesellschaft, Beiratsfunktionen bei der Sparkasse Kraichgau und im Beirat Süd der SV Sparkassenversicherung sowie ein Amt als Aufsichtsrat bei der EWB Energie- und Wasserversorgung Bruchsal GmbH. Ganz schön sportlich? Da gab es ja auch noch seine mehrjährige Tätigkeit als Schiedsrichter in der Handball-Oberliga nach Ende seiner Handballer-Karriere. „Auch da hatte ich immer Entscheidungen zu treffen“, berichtet Kistenberger mit einem Schmunzeln.
Im Ehrenamt Ideen entwickeln und vorleben
Lassen sich all diese Funktionen mit der eines Landesinnungsmeisters im Dachdeckerhandwerk vergleichen? „Das Handwerk hat seine eigene Welt und Gesetzmäßigkeiten“, so Kistenbergers Einschätzung. „Aber auch die Kommunalpolitik ist anders als die Landes- oder Bundespolitik.“ Wichtig ist für ihn in allen Ehrenämtern, Ideen zu entwickeln, zu leben und vorzuleben. „Leider wird das heute von viel zu wenigen Unternehmern realisiert.“
Ein Verlust an Lebensqualität durch Freizeitverlust hat das für ihn nie bedeutet. „Die Gesellschaft ändert sich rapide. Da ist doch eigentlich jeder gefordert, sich zu engagieren für Familie, Mitarbeiter und Bürger“, so Kistenbergers Motivation. „Ich will jeden Tag wieder in den Spiegel sehen können.“ Und das heißt für Kistenberg, als Unternehmer der Gesellschaft etwas zurückgeben, nicht nur das Eigeninteresse im Blick haben.
Gibt es für ihn einen Tipp für alle, die künftig Ja zum Ehrenamt sagen wollen? „Es ist wie als Dachdecker, einfach einsteigen, lernen, dazulernen und sich behaupten. Dann Einsatz bringen in der Innung, den Vorstand aktiv unterstützen und Ämter übernehmen“, sagt Kistenberger. Ganz wichtig für ihn ist es auch, sich Vorbilder zu suchen. Seine eigenen Vorbilder waren Kollegen, wie die ZVDH-Präsidenten. „Ich bewundere deren Engagement, selbst ich hätte kaum diese Energie und die Zeit dafür“, gibt er offen zu.
Ausbildung und Meisterbrief: Erfolgsmodelle bewahren und weiterentwickeln
Wie sieht Hans-Peter Kistenberger nach 18 Jahren als Landesinnungsmeister Meisterbrief und Innungswesen in Deutschland? Er zögert keine Sekunde mit seiner Antwort: „Das duale Ausbildungssystem und die Meisterausbildung sind Erfolgsmodelle, um die wir in der ganzen Welt beneidet werden. Würden wir den Meisterbrief abschaffen, würde die Qualität der Arbeit und der Ausbildung darunter leiden.“ Aber er gibt auch ehrlich zu, dass es hier keinen Stillstand geben darf. „Weiterentwicklung muss sein, aber das bestehende Prinzip muss erhalten bleiben.“
Im Ehrenamt ein lebenswertes Miteinander befördern
Mal angenommen, er würde morgen aufwachen und wäre Bundekanzler. Was würde er mit in dieses Amt bringen? „Den Willen, ein lebens- und liebenswertes Miteinander zu realisieren. In einem Land, in dem sich alle Gesellschaftsschichten, Kinder, junge Menschen und Senioren wiederfinden und wohl fühlen. Und nicht alleine sind mit ihren Sorgen und Nöten“, skizziert Kistenberger seine Vision. Konkret würde er aus seinem Handwerksleben zwei Themen mitbringen und sofort anpacken: „Der Wohnungsbau muss von Seiten des Staates massiv gefördert werden. Und auf der anderen Seite sollte der Staat übertrieben hohe Standards im Wohnungsbau absenken.“ Irgendwie schade, dass es nur ein Traum bleibt, dass der Bundeskanzler Hans-Peter Kistenberger heißt.
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