Dachdecker will die Dinge immer besser machen
25. Juni 2020
Ein Altgeselle hatte Jan Voges ermutigt, den Meister zu machen. „Da habe ich mich mit 23 Jahren am BBZ in Mayen angemeldet und hatte sofort per Post die Zusage.“ Gegründet hat er seinen Betrieb Jan Voges GmbH in Lamspringe bei Hildesheim dann ab 2005. „Ich habe mit 150 Euro Startkapital, einem Gerüst und einem Transporter richtig Gas gegeben. Und von Beginn an war es mein Anspruch, dass ich die Dinge besser machen will.“ Voges ist einer, der das buchstäblich meint. Ein Querdenker, der gerne andere Wege ausprobiert, während Kollegen noch auf der alten Hauptstraße unterwegs sind. Organisation und Marketing sind seine unternehmerischen Schwerpunkte. Hier will er immer neu herausfinden, was alles geht, wenn man mit einer klaren Strategie und optimierten Abläufen unterwegs ist. „Ich habe keine Angst vor Veränderung. Es geht darum Dinge zu tun, auch wenn ich nicht weiß, wie es danach weitergeht. Einfach mal springen aus der Komfortzone.“
Dachdecker zieht die Reißleine und initiiert einen Neustart
Zuletzt so richtig weit gesprungen ist Voges vor gut vier Jahren. 2016 initiierte er einen kompletten Neustart. „Ich habe immer mehr gespürt, der Betrieb funktioniert nicht mehr und habe die Reißleine gezogen. Denn es geht doch um die Frage, warum ich das Ganze mache“, erklärt Voges. Bis auf zwei ehemalige Lehrlinge, die von Gesellen kurz gehalten wurden, ist keiner der gewerblichen Mitarbeiter mehr an Bord. „Ich habe die beiden besser eingeschätzt. Sie bilden inzwischen das Rückgrat auf den Baustellen, übernehmen gerne Verantwortung und haben neue Kompetenzen entwickelt.“
Für Voges zählt vor allem Sozialkompetenz. Die erwartet er von seinen Leuten. „Das Team ist wichtig. Wer sich da nicht einordnet, der kann gehen.“ Er will von den guten, die netten Leute finden. Das braucht Zeit. Voges arbeitet da nach dem Motto: „langsam einstellen, schnell rausschmeißen. Also sich sofort zu trennen, wenn es nicht passt. So hat er jetzt ein verschworenes Team. Voges ist dabei kein Chef alter Schule. „Ich habe keinen Bock zu führen. Was ich vorgebe sind Leitplanken. Ich kommuniziere, warum wir Dinge so machen.“ Dann laufe die Führung von selbst und die Mitarbeiter könnten selbstständig und frei arbeiten.
Für die Kunden Probleme lösen und Wünsche erfüllen
Das ist natürlich kein Selbstläufer und funktioniert nur, weil Voges seit der Gründung alle Abläufe akribisch plant und in den Blick nimmt. „Ich habe schon zu Beginn ein Drehbuch für den Betrieb geschrieben. Seine Vision ist eine konsequente Orientierung am Kunden und Service. Über seiner Bürotür steht als Motto: Wir stehen jeden Morgen auf, um für unsere Kunden Probleme zu lösen und Wünsche zu erfüllen.
Basis für seine Strategie ist die einfache Tatsache, dass ein „normales“ Dach keine Emotionen weckt. Es geht Voges darum, das Produkt Dach mit den Menschen und ihren Wünschen in Verbindung zu bringen, so wie es etwa Velux oder Creaton in ihrem Vertrieb machen. Es gelte vom Bedarf her zu denken, vom Konsum, nicht über die Preisschraube. „Freiheit ist das höchste Gut, also wollen wir für unsere Kunden Wohlfühlräume schaffen.“ So gewinnt Voges Kunden, die einen fairen Preis zu zahlen bereit sind. „Für eine junge Familie haben wir am Ende in Holzrahmenbau das Haus erweitert“, nennt Voges ein Beispiel. Das ist seine Nische, eine Positionierung über das Schaffen von Emotionen.
Dachdecker vermarktet Nische Denkmalpflege über Facebook
Eine zweite Nische ist aktuell die Denkmalpflege. „Da gibt es von Erben oder Käufern eine bewusste Entscheidung. Da sind Emotionen im Spiel, diese Menschen wollen einen Wert erhalten“, berichtet Voges. Hier kommt sein zweiter Schwerpunkt ins Spiel, das Marketing. Voges setzt konsequent auf Google. „Wir sind dort auf Platz eins im regionalen Ranking der Dachdecker. Aktuell bekommen wir über die Hälfte der Aufträge ohne Konkurrenz über Google und Facebook.“ Das soziale Medium Facebook nutzt Voges sehr geschickt. Er hat bei Facebook Gruppen gegründet und genutzt, um unter anderem das Thema Denkmalpflege zu spielen. In den Posts verlinkt er auf sein Kontaktformular.
