Photovoltaik gehört in die Hand der Dachdecker
20. Oktober 2022
Der Markt für Photovoltaik (PV) explodiert. Es gibt höhere Einspeisevergütungen und in den ersten Bundesländern kommt ab 2023 eine Solarpflicht für Dächer. Die Einkaufsgenossenschaften der ZEDACH eG und die Verbände der Dachdecker unterstützen die Betriebe von Beratung, über Technik, Vertrieb und Weiterbildung bis zu Kooperationen und politischer Lobbyarbeit.
„Die aktuelle PV-Nachfrage ist gigantisch. Der Markt explodiert, auch wegen der Solarpflicht, die ja ab 2023 in Baden-Württemberg gilt und auch in weiteren Bundesländern kommt“, so Björn Augustin, Vorstand Warenwirtschaft der ZEDACH eG und der Dachdecker-Einkauf Süd eG. Was das Material angeht, „bekommen wir bislang noch für jedes Projekt eine Lösung hin.“ Auch deshalb, weil die DE Süd nach Ende des ersten PV-Booms das Geschäftsfeld weiter vorangetrieben hat.
DE Süd Vorreiter in Sachen Photovoltaik
Das zahlt sich heute aus, auch für andere der fünf Einkaufgenossenschaften. Denn die DE Süd hat mit der Solar-Dacheinkauf GmbH & Co. KG über Jahre einen bei den Herstellern von Wechselrichtern, Modulen und Zubehör etablierten Vertriebspartner aufgebaut. „Über die Lieferanten der GmbH bedienen wir auch Anfragen aus anderen Genossenschaften, damit deren Mitglieder und Kunden ebenfalls mit Ware versorgt werden können“, berichtet Augustin. Das sei wichtig, weil aktuell viele Hersteller wegen der starken Nachfrage keine Neukunden aufnehmen würden. „Wir im Süden sind sehr weit mit unserer eigenen GmbH, die inzwischen neun Mitarbeiter beschäftigt und sehr gute Umsätze erzielt.“
Aktuell entwickelt die ZEDACH eG für alle Genossenschaften sowie deren Mitglieder und Kunden einen Solar-Konfigurator. Über diesen können Kosten und Wirtschaftlichkeit eines PV-Projekts mit wenigen Klicks berechnet werden.
DEG Koblenz will im PV-Geschäft durchstarten
Richtig durchstarten im PV-Geschäft will auch die DEG Alles für das Dach eG. Mit Marco Dernbecher wurde vor drei Monaten ein Bereichsleiter Erneuerbare Energien eingestellt, der am Hauptsitz Koblenz ein Expertenteam für die Unterstützung der inzwischen 47 Niederlassungen aufbauen soll. „Heute erkennen alle fünf Genossenschaften wieder die Chancen im PV-Markt, wobei jede in der Strategie auf ihre Weise vorgeht. Wir wollen einen technisch geprägten Vertrieb aufbauen und die Mitarbeiter in den Niederlassungen für das Thema begeistern. Diese sollen mit dem zusätzlichen Angebot Photovoltaik die Beziehungen zu ihren Dachdeckern und Zimmerern stärken“, erläutert Vorstand Oliver Pees.
Dachdecker beim Einstieg ins PV-Geschäft unterstützen
Unterstützung auf allen Ebenen sollen vor allem die Betriebe erhalten, die neu ins PV-Geschäft einsteigen wollen. „Im Kreise der Dachhandwerker gibt es sicherlich den ein oder anderen, der bereits in den vergangenen Jahren Erfahrungen, Know-how und tiefgreifende Kenntnisse erlangt hat. Wir wollen ergänzend der kompetente Fachhandelspartner für die Mitgliedsbetriebe sein, die bis dato nur wenig Berührungspunkte mit Photovoltaik hatten und das für die Zukunft ändern möchten“, erklärt Pees.
In Sachen Produkte gilt die Faustregel, nur so komplex wie nötig. Einfach soll es sein in der Montage, nicht überfordernd. „PV-Aufdachanlagen sind erst einmal das Wichtigste. Die sind effizient in der Leistung, das klassische Produkt. PV-Indach ist ästhetischer, ja, aber das Ganze ist komplexer, was etwa die Themen Lüftung und Hitze angeht“, erläutert Marco Dernbecher, der über 20 Jahre Erfahrung mitbringt und im PV-Bereich sowohl bei Herstellern als auch Händlern gearbeitet hat.
Mehr Offenheit für Photovoltaik
Dernbecher sieht eine gewisse Unsicherheit bei den Betrieben. „Schon die Dachsanierung selbst ist sehr beratungsintensiv. Dann auch noch PV, da gibt es schon Respekt.“ Aber gerade im Zuge des Generationenwechsels in den Betrieben bemerkt Dernbecher neue Offenheit. „PV wird mehr und mehr als Zukunftschance gesehen. Zugleich wissen die Dachdecker, dass sie Vorlaufzeit brauchen, in die Struktur investieren müssen, auch in Weiterbildung und Know-how. Und es gilt, Netzwerke mit Elektrikern aufzubauen.“
Die DEG will bei allen Prozessen vom Hersteller bis zum Endkunden unterstützen. „Wir werden vertriebliche Hilfe bieten, etwa Verkaufstipps. Über Merkblätter zu Steuern und Recht, zu Elektrikeraufgaben oder technische Themen. Die Mitarbeiter in den Niederlassungen sollen alle Fragen rund um die Standardprodukte beantworten können. Für alle spezielleren Themen steht im Hintergrund das interne Kompetenzcenter in Koblenz zur Verfügung.
