Im 3D-Betondruck erstes Mehrfamilienhaus gebaut
16. Februar 2021
Aus dem Druckkopf fließt der Beton heraus wie die Sahne aus einem Spritzbeutel. Schicht für Schicht entsteht so eine Gebäudemauer nach der anderen. Auf diese Weise und fast ohne Handarbeit eines Maurers entstehen neuerdings Häuser im sogenannten 3D-Betondruck – digital am Rechner geplant und maschinell ausgeführt.
Druckzeit der Betonarbeiten von rund sechs Wochen
Die PERI GmbH hat jüngst im bayerischen Wallenhausen ein voll unterkellertes 5-Familienhaus mit rund 380 Quadratmeter Wohnfläche als 3D-Betondruck fertiggestellt. Dabei lag die Druckzeit der Betonarbeiten mit Hilfe des innovativen Verfahrens gerade mal bei sechs Wochen. Es ist das erste Mehrfamilienhaus, das in Deutschland als 3D-Betondruck gebaut wurde. Zuvor hatte die PERI GmbH als Premiere das erste zweigeschossige Einfamilienhaus mit rund 80 Quadratmeter Wohnfläche pro Geschoss in Beckum gedruckt, gefördert vom Bundesland Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Programms „Innovatives Bauen“.
Druckkopf bewegt sich über drei Achsen auf festem Metallrahmen
Beim Druck in Wallenhausen und Beckum setzte PERI den Portaldrucker BOD2 ein. Bei dieser Technik bewegt sich der Druckkopf über drei Achsen auf einem fest installierten Metallrahmen. Das bringt Vorteile gegenüber den bisherigen Druckern mit beweglichem Roboterarm. Der BOD2-Drucker kann sich in seinem Rahmen an jede Position innerhalb der Konstruktion bewegen und muss nur einmal und nicht wie sonst mehrfach kalibriert werden. Dies spart Zeit und Kosten. Mit diesem Drucker lassen sich dreistöckige Gebäude in den Maßen 12 x 27 x 9 Meter drucken, wobei die neun Meter für die Gebäudehöhe stehen.
Manuelle Arbeiten parallel zum 3D-Betondruck
Während des Druckvorganges berücksichtigt der Drucker bereits die später zu verlegenden Leitungen und Anschlüsse für Wasser oder Strom. Der BOD2 ist so zertifiziert, dass parallel zum Druckvorgang an den Betonwänden gearbeitet werden kann. So kann etwa das Verlegen von Leerrohren und Anschlüssen einfach in den Druckprozess integriert werden.
Für die Bedienung des Druckers braucht es nur zwei Personen vor Ort. Ein Mitarbeiter steuert den Betondruck via Laptop, Tablet oder Smartphone, der zweite kümmert sich um die Zuführung des Materials. Der Druckkopf und die Druckergebnisse werden per Kamera überwacht. Mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde ist der BOD2 laut PERI GmbH aktuell der schnellste 3D-Betondrucker auf dem Markt. Für einen Quadratmeter doppelschalige Wand benötigt der BOD2 gerade einmal fünf Minuten.
Der Drucker hat eine Größe von 5 x 5 x 5 Meter. Neben dem Druckkopf gehören auch ausladende Gerüstelemente dazu. Zudem braucht es auf der Baustelle weiterhin einen Betonmischer mit Pumpentechnik, um das Material in der richtigen Konsistenz zum Druckkopf zu transportieren.
Spezielle Materialentwicklung für 3D-Betondruck
Das für den Druck der Häuser in Wallenhausen und Beckum eingesetzte Material „i.tech 3D“ wurde von HeidelbergCement speziell für den 3D-Betondruck entwickelt. „Die Eigenschaften von i.tech 3D sind angepasst auf die besonderen Anforderungen des 3D-Drucks mit Beton“, erklärt Dr. Jennifer Scheydt, Leiterin Engineering & Innovation bei HeidelbergCement. „Unser Material ist gut pumpbar sowie extrudierbar und harmoniert sehr gut mit dem BOD2.“
Bauherr und ausführender Handwerksbetrieb für das Mehrfamilienhaus ist die Michael Rupp Bauunternehmung GmbH, die sich mit der neu gegründeten Tochter Rupp Gebäudedruck ab 2021 auf den 3D-Sektor spezialisieren wird.
„Mit dem Druck des ersten Mehrfamilienhauses in Deutschland treten wir den Beweis an, dass diese neue Bautechnologie auch für den Druck größerer Wohneinheiten geeignet ist. Damit eröffnen wir dem 3D-Betondruck weitere Anwendungsbereiche in neuen Größenordnungen“, sagt Thomas Imbacher, Geschäftsführer Marketing & Innovation der PERI Gruppe.
Schneller und flexibler bauen mit 3D-Betondruck
Angesprochen auf mögliche Einsparungen bei Bauzeit und Baukosten erklärt Pressesprecher Markus Woehl auf Nachfrage, dass es verlässliche Zahlen zu den Bauzeiten erst nach weiteren Einsätzen unter unterschiedlichen Bedingungen geben werde. Und zum Kostenvergleich mit herkömmlicher Bauweise sagte er: „Wir befinden uns derzeit noch in einer sehr frühen Anwendungsphase dieser neuen Technologie und können noch keine abschließende Beurteilung darüber abgeben, inwieweit das Verfahren die Kosten bei einem Bau senken kann. Klar ist aber, dass die Technologie funktioniert und deutliche Vorteile bietet, wenn es darum geht, schneller und flexibler zu bauen.
Fazit: Der 3D-Betondruck ermöglicht zukünftig, Häuser mit wenig Personalkosten, in kurzer Zeit schalungsfrei und mit vielen freien Gestaltungsmöglichkeiten zu bauen. So sind etwa runde und geschwungene Formen oder vielfältige Farbeffekte mit höchster Präzision nach den digitalen Plänen druckbar.
Sie interessieren sich für neue Verfahren beim Bauen? Dann lesen Sie unseren Artikel darüber, wie sich im Holzmodulbau Gebäude schneller und flexibler realisieren lassen.