Frauen im Handwerk: Die einzige Obermeisterin in Westfalen
11. September 2018
Es gibt sie immer noch, diese gute Tradition. Wer im Handwerk einen Familienbetrieb führt, der engagiert sich auch außerhalb. Der hat nicht allein sein eigenes Interesse im Blick, sondern auch das Allgemeinwohl. Der möchte auch etwas weiter- und zurückgeben. Stefanie Bock steht in so einer Traditionslinie, der Großvater gründete 1925 den Familienbetrieb in Wetter bei Hagen, der heute Leonhard Bock GmbH heißt. Ihr Vater war selbstverständlich ein engagiertes Innungsmitglied und er übernahm dort das Amt als Kassenprüfer. Zudem war er Stadtbrandmeister bei der freiwilligen Feuerwehr. Da ist es auch für die 48-jährige Tochter selbstverständlich, in der Innung mitzumachen. „Ich bin 1997, nachdem ich meinen Gesellenbrief in Mayen erhalten hatte, das erste Mal mitgegangen zur Innungsversammlung“, erinnert sich die Dachdeckermeisterin.
Frauen im Handwerk: Hineingewachsen in die Innungsarbeit
Wer da freiwillig mitkommt und nicht auf den Kopf gefallen ist, der wird auch schnell angesprochen. So war es auch bei Stefanie Bock, gerade weil Frauen im Handwerk damals noch eher selten waren. „Unser damaliger Obermeister Karl-Heinz Ester fragte mich im Jahr 2000 nach meinem Abschluss der Meisterschule in Mayen, ob ich Interesse an der Vorstandsarbeit hätte.“ Sie startete dann als Beisitzerin, wurde 2016 Stellvertreterin und jüngst wieder gefragt. Da galt es den Obermeister-Posten der Dachdecker-Innung Hagen neu zu besetzen, weil Karl-Heinz Ester den Chefposten der Landesinnung Westfalen übernahm. Und die Wahl fiel auf Stefanie Bock, die damit die einzige Obermeisterin in diesem großen Landesverband ist. Ein Grund dafür war sicher, dass diese Frau die Herausforderungen, vor denen die Innung steht, anpacken will.
Stefanie Bock möchte etwas bewegen als Obermeisterin
Stefanie Bock will tätig werden, sie möchte etwas bewegen im Ehrenamt. Das ist selten geworden. Denn die Arbeit als Obermeisterin kostet Energie und Zeit. „Wenn wir an einer Ausbildungsmesse teilnehmen, wie jedes Jahr in Hagen, dann sind vor allem wir als Vorstand gefordert.“ Das Motto lautet: Der Vorstand macht das schon. Eine Erfahrung, welche die Dachdeckerin teilt mit vielen ehrenamtlich Engagierten in Vereinen und Verbänden. Mitglieder wollen vor allem Vorteil und Nutzen herausziehen, mitarbeiten tun die wenigsten. Doch Stefanie Bock ist keine, die sich beklagt. Das liegt ihr völlig fern. Doch sie nennt schon die Dinge beim Namen. „Früher gab es mehr Geselliges, wie etwa gemeinsame Fahrten zur Messe DACH+HOLZ. Heute kommen die Mitglieder noch zum gemeinsamen Spießbraten-Essen und zur Neujahrsveranstaltung, aber schon bei der Innungsversammlung ist die Zahl der Teilnehmer deutlich geringer.“
Junge Meister für die Innungs-Mitgliedschaft gewinnen
Dennoch sieht die Dachdeckerin es als eine Hauptaufgabe, weiter daran zu arbeiten, junge Meister für die Innung zu gewinnen. Das sieht sie als eine Herausforderung für die Zukunft. Denn Mitglied in der Innung zu sein ist kein Selbstläufer mehr. Die jungen Meister wollen überzeugt werden, auch die Frauen im Handwerk. Der Nutzen der Mitgliedschaft muss die Kosten aufwiegen. „Es ist unsere Aufgabe, die vielen Vorteile aufzuzeigen, von der Fach- und Rechtsberatung bis zur Ausbildung“, sagt die Obermeisterin. Und sie hat auch gleich ein Bespiel parat. „Der bürokratische Aufwand für die Betriebe wird immer größer. Jetzt geht es gerade um die neue europäische Datenschutzverordnung. Das kann kein Inhaber überblicken und wir werden dazu über einen Mitarbeiter der Kreishandwerkerschaft Schulungen anbieten.“
Herausforderung für die Betriebe: Fachkräftesicherung
Die zweite große Herausforderung sieht die Obermeisterin bei der Fachkräftesicherung. „Wir müssen mehr Auszubildende für das Dachdeckerhandwerk gewinnen.“ Dafür beteiligt sich die Innung an der von der Kreishandwerkerschaft Hagen ausgerichteten Ausbildungsmesse mit einem eigenen Stand. „Wir haben da den Truck aus Eslohe vor Ort und unsere Jungmeister zeigen was Handwerkliches. Das Interesse der Schüler ist groß“, berichtet Stefanie Bock. Sie selbst ist ein Bespiel dafür, was Frauen im Handwerk erreichen können. Doch die Jungs und Mädchen müssen nach der Messe wiederkommen in die Betriebe, zu ersten Praktika etwa. Da braucht es weiteres Engagement und inzwischen sicher auch das Beschreiten ungewöhnlicher Wege.
Auch schwierigen Jugendlichen eine Chance geben
Stefanie Bock selber hat jetzt einen Ausbildenden am Start, der vom Kolping Bildungszentrum in Wetter kommt. Ein junger Mann, dem noch die Ausbildungsreife fehlt, was heute aber keine Seltenheit mehr ist. Die Obermeisterin hat sich dennoch auf den Prozess eingelassen. Nach einem halben Jahr Einstiegsqualifizierung wird der junge Mann voraussichtlich im Sommer seine Ausbildung beginnen. „Und wir sind auch beim Girls’Day mit unserem Betrieb dabei, um junge Frauen für unser Handwerk zu begeistern.“
Positiv sieht sie den Weg, die Aktivitäten der einzelnen Landesverbände in Sachen Nachwuchswerbung zu vereinheitlichen und damit Synergien bundesweit zu nutzen. „Warum soll denn nicht auch ein anderer Landesverband unseren Werbe-Truck nutzen?“ Die Obermeisterin freut sich, dass es jüngst einen ersten runden Tisch der Lehrlingswarte aller Landesinnungen gegeben hat. Erfahren hat sie davon auf der Obermeistertagung der westfälischen Innungen. Da ist sie natürlich mit von der Partie – sie möchte ja etwas bewegen in ihrem Ehrenamt.
Sie wollen mehr erfahren über Frauen im Handwerk? Dann lesen Sie den Artikel über Nadja Gründler, die als Dachdeckerin ein Triales Studium absolviert.
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