Corona: Wie der Hersteller ABS Safety auf die Krise reagiert
23. April 2020
DACH\LIVE: Wie stark spürt ABS Safety die Corona-Krise wirtschaftlich?
Stefan Beckers: Bisher haben wir da noch Glück. Einen Auftragsrückgang bemerken wir vor allem im Ausland. Da wir unseren Umsatz überwiegend in Deutschland machen, ist das aber gut zu verkraften. Auch unsere Nische mit speziellen Lösungen für die Industrie ruht. Das ist aber ein sehr überschaubares Geschäftsfeld. Auf dem Dach scheint nach wie vor gut zu tun sein. Das ist zumindest unser Eindruck.
DACH\LIVE: Also läuft am Firmensitz in Kevelaer alles wie bisher?
Stefan Beckers: Keineswegs. Schon am 15. März haben wir entschieden, dass alle Mitarbeiter mit Heimarbeitsplatz diesen zukünftig ausschließlich nutzen. Am Folgetag haben wir die Gemeinschaftsräume, Raucherbereiche und die Kantine geschlossen. Alle internen und externen Termine und unser Schulungsangebot wurden vollständig gestrichen. Der Außendienst wurde stillgelegt und Mitarbeitern, die in Österreich, Italien und der Schweiz waren, haben wir empfohlen, für mindestens zwei Wochen den Heimarbeitsplatz zu nutzen. Abends haben wir dann von der Corona-Erkrankung eines Vertriebs-Mitarbeiters erfahren und umgehend alle Büromitarbeiter angewiesen, ab sofort ausschließlich von zuhause aus tätig zu sein. Innerhalb von zwei Tagen sind rund 60 Kollegen und Kolleginnen komplett ins Homeoffice gewechselt. Das sind fast die Hälfte unserer 130 Mitarbeiter.
DACH\LIVE: Und die anderen Angestellten?
Stefan Beckers: Die Hälfte unsere Belegschaft arbeitet in der Produktion und im Lager. Hier haben wir ebenfalls bereits ab Mitte März zahlreiche Prozesse umgestellt. In der Produktion arbeiten wir nun in zwei verkürzten Schichten, die sich nicht begegnen. Es gelten strenge Regeln zum Schutz der Mitarbeiter. Sie müssen selbstverständlich ausreichend Abstand halten, beim Betreten der Gebäude gründlich die Hände waschen, Handschuhe tragen und vieles mehr. Jeden Morgen gibt es eine virtuelle Besprechung aller Abteilungsleiter per Videokonferenz und ebenfalls täglich Teambesprechungen im Lager und in der Produktion. Letztere unter Einhaltung der Abstandsregel, damit sich die Schutzmaßnahmen auch durchsetzen und besser in den Köpfen bleiben. Das funktioniert recht gut. Wir haben die Arbeitsplätze außerdem so eingerichtet, dass sich niemand gegenübersteht oder direkt nebeneinander tätig ist.
DACH\LIVE: Mussten Sie auf Kurzarbeit umstellen?
Stefan Beckers: Zum Teil. Die Außendienstmitarbeiter können ihrer Arbeit derzeit ja überhaupt nicht nachgehen. Hier haben wir die volle Förderung beantragt. Und die Reinigungskräfte kommen ebenfalls kaum zum Einsatz, da Bürogebäude und Gemeinschaftsräume derzeit nicht genutzt werden. Wir stocken aber bei allen Angestellten das Kurzarbeitsgeld auf den vollen Lohn auf, sodass ihnen keine Ausfälle entstehen. Andere Kollegen gehen ihrer Arbeit bald in modernisierter Form nach, etwa die Trainer. Wir haben ein digitales Schulungskonzept erarbeitet, eine Kombination aus einer selbstentwickelten E-Learning-Plattform und begleitenden Webinaren. Das Projekt startet höchstwahrscheinlich schon im April.
DACH\LIVE: Wie konnten Sie die digitale Umstellung so zeitnah realisieren?
Stefan Beckers: Das war und ist viel Arbeit. Aber da wir fast ständig an neuen digitalen Lösungen arbeiten und viele Tools auch schon implementiert hatten, verlief die Umstellung relativ reibungslos. Unsere gesamte interne Kommunikation – also Chats, virtuelle Termine, Videoanrufe, Aufgabenverteilung und so weiter – läuft bereits seit einiger Zeit über Microsoft Teams. Unsere Mitarbeiter waren daher vor der Krise schon mit diesen digitalen Lösungen vertraut.
DACH\LIVE: Hat denn jeder einen ausreichenden Internetzugang?
Stefan Beckers: Tatsächlich haben wir nur einen Mitarbeiter, bei dem das Verbindungstempo zuhause nicht ausreicht. Er arbeitet daher im Büro, mit drei Kollegen, die regelmäßig nach der Post sehen und die Gebäude kontrollieren. Diese Vier haben aber fast jeder eine Etage für sich allein und begegnen sich daher kaum.
Ansonsten stehen wir mit unserer eigenen IT-Abteilung gut da. Wir konnten die ohnehin geplanten Umstellung auf eine Cloud-Telefonanlage vorziehen, sodass jetzt alle Büromitarbeiter auch im Homeoffice ganz unkompliziert ihre übliche Telefon- und Faxnummer nutzen. Und was an Ausstattung fehlt, liefern wir nach Hause, selbstverständlich kontaktlos. Das kann ein Rechner, Monitor oder eine Webcam sein, aber beispielsweise auch der speziell auf die Rückenbeschwerden eines Mitarbeiters eingestellte ergonomische Schreibtischstuhl.
DACH\LIVE: Das ist viel Aufwand, oder?
Stefan Beckers: Der sich aber lohnt. Auf der einen Seite merken wir, dass unsere Mitarbeiter das zu schätzen wissen. Über unser auch von daheim zugängliches Intranet haben wir täglich Meldungen veröffentlicht, von wichtigen Hygiene-Informationen bis hin zu persönlichen Videobotschaften von meinen Eltern, die sich als Geschäftsführer für den Einsatz eines Jeden bedanken und auch Mut machen wollen. Die Kommentare darauf waren sehr positiv und lauteten etwa „Danke, dass ihr so viel möglich macht!“ und „Danke, wir für euch und ihr für uns!“.
Das freut uns wirklich, denn wir denken wirklich immer zuerst an die Sicherheit unserer Belegschaft. Es fühlt sich gut an, wenn das auch wahrgenommen wird. Der Aufwand lohnt sich aber auch deshalb, weil wir nicht davon ausgehen, dass sich die Situation in Deutschland so schnell bessert. Unser Motto ist: Bleibt so lange im Homeoffice wie möglich. Übereilt wieder ins Büro zurückzukehren und damit zu riskieren, dass sich doch wieder mehr Menschen untereinander anstecken, halten wir für einen Fehler.
DACH\LIVE: Wie viele Corona-Erkrankungen gab es bisher bei Ihnen?
Stefan Beckers: Wir wissen von drei Fällen. Zwei Kollegen sind aber schon wieder genesen oder zumindest fast. Der Dritte hat sich soeben erst gemeldet, hier wissen wir aber noch nicht mehr. Wir hoffen aber, dass auch dieser Mitarbeiter bald wieder gesund ist.
Sie interessieren sich für das Thema Corona und Dachhandwerk? Dann lesen Sie dazu unser Interview mit dem ZVDH-Präsidenten Dirk Bollwerk.