Zweite Ausbildung: aus der Bank hinauf aufs Dach
4. März 2021
Eigentlich gilt heutzutage, dass junge Menschen schon während der Schule oder spätestens direkt danach wissen sollen, was sie beruflich machen wollen. Aber so einfach ist das in der Realität oftmals nicht. Es kann etwas dauern, bis der passende Job gefunden ist – so war es bei Philipp Hackl. Er bewirbt sich nach der Realschule bei der Polizei und besteht auch den Eignungstest. Doch dann soll er warten, bis es einen freien Platz für die Ausbildung gibt.
Erste Ausbildung zum Banker
Also beschließt Hackl, in der Zwischenzeit die Fachoberschule (FOS) zu besuchen und absolviert in diesem Rahmen ein Praktikum bei einer Bank. Nach einem halben Jahr Schulbank-Drücken verlässt er die FOS und beginnt eine Ausbildung zum Banker, die er drei Jahre später abschließt.
Obwohl ihm in der Zwischenzeit klar wird, dass der Beruf nicht das Richtige für ihn ist. „Ich habe dort viel gesessen und Listen abtelefoniert. Am Ende des Tages wusste ich nicht, was ich gemacht habe. Und die Arbeit wurde auch nicht so gewürdigt, wie ich mir das gewünscht hätte.“
Geld als Dachdecker-Helfer für den Urlaub verdient
Deshalb entscheidet er sich nach dem Ende der Ausbildung gegen eine weitere Anstellung und will drei Monate lang Thailand und Vietnam erkunden. Aber bevor die Reise losgeht, heißt es noch Geld zu verdienen. „Mein bester Freund hat eine Spenglerei, da habe ich gejobbt.“ Ein krasser Umbruch für ihn – vom Sitzen im Büro zur harten körperlichen Arbeit auf dem Dach. Aber auch der Muskelkater kann ihn nicht abschrecken. Die Arbeit macht ihm Spaß und so steigt Hackl als Helfer fest ins neunköpfige Team der Otto Kühnel GmbH in Altötting ein.
Als Dachdecker etwas mit den Händen erschaffen
Aber wie kam es zur Kehrtwende vom Bankkaufmann zum Helfer auf dem Dach? „Ich bin sowieso gerne in der Natur und an der frischen Luft.“ Schon seit 17 Jahren engagiert sich Hackl ehrenamtlich bei den Pfadfindern, organisiert Zeltlager mit den Kids. Zudem unternimmt er in der Freizeit gerne Radtouren mit Freunden. Da passt die Arbeit hoch über den Dächern der Stadt gut ins Profil. Außerdem begeistert es den 23-jährigen, der sich selbst als handwerklich talentiert beschreibt, etwas mit seinen Händen zu erschaffen oder zu reparieren.
Flachdach mit Folienschweißen macht richtig Spaß
Im Betrieb gefällt ihm, „dass wir vor allem Sanierungen machen. Die Arbeit ist abwechslungsreich und unvorhersehbar. Ich lerne immer was dazu“, erklärt Hackl. Am liebsten bearbeitet er Flachdach, was gut zum Profil des Betriebs passt. Folienschweißen macht ihm besonders viel Spaß. „Und mir gefällt es, durch den Landkreis zu fahren und zeigen zu können, was ich gemacht habe.“
Letztes Jahr stand er dann vor der Frage, ob er nicht noch die Lehre als Dachdecker machen sollte. „Meine Familie war sehr skeptisch, gerade die Großeltern.“ Für Hackl eine schwierige Entscheidung, vor der er viele Gespräche führte, besonders mit seinem besten Freund und Chef. Im September 2020 startete er dann die Lehre als Dachdecker. „Ich bin sehr zufrieden mit der Entscheidung und super motiviert. Voller Vorfreude erwarte ich gespannt, was 2021 kommen wird, vor allem auch in der Berufsschule und der überbetrieblichen Ausbildung.“
„Ich fahre jeden Tag gut gelaunt in die Firma“
Rückblickend empfindet Hackl gerade den erste Sommer auf dem Dach als hart nach seiner Ausbildung im Bankbüro. „Ich habe viele Kilos gehoben, wir hatten abgesoffene Dämmung auf dem Dach. Das ist körperlich eine andere Liga.“ Doch er hat sich durchgebissen, weil ihm die Arbeit auf dem Dach so gut gefällt. „Das Dachhandwerk ist eine tolle Branche. Ich fahre jeden Tag gut gelaunt in die Firma. Das ist ein super Gefühl.“ Hackl berichtet darüber auf Instagram.
Privates Highlight: Wanderreise nach Nepal
Ein super Gefühl hatte er auch, als er 2019 privat mit einer kleinen Gruppe nach Nepal reiste. „Meine Eltern sind Mitglieder einer Hilfsorganisation mit dem Namen Sano Madad und somit kam dieses eigentlich untypische Urlaubsziel für mich schnell in Frage“, erläutert Phillip Hackl. Der Grund für die Reise war die Besichtigung eines Grundstückes im Nationalpark Langtang, auf dem eine Schule für die Kinder des dortigen Bergdorfs errichtet werden sollte. Heute wird dort bereits unterrichtet.
Die Reisegruppe startete in Kathmandu und drei Tage später begann die neunstündige Jeep-Tour in die Berge. Danach wanderte Hackl weiter für ein paar Tage hinauf bis zum Bergdorf im Langtang. Ein kleiner Abstecher auf den Tsergo Ri, ein Trekking-Gipfel im Himalaya mit knapp 5.000 Meter Höhe, rundete den Ausflug ab. „Danach ging es leider schon wieder zurück nachhause“, berichtet Hackl. „Das waren Hammer-Eindrücke, diese atemberaubende Natur mit den Bergkulissen. Und wir haben dort sehr tolle und nette Menschen getroffen.“
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