Für einen gesunden Betrieb findet sich eine Nachfolge
27. Februar 2020
DACH\LIVE: Herr Lippe, seit wann beraten Sie Betriebe bei der Handwerkskammer?
Ulrich Lippe: Ich bin seit 2004 als Unternehmensberater für die Handwerkskammer tätig. Damals war das Thema Nachfolge ein Teilbereich unter vielen. Besonders in den letzten drei Jahren haben sich die Schwerpunkte aber deutlich verlagert. Heute beherrscht das Thema meine Arbeit fast gänzlich. Von den rund 250 Terminen, die ich im Jahr mache, betreffen 220 Unternehmensnachfolgen.
DACH\LIVE: Woran liegt das, ist die Nachfolge heute komplizierter?
Ulrich Lippe: Vor allem ist es schwieriger geworden, überhaupt einen Nachfolger zu finden. Das liegt nicht nur daran, dass es für die Kinder von Unternehmern heute nicht mehr selbstverständlich ist, einmal den elterlichen Betrieb zu übernehmen, sondern ebenso am allgemeinen Fachkräftemangel. Oft ist einfach kein qualifizierter Nachfolger zu finden. Weder unter den Kindern noch unter den eigenen Mitarbeitern. Oder der Inhaber traut seinen Mitarbeitern oder Kindern die Unternehmensführung einfach nicht zu. Das kann auch der Fall sein.
DACH\LIVE: Was ist der Grund für diese Bedenken?
Ulrich Lippe: Das ist nicht selten ein Generationenkonflikt. Der scheidende Geschäftsführer traut der jüngeren Generation nicht zu, jede Woche 80 Stunden in den Betrieb zu stecken. Dabei ist das auch gar nicht das Interesse junger Handwerker. Heute wird einfach mehr Wert auf die Work-Life-Balance gelegt und darauf, eine Familie aufzubauen, die auch gut funktioniert. Das halte ich auch für den richtigen Ansatz. Zudem sind jüngere Handwerker deutlich weiter vorn beim Thema Digitalisierung und gestalten so manche betrieblichen Abläufe womöglich effizienter. Für diese Entwicklungen muss man einfach offen sein, wenn man seinen Betrieb in jüngere Hände geben will.
DACH\LIVE: Was ist, wenn sich kein Nachfolger findet?
Ulrich Lippe: Das ist tatsächlich ein Problem. Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie betriebene Internetplattform nexxt-change ist eine Möglichkeit, mit Handwerkern aus ganz Deutschland in Kontakt zu treten, die planen, einen Betrieb zu übernehmen. Im Einzelfall funktioniert das ganz gut. Ich kenne einen alteingesessenen Dachbaubetrieb hier am Niederrhein, der von einem jungen Handwerker aus dem Ruhrgebiet übernommen wird. Der ist hierhin gezogen, um im Betrieb arbeiten zu können und alles auch von innen kennenzulernen. Das verläuft bisher recht erfolgsversprechend. Die große Herausforderung ist dann natürlich, den Betrieb erfolgreich weiterzuführen. Das Image ist im Handwerk ja ganz eng mit dem Namen des Inhabers verwachsen. Aber für einen gesunden Betrieb findet sich zumeist jemand.
DACH\LIVE: Aber nicht alle Betriebe sind gesund genug für eine Nachfolge?
Ulrich Lippe: Das kann im Einzelfall so sein. Oft stehen Betriebe aber auch einfach nach außen hin nicht gesund da, obwohl die Einnahmen stimmen. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass der Inhaber möglichst viel Kapital für sich aus dem Unternehmen zieht, auch um weniger Steuern zu zahlen. Wenn dann Bilanz gezogen wird, verlieren etwaige Nachfolger schnell das Interesse, weil überhaupt kein Eigenkapital im Unternehmen steckt. Wer seinen Betrieb erfolgreich weitergeben möchte, der muss auch mal ein paar Steuern zahlen und Kapital in der Firma belassen.
DACH\LIVE: Was bewegt Interessenten zur Übernahme eines Betriebs?
Ulrich Lippe: Letztlich sind es fast immer die Zahlen, die über den Antritt einer Nachfolge entscheiden. Der Betrieb muss Gewinne vorweisen. Die Zahlen sind aber nicht immer so positiv, wie manch ein Inhaber sich vormacht. Der verantwortliche Steuerberater findet da leider oft keine offenen Worte für den Firmenchef, der ja sein Kunde ist. Oft sind die Berater der Handwerkskammern dann die ersten, die dem Betriebsinhaber gnadenlos die Wahrheit über den finanziellen Wert seiner Firma mitteilen. Manche Betriebe sind schlichtweg nicht übergabefähig.
DACH\LIVE: Wie beraten Sie Unternehmen und deren Nachfolger?
Ulrich Lippe: Für die Nachfolge und Betriebsübername gibt es keine Blaupause, da ist wirklich jeder Fall anders und muss individuell betrachtet werden. Ich spreche zunächst immer mit dem Inhaber und in einem zweiten Termin mit dem potenziellen Nachfolger. Der Knackpunkt ist die diffizile Frage, was der Betrieb eigentlich wert ist. Sobald ich das einschätzen kann, wird mit dem Nachfolger gerechnet und über Finanzierungsmöglichkeiten gesprochen. Die Banken sind dabei übrigens viel entgegenkommender als behauptet wird. Für einen gesungen Betrieb bieten Banken meiner Erfahrung nach derzeit eine solide Finanzierung mit recht niedrigen Zinsen an.
DACH\LIVE: Was empfehlen Sie Unternehmern ganz grundsätzlich?
Ulrich Lippe: Sich früh vorzubereiten und wirklich auch schon in den 50ern erste Informationen einzuholen, sodass man sich gedanklich mit dem Thema Nachfolge schon einmal beschäftigt. Dann sollte der Betrieb auf gesunde Beine gestellt werden. Und wer keinen Nachfolger in Aussicht hat, der kann sich auch einen heranbilden. Vielleicht findet man unter seinen Lehrlingen ja einen vielversprechenden Kandidaten, den man entsprechend fördert und bindet. Wer der nachfolgenden Generation und deren Kenntnissen und Fertigkeiten Vertrauen schenkt, wird davon meiner Meinung nach profitieren.
Sie interessieren sich für das Thema Nachfolge? Dann lesen Sie unseren Artikel den Nachfolgeprozess im Familienunternehmen Schaaf.
Artikel jetzt teilen!
FachkräftemangelHandwerkskammerUnternehmens-NachfolgeUnternehmensberater