„Zum Beispiel meldete sich eine Frau bei uns, für ein Denkmalprojekt über 78.000 Euro brutto. Über Empfehlung kamen danach laut Voges weitere Aufträge für rund 400.000 Euro. „Es geht darum, neue Wege zu gehen, vom Markt weg. Das Interesse ist da. Ich sehe mich als Problemlöser, für die Kunden und wenn ich selber Vorträge über Positionierung, online Marketing oder Kommunikation zwischen den Generationen halte.“ Für Voges ist klar: „Wer bereit ist sich zu verändern, der kann niemals am Erfolg gehindert werden.“
Der Dachdeckermeister hat von Beginn an geschaut, in welcher Nische er wachsen und was er anders machen kann als die etablierten Wettbewerber. „Mit meinem Bruder und dem Freund meiner Schwester habe ich mit Reparaturen angefangen, vor allem bei Landwirten. Alles, was die anderen Dachdecker nicht machen wollten. Dachziegeln wechseln auf Scheunen, neue Rinnen, kleine Dinge mal so für 1.000 Euro“, erinnert sich Voges. Er machte sich einen Namen mit verlässlicher Arbeit in der ländlichen Region. Auch als einer, der sich für keinen Auftrag zu schade ist. Dann passierte etwas, das Voges so nennt: Erfolg entsteht, wenn Vorbereitung auf Glück trifft. Die ersten Landwirte beauftragten ihn mit größeren Projekten. Der Erfolg kam mit dem Photovoltaik Boom für Landwirte, mal eben 1.500 Quadratmeter auf einer Scheune.
Erster Kran in der Region: Kollegen erklären Voges für verrückt
Um die Projekte bewältigen zu können, ging Voges neue Wege und kaufte einen ersten, gebrauchten Kran beim Dachdecker-Einkauf Ost eG, deren Mitglied er ist. Natürlich hatte er vorher die Zeiten gestoppt im Vergleich zur Materialanlieferung aufs Dach per Förderband. „Die starke Erhöhung der Produktivität lohnte sich“, erklärt Voges. „Die Kollegen Dachdecker sagten damals, der ist komplett verrückt oder bald pleite .“ Das erste Projekt lag an einer zentralen Straße. „Alle Leute haben den Kran gesehen, den damals noch kaum ein Betrieb hatte. Und das Projekt war superschnell fertig“, erinnert sich Voges.
Über sein „Netzwerk Reparaturen“ wollten auch andere Landwirte Photovoltaik. Ende 2009 kam schon der zweite Kran neu hinzu. Da wollten die Konkurrenten über den Preis gegenhalten, was nicht funktionierte mit Anlieferung des Materials über ein Förderband. Da sind einfach zu viele Mitarbeiter beschäftigt. „Jetzt kauften die anderen auch Kräne, aber wenn du den frühen Zug verpasst, siehst du nur noch die Rücklichter“, sagt Voges. Da war sein Marktanteil schon hoch, der Betrieb beschäftigte damals rund 16 Mitarbeiter, ab 2012 auch einen angestellten Meister.
Für flexible und erfolgreiche Planung: Standardisierung aller Abläufe
Voges zweiter Schwerpunkt ist die Organisation. „Ich habe alle Abläufe im Betrieb standardisiert. Das ist die Voraussetzung für Digitalisierung. Software und Systeme sind ja da, vorher müssen aber die Prozesse durchdacht und verändert werden, der Rahmen.“ Er habe Abläufe geschaffen, mit denen jeder Betrieb arbeiten könne. „Auch wenn es noch ein steiniger Weg ist, es läuft, es gibt Zeitersparnis von rund 20 Prozent im operativen Bereich“, freut sich Voges. Für ihn darf die Kompetenz nicht im Kopf des Chefs bleiben. Voges hat etwa die Zeiterfassung über Tablet digitalisiert. „Tagesaktuell habe ich Soll und Haben auf den Baustellen im Blick, kann sofort reagieren, wenn etwas schief läuft.“ Über den Kalender visualisiert er etwa den Bauzeitenplaner: wann wer wie und wo, gibt es Lücken? „Wir machen eine vernünftige Planung, bei uns gibt es kein Sommerloch. Wir wissen am Anfang des Jahres, was am Ende dann herauskommt.“
Optimierte Abläufe bringen auch mehr Zeit für die Familie
Jeden Tag führe er Buch, sagt Voges. „Meine Aufgabe: den Betrieb sicher in die Zukunft zu führen.“ Er ist ein Chef, der immer im Blick hat, warum und wofür er das Ganze macht. Gute Organisation ist für Voges kein Selbstzweck. „Wir haben dank optimierter Abläufe weniger Druck, ab Freitag 12 Uhr ist Schluss für meine Mitarbeiter und mich. Ich habe eine Frau und zwei Kinder, will auch mal mit denen wegfliegen oder privat Dinge machen im Garten. Mit den Kindern Salto auf dem Trampolin springen, das ist doch Lebensqualität.“
Sie interessieren sich für das Thema betriebliche Organisation. Dann lesen Sie doch unseren Artikel über das neue Hitze-Ausfallgeld für die Sommermonate.