Dachdeckerin Rebecca Brandenstein: Stolz auf den Familienbetrieb
18. August 2022
Wenn mit der Tochter bereits die fünfte Generation im Familienbetrieb arbeitet, um später einmal die Nachfolge als Geschäftsführerin anzutreten, darf man mit Recht von einem echten Traditionsunternehmen sprechen. Die 27-jährige Dachdeckerin Rebecca Brandenstein verantwortet derzeit Buchhaltung und Personalwesen im elterlichen Betrieb Müller+Bug in Künzell bei Fulda. Parallel bereitet sich die studierte Volkswirtin auf die Meisterprüfung vor. Eines ihrer größten Vorbilder ist dabei der Vater.
Opa und Vater bei der Arbeit zugesehen
Ans Handwerk musste man Rebecca Brandenstein nicht erst heranführen. Bereits als junges Mädchen spielte sie im Hof des Familienbetriebs und sah dem Großvater und dem Vater bei der Arbeit zu. „Das Dachdeckerhandwerk war für mich immer präsent“, erzählt die junge Handwerkerin. Mit einem Lächeln ergänzt sie: „Schon in der Grundschule habe ich in die Freunde-Bücher der anderen Kinder Dachdeckermeisterin als Berufswunsch eingetragen.“
Dachdeckerin werden: der Oma blieb es noch verwehrt
Das Ziel hat sie fast erreicht: Als erste Frau in ihrer Familie wurde Rebecca Brandenstein 2016 Dachdeckergesellin und besucht seit 2021 die Meisterschule. „Meine Oma wollte auch Dachdeckerin werden, aber in der Zeit ihrer Jugend war ihr das leider noch verwehrt.“ Ein Glück für die Familie, dass die Vorbehalte gegenüber Frauen im Handwerk heute vielerorts abgebaut sind. Einen Bruder, der die Nachfolge im Unternehmen antreten könnte, hat die angehende Meisterin nämlich nicht.
Das Vorbild ist der eigene Vater
Als junge Frau im Dachdeckerhandwerk kennt Rebecca Brandenstein natürlich die Kanäle populärer Influencerinnen wie Sunny Roofer auf Instagram. Fragt man sie nach ihren ersten und größten Vorbildern, sagt die Handwerkerin jedoch unvermittelt: „Mein Vater und natürlich auch mein Großvater.“ Dachdeckerin Rebecca Brandenstein ist dankbar, den traditionsreichen Familienbetrieb, in dem sie auch einen Teil ihrer Lehre verbracht hat, einmal übernehmen zu dürfen. „Der Betrieb ist erfolgreich und hat einen guten Namen. Meine Familie hat das in Generationen aufgebaut, darauf bin ich sehr stolz.“
Stolz auf 120 Jahre Familientradition
Seit 120 Jahren existiert die 1902 gegründete Dachdeckerei. Heute steht die Müller+Bug GmbH für ein breites Spektrum an Gewerken rund um Dach und Fassade. Zu den 24 Mitarbeitern im Mitglieds-Betrieb der Dachdecker-Einkauf Süd eG zählen Dachdecker, Zimmerer und Bauklempner, einige mit Meistertitel. Vom Dachstuhl über Eindeckung bis zu den Regenrinnen kann das Unternehmen seinen Kunden daher ein lückenloses Angebot unterbreiten.
Rebecca Brandenstein liebt die Vielfalt der Projekte
Auf die Frage, ob sie sich auch einen anderen Beruf als den der Dachdeckerin vorstellen kann, antwortet die ansonsten gesprächige junge Frau prompt: „Nein.“ Das liegt an der Abwechslung, die Rebecca Brandenstein im Handwerk erlebt, auch weil der Familienbetrieb so breit aufgestellt ist. „Es gibt so viele Dachtypen und Baumaterialien und Ausführungen. Jedes Projekt ist anders.“
Außerdem schätzt sie das für den Erfolg erforderliche Zusammenspiel aus Teamarbeit und individueller Kreativität. Ganz besonders gefällt ihr, dass die Ergebnisse des Dachhandwerks nicht flüchtig, sondern von Dauer sind. „Man kann an einem Gebäude vorbeifahren und denkt sich: Dieses Dach habe ich mit meinen eigenen Händen vor zwanzig Jahren gebaut. Und es ist immer noch da und sieht gut aus.“
Keine fachliche Frage an den Vater bleibt ohne Antwort
Rebecca Brandenstein kennt das Gefühl, sich als Frau im Dachhandwerk beweisen zu müssen: „Diesen Druck mache ich mir aber selbst. Tatsächlich habe ich nie Repressalien gespürt, weil ich eine Frau bin, weder in der Berufsschule noch im Job. Das ist an mir völlig vorbei gegangen.“ Dass die angehende Meisterin trotzdem höchste Ansprüche an sich selbst hat, liegt sicherlich auch an der wichtigen Position ihres Vaters. Immerhin ist Jürgen Bug seit 2008 Obermeister der Dachdecker-Innung Fulda.
Für Tochter Rebecca überwiegen im beruflichen Umgang mit dem Vater aber Stolz und Bewunderung: „Vieles, was ich weiß und kann, habe ich von meinem Großvater und meinem Vater gelernt. Ich konnte und kann bis heute jede Frage stellen, mein Vater nimmt sich die Zeit und hat die richtige Antwort.“
Erst Meisterin werden und später Chefin
Rebecca Brandenstein verfolgt ein Ziel: Sie will den Meistertitel, um sich das nötige Fachwissen für die spätere Geschäftsführung des Dachdeckerbetriebs anzueignen. Betriebswissenschaftliche Kenntnisse hat sie nach der Gesellinnenprüfung bereits im Studium der Volkswirtschaftslehre erworben. „Der Meistertitel ist für mich eine Grundlage dafür, mehr Verantwortung im Betrieb übernehmen zu können“, meint die Dachdeckerin, die schon als Sechsjährige das erste Mal auf dem Dach stand.
Ein Ziel ist das papierlose Büro
Heute arbeitet Rebecca Brandenstein überwiegend im Büro, schmiedet aber auch dafür schon Zukunftspläne, Stichwort Digitalisierung. „Wir wollen vor allem die internen Abläufe weiter modernisieren. Unser Ziel ist ein papierloses Büro.“
Und privat? „Ich gehe viel raus, weil ich mich gerne unter freiem Himmel in der Natur aufhalte. Meistens ist mein Hund dabei“, erzählt die junge Dachdeckerin. Freude an der Bewegung draußen ist eine gute Voraussetzung, wenn man sich die Fortführung der elterlichen Dachdeckerei als Lebensaufgabe gesetzt hat.