Dachdecker Westfalen: Generationenwechsel an Lorenz-Burmann-Schule
30. August 2022
Das Ende einer Ära bricht an: Ein Großteil der Führungsmannschaft des Bildungszentrums des westfälischen Dachdeckerhandwerks, der Lorenz-Burmann-Schule in Eslohe, steht kurz vor dem Ruhestand. Was machen? „Es war absehbar, dass wir hier ein Problem bekommen könnten“, blickt Fritz-Marius Sybrecht, Hauptgeschäftsführer des Innungsverbandes Westfalen, mit einigen Jahren Abstand zurück. Bildhaft erinnert er sich an diese Zeit – Wochen, in denen viel auf dem Spiel stand. Der bundesweit zweitgrößte Verband nach Nordrhein brauchte einen Generationenwechsel.
Frisch im Amt und gleich unter Dampf
Der studierte Rechtsanwalt aus Dortmund hatte also kurz nach Übernahme des Amtes an der Spitze im Jahr 2018 gleich wichtige Entscheidungen zu treffen. Es wurde ein Plan geschmiedet: „Ich lud das gesamte Führungspersonal zu einem Wochenende ein. Wir gingen ohne konkrete Idee, wie wir das lösen sollten, hin und kamen zumindest mit einer handfesten Ahnung zurück, wie es gelingen könnte.“
Ein halbes Dutzend Spitzenpositionen neu besetzt
Von den damals sechs vakanten Spitzenpositionen, inklusive Schuldirektor, Leitung der überbetrieblichen Ausbildung sowie dem Technik-Chef, sind alle neu besetzt. „Im Herbst diesen Jahres wird der letzte Mitarbeiter aus dem alten Kreis ersetzt“, schildert Sybrecht. Und ebenfalls erfreulich: „Bis auf eine Person konnten wir alle aus den eigenen Reihen rekrutieren.“
Jugend bringt verjüngende Ideen
Dabei fand selbstverständlich eine gehörige Verjüngung statt, die sich in diesem Zuge auch in untergeordneten Rollen fortsetzte. „Junge Ausbilder haben zwei ganz entscheidende Vorteile gegenüber älteren – zumindest meistens“, schildert der Jurist. „Mit Glück können sie einem lange erhalten bleiben, was für Konstanz im Kollegium und bei den Ausbildern sorgt. Zudem beherrschen sie die Ansprache der Schüler meist besser, da sie näher an ihnen dran sind.“ Obendrein strebt die neue Führungsrunde an, den Verband und insbesondere die Schule zu modernisieren, damit auch die Methoden zeit- und somit zielgruppengerecht bleiben. „Wir wollen eine klare Ausrichtung, die alle Aspekte unseres Berufslebens mit neuem Leben füllt“, setzt Fritz-Marius Sybrecht als Ziel für die kommenden Jahre.
Grundfesten der Lorenz-Burmann-Schule
Doch an der grundlegenden Struktur haben alle Reformen hinter den Kulissen nichts geändert – warum auch? Die Lorenz-Burmann-Schule besteht immer noch aus einem Berufskolleg, einer Meisterschule sowie aus der überbetrieblichen Lehrlingsausbildung, an der Jahr für Jahr etwa 1200 junge Menschen das Dachdeckerhandwerk von der Pike auf erlernen oder sich darin weiterbilden.
„Wir geben zeitgleich etwa 280 Schülern die Möglichkeit, bei uns zu übernachten“, beschreibt der Chef die Kapazitäten des schuleigenen Wohnheimes. Zur Freizeitgestaltung biete man zudem einiges: Mountainbikes, Kanus und vieles mehr gehörten zu Dingen, die man bereithalte. „Die Naherholung im Sauerland bietet viel und wir öffnen hier möglichst viele Türen für private Aktivitäten, damit alle auch wieder mit Freude an den Werkbänken stehen.“
Durchfallquote ist leicht gestiegen
Bei den Durchfallquoten der angehenden Gesellen hat sich wenig getan: „Wir stehen verglichen mit anderen Bildungseinrichtungen sehr gut dar, erleben aber seit einigen Jahren einen kleinen Anstieg von ein paar Prozent, sodass inzwischen im Schnitt etwa 25 Prozent durch die Prüfung fallen.“ Teils führt er dies auf das Ankommen vieler einstiger Geflüchteter in den Ausbildungen zurück. Bei ihnen mache sich der logischerweise noch aufzuholende Rückstand in der deutschen Sprache bemerkbar.
