Starkes Duo: Dachdecker stellt früheren Ausbilder ein
2. Juni 2020
Die beiden Männer trennen 28 Jahre. Und doch passt kein Blatt zwischen die zwei. „Wir haben fast eine Vater-Sohn-Beziehung“, sagt Jan Winnen, 32-jähriger Dachdecker-Meister, über das Verhältnis zu seinem 60-jährigen Altgesellen Stefan. „Seit meiner Lehre, also seit rund 14 Jahren ist Stefan mein Wegbegleiter“, ergänzt der junge Vollblut-Dachdecker aus Koblenz. Angefangen hat es im Betrieb seiner beiden Onkel, wo Winnen seine Lehre gemacht hat. „Stefan wusste, ich muss gefordert werden“, erinnert er sich an die Zeit. „Er hat nicht nur gesagt, mach dies und das, sondern hat sich die Zeit genommen, mir Dinge zu zeigen.“ Die beiden wurden Freunde. Was aber nicht heißt, dass sie immer derselben Meinung waren. Später als sie gemeinsam als Gesellen in dem Betrieb arbeiteten, diskutierten sie oft, stritten regelrecht um die beste Lösung für den Kunden. „Wie ein altes Ehepaar“, meinten die Kollegen manches Mal, erzählt Jan Winnen lachend.
Dachdecker erlebt das Abenteuer USA
Nach der Lehre geht es für ihn direkt zur Meisterschule: „Ich hatte den Ehrgeiz, habe Blut geleckt.“ 2010 erhält er seinen Meisterbrief und zieht hinaus in die Welt, um berufliche und persönliche Erfahrungen zu sammeln. Zuerst in einem großen Dachdeckerbetrieb in Bielefeld, dann außerhalb von Europa. Mit einem Freund, ebenfalls Dachdecker, verbringt Jan Winnen ein halbes Jahr in den USA, genauer gesagt in Austin, Texas. „Das war eine mega Erfahrung“, erinnert er sich an das Abenteuer auf der anderen Seite des großen Teichs.
Wechsel vom Familienbetrieb in die eigene Selbstständigkeit
Anschließend kehrt er nach Deutschland zurück und geht zunächst nach Hamburg. 2014 schließlich wieder nach Koblenz in den Familienbetrieb. Dort ist er zwar wieder mit seinem Freund Stefan vereint, doch für Winnen zeichnet sich immer mehr ab, dass sein berufliches Glück an anderer Stelle liegt. Er entwickelt seine eigenen Vorstellungen davon, wie man die Dinge machen sollte. „Ich wollte mich selbst verwirklichen mit meinen Ideen.“ Darum lautet der nächste logische Schritt: ab in die Selbstständigkeit. Zugegeben ein großer Schritt, den er Anfang 2019 zunächst alleine wagt.
Dachdecker hat Risikobereitschaft und gutes Timing
Eine Erkenntnis aus einem Jahr Selbstständigkeit? „Eine gewisse Risikobereitschaft gehört dazu“, sagt Winnen. „Und ich durfte schon oft feststellen: Wer etwas riskiert, wird dafür belohnt.“ Etwas Glück schadet auch nicht, zum Beispiel bei der Suche nach einer eigenen Website: „Ich war fast schon dran, mir eine Seite für 2.000 Euro bauen zu lassen, hatte bereits 200 Euro für den Entwurf bezahlt.“ Dann machte ihn sein Fachberater von der DEG Alles für das Dach eG in Koblenz auf die FLEXBOX aufmerksam. „Das kam genau zum richtigen Zeitpunkt: eine eigene Website, die ich ganz einfach selbst gestalten kann.“ Auch den Sanierungsrechner der FLEXBOX verwendet er. Für beides zusammen zahlt er im Monat weniger als mancher für seine Handyrechnung.
Dachdecker erhält Aufträge über Instagram
Ganz wichtig dabei für Jan Winnen: die Anbindung zu Facebook und Instagram. Denn auch in Sachen Kunden- und Mitarbeiterwerbung geht er neue Wege. „Da habe ich mich inspirieren lassen von anderen wie DachPro oder Thomas Muschelknautz“, also von Betrieben, die als Influencer in den sozialen Medien gelten. Er postet Eindrücke von der täglichen Arbeit, Referenzen in Echtzeit, wenn man so will. Der Lohn: Über Instagram konnte er bereits drei kleinere Aufträge gewinnen.
Wieder vereint mit dem Lehrgesellen – im eigenen Betrieb
Nach dem Gründungstart als Solist, ist schnell ein Mitarbeiter mit im Boot. Es ist Altgeselle Stefan, der sich im Herbst seines Arbeitslebens noch einmal auf neues Terrain wagt. So kommt der einstige Ausbilder im Frühjahr 2019 in die Firma seines Ex-Lehrlings. Als Zwei-Mann-Betrieb „BEDACHT Jan Winnen“ bieten sie das klassische Dachdeckerei-Paket an, von der Umdeckung über die energetische Sanierung bis zu Klempnerarbeiten, Terrassen, Abdichtungen und auch etwas Holzbau.
Der Ex-Lehrling als Chef – kann das gut gehen?
Birgt es nicht ein gewisses Konfliktpotenzial, wenn der ehemalige Azubi jetzt der Meister ist? „Ja, es gibt auch Reibereien“, sagt Chef Winnen. „Wir diskutieren zum Beispiel immer mal über Arbeitsschritte. Aber wir vertrauen einander. Loyalität ist uns ganz wichtig.“ Was sicherlich auch eine Rolle dabei spielt, dass es so gut zwischen den beiden läuft: Jan Winnen ist ein kommunikativer Typ. Berührungsängste sind ihm fremd und wer sich mit ihm unterhält, spürt seine offene, freundliche Art. „Man muss über alles reden können, nicht stur seine Art durchdrücken. Ob das mit einem Kunden ist, einem Mitarbeiter oder einem Lieferanten.“ Die direkte Kommunikation kommt bei den Kunden gut an, sie schätzen seine Transparenz und Ehrlichkeit und dass er das persönliche Gespräch sucht. „Ich ernähre mich vom Feedback der Leute“, sagt Winnen und man spürt, dass es keine Floskel ist.
Respekt vor der Reaktion der Kunden
Bei allem Positiven, der junge Unternehmer verhehlt nicht, dass die Selbstständigkeit eine große Herausforderung ist. „Man hat Respekt vor der Reaktion der Kunden. Jetzt stehe ich für alles gerade, die Kunden rufen mich an, wenn irgendetwas schief geht.“ Diese Verantwortung zu haben, sei aufregend aber machbar. Rückhalt und Ausgleich finde er bei seiner Familie. Winnen ist mit einer Italienerin verheiratet, zusammen haben sie einen Sohn.
Gute Mitarbeiter sind für Dachdecker das A und O
Das klingt alles so, als sei der Betrieb bestens für die Zukunft gerüstet. Da wird Jan Winnen nachdenklich: „Ich habe Angst vor dem Tag, an dem Stefan in den Ruhestand geht. Du musst als Chef einfach Mitarbeiter haben, auf die du dich verlassen kannst.“ Darum lautet sein Wunsch auf mittelfristige Sicht, dass sein Freund auch noch lange sein Kollege bleibt. Und wer weiß: Vielleicht ebnet Winnen, wenn es so weit ist, selbst einem jungen Dachdecker den Weg.
Sie interessieren sich das Thema Gründung? Dann lesen Sie unseren Artikel über Sonja Theisen, die nach der Meisterschule ihren eigenen Betrieb starten will.