Dachdecker stirbt – Ehefrau Barbara Küpper übernimmt
1. September 2020
Im Rückblick ist meist alles klarer. „Ich habe einfach nur funktioniert. Es musste ja weitergehen. Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht, aufzugeben und den Betrieb zu schließen.“ Fünf Jahre nach dem überraschenden Tod ihres Mannes kann Barbara Küpper stolz auf ihre Arbeit zurückblicken. Auf eine Leistung, die sie sich selbst niemals zugetraut hat – und auf die sie liebend gerne verzichtet hätte. Aber so funktioniert es nicht: Leben ist das, was passiert, währenddessen man eigentlich etwas ganz anderes vorhat.
August 2015: Die mehr als 100 Jahre alte Dach Werkstatt Küpper in Salach, Mitglied der Dachdecker-Einkauf Süd EG, ist einer der angesehensten Familienbetriebe auf der schwäbischen Alb. Seit fast 30 Jahren ist Dachdecker- und Maurermeister Ludger Küpper ihr Chef. Er musste nach dem unerwarteten Tod seines Vaters Adolf schon als junger Mann die Betriebsleitung übernehmen. „Ein genialer Geschäftsmann mit innovativen Ideen, die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit in Person“, so beschreibt Barbara Küpper ihren Mann. „Praktisch jeder in unserer Branche kannte Ludger, der zuletzt auch Vize-Obermeister der Dachdecker-Innung Stuttgart war.“
Nach tragischem Tod des Mannes: erster Weg führt zu den Beschäftigten
Eine Verletzung durch einen Segelunfall in Kroatien, von den Ärzten vor Ort falsch behandelt, führt zu seinem unnötigen Tod. Wo viele Partnerinnen zusammenklappen, hält Barbara Küpper durch: „Man wird irgendwie mit einer Art Schutzmechanismus versehen. Ich habe sofort die Bauleiter telefonisch informiert, und am Tag nach meiner Rückkehr führte mein erster Weg zu den Beschäftigten. Ich wollte, dass sie alle Zusammenhänge direkt von mir erfahren.“ Vor allem aber die Nachricht: Es geht weiter! 42 Beschäftigte hat die Dachwerkstatt zu diesem Zeitpunkt, viele Mitarbeiter haben Familie. „Mir war sofort klar: Aufgeben gilt nicht!“ sagt Barbara Küpper.
Gespräche mit Steuerberater und Hausbank folgen – und mit der Dachdecker-Innung sowie der Interessengemeinschaft „Top 100 Dachdecker Deutschland GmbH“, welcher der Salacher Betrieb angehört. Denn die große Stärke von Ludger Küpper wird nach seinem plötzlichen Ableben erstmal zu einem Problem. „Er war die Spinne im Netz, der Mann mit den Ideen und der Übersicht, bei dem die Fäden zusammenliefen“, sagt seine Frau heute. „Flachdächer machen 80 Prozent unseres Geschäfts aus, aber plötzlich hatten wir niemanden mehr, der sie vernünftig kalkulieren konnte.“
Wichtige Hilfe von Innung und Top 100 Dachdecker
Doch das war dringend notwendig, um den Betrieb am Laufen zu halten. Barbara Küper hatte zwar mehr als 25 Jahre in der Dach Werkstatt mitgearbeitet und Personal und Finanzen betreut. Aber Chefin? Dass plötzlich eine Frau an der Spitze des Unternehmens stand, brachte kritische Beobachter sowohl bei den Kunden als auch den Mitarbeitern mit sich. Schafft die das? Mir von einer Frau was sagen lassen? Weiß die überhaupt, worum es hier geht? „In dieser Situation war aber die Hilfe der Dachdecker-Kollegen von der Innung und von ‚Top 100‘ ungemein wichtig“, sagt sie heute. Über die Interessengemeinschaft bekommt sie „erste Hilfe“. Sie engagiert externe Berater und fragt erfahrenen Mitarbeitern Löcher in den Bauch.