Berufskolleg – der andere Weg ins Dachhandwerk
Als drittes der Standbeine der Schule muss man das Berufskolleg nennen. Eine Besonderheit, denn zusätzlich zur Ausbildung wird hierbei ein Realschulabschluss erworben. Hierfür braucht es besondere Angestellte. „Unsere 22 Lehrer am Kolleg befinden sich in einem beamtenähnlichen Status unter Aufsicht der Bezirksregierung. Sie stehen aber unter der Regie des Innungsverbandes als privater Träger“, beschreibt er die komplexe Struktur.
Mittel- bis langfristig überlegt der Verband sogar, das Kolleg um die Möglichkeiten zu erweitern, das Abitur abzulegen. Von hier aus könnten sich den Absolventen dann verschiedene Wege eröffnen, entweder direkt zum Meister oder zu einem Studium. Konzepte wie diese bringen laut Sybrecht zwar nicht die besten Handwerker hervor, aber gute Unternehmer mit Meisterbrief, die mit breiter Ausbildung die Betriebe führen können.
Lorenz-Burmann-Schule platzt aus allen Nähten
Mit ihren insgesamt 1200 Schülern, die jedes Jahr über alle Zweige verteilt das Bildungszentrum der Lorenz-Burmann-Schule besuchen, ist man personell und vor allem von den Räumlichkeiten her am Limit. „Wir platzen aus allen Nähten“, klagt der Geschäftsführer. Weitere Projekte oder eine Ausweitung von bestehenden sei nur bei neuen freien Kapazitäten denkbar. Hinzu kommt, dass die Gebäude inzwischen arg in die Jahre gekommen sind. Zum Glück fallen die Schulungen vor Ort nach den gesetzlichen Regularien in die Sparte „überregionale Bildung“ und würden deshalb zu hohen Anteilen vom Land Nordrhein-Westfalen (NRW) gefördert.
Neubauten für Erweiterung der Kapazitäten
„Um die Kapazitäten zu erweitern, planen wir, gut 60 Prozent der Lorenz-Burmann-Schule komplett neu zu bauen“, berichtet Sybrecht. Nur die Werkhallen seien davon ausgenommen, ansonsten gilt für die Schülerunterbringung, die Schulräume an sich sowie auch für alles rund um die Versorgung auf dem Campus das Motto „größer, neuer – schlicht besser.“ „Die ersten Gespräche mit der Gemeinde laufen und auch die Landesbehörden sind bereits tiefergehend involviert“, so Fritz-Marius Sybrecht. Zusammengenommen wird die Maßnahme mit um die 55 Millionen Euro zu Buche schlagen, wovon aber bis zu 95 Prozent gefördert werden könnten.
Von der Notwendigkeit des Ausbaus ist der Hauptgeschäftsführer unumstößlich überzeugt: „In den nächsten 50 bis 100 Jahren ist Handwerk auf dem Dach gefragt wie nie zuvor.“ Die Schwerpunkte aus dem Koalitionsvertrag der jetzigen NRW-Landesregierung machen dies aus seiner Sicht deutlich. Zu den dortigen Zielen gehörten der Ausbau der energetische Gebäudesanierung sowie der Ausbau von von Photovoltaik-Anlagen.
Sie interessieren sich für die Bildungszentren des Dachhandwerks? Dann lesen Sie unsere Story über die Dachdeckerausbildung in Berlin, wo man trotz aller beachtlichen Erfolgen vehement mit steigenden Durchfallquoten zu kämpfen hat.
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