Wichtige Themen: Verfügbarkeit und Logistik
Ein wichtiges Thema ist auch die Lagerhaltung in den Niederlassungen. Hier geht es um die Themen Verfügbarkeit und Logistik. „Wie können die verschiedenen PV-Materialien jeweils am besten eingelagert und konfektioniert werden, um den Platzbedarf in den Regalen zu minimieren? Das gilt auch für den Dachdecker selbst, wenn er in seinem Lager PV-Ware bevorraten will“, so Dernbecher.
Der Bereichsleiter Erneuerbare Energien freut darüber, dass auch die Verbände das PV-Thema anschieben, etwa das Berufsbildungswerk des Deutschen Dachdeckerhandwerks (BBW) in Mayen mit einer Weiterbildung zum Photovoltaik-Manager im Dachdeckerhandwerk. Bis Mitte August 2022 gab es schon zehn Termine mit rund 200 Teilnehmern. Weitere 18 Termine sind bereits geplant.
Weiterbildung Photovoltaik-Manager
Die Nachfrage ist groß bei den Dachdeckern, erste Landesverbände wie Nordrhein haben den Wochenkurs auch gebucht. Sie sind dann der Ausrichter, das BBW-Team stellt die Dozenten und Kursinhalte. Am Ende erhalten die Teilnehmer nach bestandener Lernstandkontrolle eine Zertifizierung durch den Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH). Zentrale Themen sind der Blick auf die Marktperspektive, Elektrotechnik, Recht und Steuern sowie Software-Planungstools, Technik und Wartung. „Die für den Photovoltaik-Manager bereits bestehende Kooperation mit dem Elektrotechnikerhandwerk wollen wir noch vertiefen“, erläutert BBW-Geschäftsführer Rolf Fuhrmann.
Große Nachfrage in Sachen Know-how
Für das BBW bedeuten die vielen zusätzlichen Seminare einen erhöhten Planungsaufwand, „aber der Bedarf ist halt jetzt da und wir wollen darauf reagieren“, so Fuhrmann. „Wir haben zum Glück flexible Dozenten, wie den ZVDH-Vizepräsidenten Michael Zimmermann, der das erste Modul übernimmt.“ Fuhrmann freut sich, dass die Dachdecker die Bedeutung des Geschäftsfelds PV erkannt haben. „Wir stellen fest, dass das Thema im Dachdeckerhandwerk verstärkt wahrgenommen wird, die Dachdecker bereit sind, das Weiterbildungsangebot zu nutzen und die Energiewende mitzubauen. Das ist auch ein Zeichen gegenüber den Endkunden nach dem Motto: Wenn ihr es nachhaltig wollt, beauftragt den Dachdecker.“
Nächste Weiterbildung: Gründach-Manager
In Sachen Nachhaltigkeit steht bereits das nächste Projekt in den Startlöchern. Die Weiterbildung zum Gründach-Manager will das BBW in Kooperation mit dem Bundesverband GebäudeGrün (BuGG) im nächsten Jahr ebenfalls als Wochenkurs starten. PV und Gründach sollen am BBW auch in der überbetrieblichen Ausbildung zum Thema werden. „Dass junge Menschen als Dachdecker aktiv etwas gegen den Klimawandel tun können, ist eine Steigerung der Attraktivität unserer Ausbildung“, meint Fuhrmann.
Kombinierte Förderung für Dachsanierung und PV-Anlage
Der Dachdecker wird in der Öffentlichkeit zunehmend als klimarelevanter Beruf wahrgenommen. Hier setzt ZVDH-Hauptgeschäftsführer Ulrich Marx an. „Wir wollen die Politik mit konkreten Ansätzen überzeugen und schlagen eine Koppelung von Förderung für energetische Sanierung und PV vor unter dem Namen ‚Eine-Million-Dächer-Sanierungsprogramm‘. Denn PV sollte nicht aufs Dach, wenn darunter keine gute Dämmung ist. Wer als Hausbesitzer mehr tut, sollte auch mehr bekommen.“
Zu dem Zuschuss für Wärmedämmung sollten noch 25 Prozent für Photovoltaik hinzukommen. Und beim Zuschuss fürs Dämmen wünschen wir uns auch die 20 Prozent zurück, nach der aktuellen Kürzung auf 15 Prozent. „Die Kombination aus Dämmung und PV-Anlagentechnik bringt das höchste Einsparpotenzial, was ja auch die jüngste Studie gezeigt hat, die wir zusammen mit dem Verband der Ziegelindustrie in Auftrag gegeben haben.“
Mit den Elektrikern eng kooperieren
In einer Arbeitsgruppe beim Zentralverband des Deutschen Handwerks beraten die Dachdecker mit Bildungsministerium und Wirtschaftsministerium die Frage, wie das Ganze angesichts fehlender Fachkräfte trotzdem funktionieren kann. „Damit keine neuen Querschnittsberufe mit kurzer Ausbildungszeit geschaffen werden, müssen wir Dachdecker zeigen, dass wir die PS auf die Straße bringen. Dafür ist eine enge Kooperation mit den Elektrikern unerlässlich, die wir jetzt auf Bundesebene bereits realisieren“, erklärt Marx.
Erfolgreich angelaufen ist die Kooperation schon in Baden-Württemberg, wo es ab 2023 eine PV-Pflicht auf allen Dächern geben wird. Der Landesinnungsverband des Dachdeckerhandwerks und der Fachverband für Elektro- und Informationstechnik haben einen Informationsleitfaden erarbeitet, der Innungsfachbetrieben am Beispiel von zwei musterhaften Kundenprozessen aufzeigen soll, wie gewerkeübergreifende Photovoltaik-Kooperationen in der Praxis realisiert werden können.
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