Harte Arbeit – auch am Wochenende
Barbara Küpper macht positive und negative Erfahrungen. Sie hat Menschen um sich, die sie unterstützen und mit aller Kraft zu ihr halten. Sie muss aber auch überraschende Kündigungen verkraften, „wobei einige Mitarbeiter dann nach ein paar Monaten wieder zurückgekommen sind.“ Andere Betriebe versuchen, Fachkräfte abzuwerben. Barbara Küpper muss sehr hart arbeiten, auch am Wochenende. Entspannung verschaffen ihr in dieser Zeit lange Spaziergänge mit ihrer Hündin und die Kunst: Barbara Küpper ist eine begeisterte Malerin und drückt ihre Gefühle in ihren Werken aus.
Familie als wichtiger Rückhalt – und der Sohn steigt voll mit ein
Und dann ist da noch die Familie als wichtiger Rückhalt, die Kinder Franziska, Jonas und Lena. Jonas ist vom Fach: Nach einer Dachdeckerlehre studiert er und wird Bauingenieur. Er steigt nach dem Bachelor dann im April 2017 – wie sein Vater mit erst 26 Jahren – ins Unternehmen ein. „Jonas hat sofort als Technischer Leiter Verantwortung übernommen. Er wurde sozusagen ins kalte Wasser geschmissen und hat vom ersten Tag an seinen Mann gestanden“, ist seine Mutter noch heute beeindruckt. „Als Technischer Leiter war und ist er der Hauptansprechpartner für unsere Leute auf den Baustellen – sieben Tage die Woche.“ Obwohl die unschätzbare Hilfe sehr willkommen ist, legt Barbara Küpper zu jener Zeit hohen Wert darauf, dass ihr Sohn seine Entscheidung unabhängig und freiwillig trifft.
Erst im Herbst 2019, nach mehr als vier sehr anstrengenden Jahren, gönnt sich Barbara Küpper mit einer Reha eine Auszeit: „Der Akku war endgültig leer. Die Reha hat mir sehr gut getan.“ Vielleicht merkt sie auch erst in diesem Moment – als der Betrieb mit heute 33 Beschäftigten und mit Jonas Küpper in der nunmehr vierten Generation im Familienbesitz gut läuft – welchen Weg sie hinter sich gebracht hat. Sie hat das Werk ihres Mannes bewusst weitergeführt: „Ich gebe viel darauf, wie Ludger das alles zu Lebzeiten bei der Dach Werkstatt gemacht hat. Ich führe das mit meinem Stil weiter – aber in seinem Sinne.“
Notfallmanagement im Dachdecker-Betrieb kann überlebenswichtig sein
Einen Schritt bewertet sie heute als überlebenswichtig für den Fortbestand der Dach Werkstatt: „Mein Mann und ich hatten lange vor, uns gegenseitig eine Generalvollmacht zu erteilen. Kurz vor dem Kroatien-Urlaub haben wir es dann getan.“ Glück im Unglück – denn nach dem Tod ihres Mannes kann Barbara Küpper schnell wichtige Entscheidungen fällen. „Ich kann nur jedem Handwerksbetrieb raten, für das Undenkbare vorzusorgen“, sagt sie heute. „Hätte ich die Generalvollmacht nicht gehabt, wäre der Betrieb vielleicht wirtschaftlich eine Zeit lahmgelegt gewesen. Das kann einer Firma das Genick brechen.“
Auch wenn man immer stöhne, dass man keine Zeit dafür habe: Die Vorsorge, das weiß sie heute, ist extrem wichtig. Sie empfiehlt beispielsweise den Ordner „Notfallmanagement im Dachdeckerbetrieb“ des Rudolf Müller Verlags. Er enthält wichtige Informationen und Arbeitshilfen, um einen Fahrplan für den Notfall zu erstellen und alle wichtigen Dokumente zu sammeln. Zudem hat sie ein „Firmen-Handbuch“ angelegt, in dem alle Abläufe und Zusammenhänge nachvollziehbar beschrieben sind.
Sie interessieren sich für Themen rund um den Betrieb. Dann lesen Sie unsere Geschichte über den Querdenker und Dachdeckermeister Jan Voges.
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