Fachkräfte im Crash-Kurs: Vom Helfer zum Dachdecker-Gesellen
16. Mai 2019
Für diesen Lehrgang kommen die Teilnehmer aus ganz Deutschland. In vier Monaten Vollzeit werden im BBZ Mayen langjährige Helfer auf die Externenprüfung nach dem Berufsbildungsgesetz zum Dachdeckergesellen vorbereitet. Es ist gerade in Zeiten des Fachkräftemangels eine hervorragende Möglichkeit für Betriebe, zusätzlich zur klassischen Ausbildung auch ihre Helfer weiter zu qualifizieren. Ein weiterer Anreiz: Die Agentur für Arbeit unterstützt, basierend auf dem Sozialgesetzbuch III, den Erwerb des Berufsabschlusses. Fast alle Teilnehmer schaffen die Abschlussprüfung, weil die Motivation besonders hoch ist. Mehr als zwei Drittel haben viele Jahre als Helfer auf dem Dach gearbeitet, sie wollen unbedingt noch weiterkommen. Die Übrigen kommen aus Familienbetrieben und da zieht die Perspektive, später einmal Chef zu werden.
Quereinsteigerin als Dachdecker: Anne Steinmann
Eine Teilnehmerin ist die 29-jährige Anne Steinmann, eine Quereinsteigerin. Nach der Realschule machte sie eine Ausbildung zur Groß-und Außenhandelskauffrau in einem Baufachmarkt. Sie dachte danach,„da muss noch was kommen“. Also holte sie berufsbegleitend abends ihr Fachabitur nach und studierte Betriebswirtschaft in Aschaffenburg. Es folgten ein Auslandssemester in Kanada und eine Stelle als Angestellte bei Würth in Karlsruhe.
Nachdem sie viele Erfahrungen gesammelt hatte, kehrte die junge Frau zurück nach hause, in den Familienbetrieb Peter Steinmann GmbH in der Nähe von Heppenheim.„Ich wollte schon immer in dem Familienbetrieb arbeiten, in dem ich aufgewachsen bin. Jetzt bildet sie mit dem jüngeren Bruder, der Zimmerer und Dachdecker ist, bereits die fünfte Generation.„An der Seite meines Onkels war ich bis lang mehr im Büro als auf dem Dach, habe mit Kunden kommuniziert und Angebote geschrieben.“Die Qualifizierung zur Gesellin machte sie, um mehr über die praktische, technische Seite der Dachdeckerei zu lernen.
Sehr gute Anleitung durch Dachdecker-Profis
Von den vier Monaten Vollzeit am BBZ Mayen hat Anne Steinmann über den Gesellenbrief hinaus sehr profitiert.„Alles wurde sehr gut angeleitet und gezeigt von den Dachdecker-Profis. Wir hatten sehr routinierte Meister als Lehrer, die ihre jahrelange Erfahrung als Dachdeckermeister gerne teilen“,berichtet die junge Frau.„Ob Schiefer, Steildach oder Flachdach, die Teilnehmer brachten da unterschiedliche Erfahrungen mit und konnten alle viel dazulernen. “Nach der Rückkehr in den Familienbetrieb will Steinmann mehr rausgehen auf die Baustellen und weiterlernen. Rückendeckung hat sie von ihrem Vater und von ihrem Onkel, die die Zimmerei und Dachdeckerei gemeinsam leiten.„Keiner von ihnen hat uns gedrängt, den Betrieb zu übernehmen; wir spüren hundertprozentige Unterstützung durch die Familie.“
Vom Helfer über den Gesellen zum Dachdecker-Meister
Auch Leon Bölling ist auf dem Weg in vierter Generation, die Heiko Bölling Dachdeckermeister GmbH in Laatzen bei Hannover zu übernehmen. Er hatte nach dem Abitur Wirtschaftsbauingenieur studiert „Das war damals die richtige Entscheidung und hat mir viel Spaß gemacht.“Danach hat Bölling für die praktische Erfahrung eineinhalb Jahre als Helfer auf dem Dach im Familienbetrieb gearbeitet. Der Crash-Kurs in Mayen hat ihn positiv überrascht.„Das war in Sachen Theorie eher wie an einer Uni als einer Berufsschule.“Zuhause hatte Bölling zuvor nur auf Flachdächern gearbeitet. „Das war schon anspruchsvoll, jetzt auch Steildach zu lernen, praktisch und theoretisch. Doch es hat mir richtig Spaß gemacht.“ Das gilt auch für die Gruppe.„Das sind coole Leute, eine echt nette Truppe. Einige wollen gleich den Meister im Anschluss machen.“ Bölling wird bis August weiter zuhause auf dem Flachdach arbeiten. Danach startet er die Meisterschule. Der Vater freut sich, dass der Sohn in seine Fußstapfen treten möchte.
Vom Helfer zum Dachdecker-Gesellen: Fachkräftesicherung am BBZ Mayen
Beim BBZ Mayen sind sie zurecht stolz auf diese Qualifizierung zum Gesellen, die 1970 startete und jetzt mit dem 50. Kurs ein rundes Jubiläum feiert. „Die Fachkräftesicherung ist aktuell gerade auch im Dachdeckerhandwerk ein großes Thema. Die Betriebe können ihren Fachkräftebedarf nicht in vollem Umfang durch Auszubildende decken. Daher sind Alternativen zur regulären Ausbildung mehr denn je gefragt“, sagt Rolf Fuhrmann, Referent der Geschäftsführung. Die Qualifizierung zeigt zudem, dass im Handwerk auch späte Karrieren möglich sind.„Der Prüfungsausschussvorsitzende Werner Risch hat selbst vor 40 Jahren diesen Kurs gemacht“, erzählt Fuhrmann.
Mehr als zwei Drittel der Teilnehmer sind Helfer, die normal in Betrieben angestellt sind. Warum machen sie diesen Crash-Kurs in Vollzeit?„Ihre Motivation liegt einmal darin, sich zu qualifizieren, für einen höheren Verdienst und eine besseres Standing auf dem Arbeitsmarkt. Zum anderen wollen einige der bisherigen Helfer auch den Meisterbrief machen und danach einen eigenen Betrieb gründen“, erklärt Fuhrmann. Bislang haben in Mayen insgesamt über 2.000 Teilnehmer diesen Crash-Kurs absolviert. In Zeiten des Fachkräftemangels werden es zukünftig viele weitere sein.
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