Holzbau Deutschland fordert Steuervorteile für nachhaltiges Bauen
15. Juni 2018
DACH\LIVE: Herr Aicher, die Liste Ihrer sportlichen Aktivitäten ist beachtlich lang …
Aicher: … na ja, aufgrund meiner vielen Ehrenämter habe ich viel im Betrieb abgegeben, meine beiden Töchter sind inzwischen die Geschäftsführerinnen. Da muss ich schon sehen, dass ich sportlich dran bleibe, sonst sind die anderen plötzlich fitter als ich (lacht). In der abgelaufenen Sommersaison habe ich mit dem Mountainbike allein 60.000 Höhenmeter überwunden! Na und dann sind da noch das Tauchen, Bergsteigen oder Ski-Bergsteigen, Mountainbiken, Tischtennis, Kanufahren und das Fliegen ist ebenfalls mein Hobby.
DACH\LIVE: Morgen fliegen Sie in der Eigenschaft als europäischer Präsident der Zimmerer nach Oslo …
Aicher: Aber nicht im Cockpit. In Norwegen werden 80 Prozent der Häuser aus Holz gebaut. Norwegen wird künftig ein interessantes Mitglied in unserer europäischen Dachorganisation, der Timber Construction Europe, werden, deren Präsident ich seit Jahresbeginn bin.
DACH\LIVE: Blicken wir nach Deutschland, was sind die Forderungen von Holzbau Deutschland an die nationale Politik?
Aicher: Es wird immer wichtiger, klimafreundlich und nachhaltig zu bauen. Gerade dem energieintensiven Bausektor kommt eine entscheidende Rolle zu, den Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren. Damit fordern wir die Berücksichtigung der Energie, die für Herstellung eines Hauses benötigt wird. Der Energieverbrauch bei der Herstellung eines Bauwerks soll genauso in die Gebäudeenergiebilanz einfließen wie der Energieverbrauch bei der Nutzung. Hieraus sollen sich Steuervorteile für nachhaltige und C02- einsparende Bauweisen ergeben.
DACH\LIVE: Welche infrastrukturellen Rahmenbedingungen müssen sich in Deutschland für die Zimmerer verbessern?
Aicher: Da ist zum Beispiel die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen. Es gibt ja nicht etwa eine, die für alle Bundesländer gleichermaßen gilt. Im schlimmsten Fall wäre es sogar möglich, 16 verschiedene Vorschriftenregelwerke zu haben, für jedes Bundesland ein anderes. Hier muss Vereinheitlichung her. Ebenso bei den Landesbauordnungen.
DACH\LIVE: Sie zielen auf die Brandschutzbestimmungen?
Aicher: Ja, das ist ein wichtiger Punkt! Beim Brandschutz ist es ja vor allem wichtig, bestimmte Sicherheiten einzuhalten, also die Mindestzeitdauer eines Brandes zu gewährleisten, bevor der Bau an den tragenden Teilen nachgibt.
Dabei ist es unseres Erachtens vollkommen unerheblich, ob das Material brennbar ist oder nicht. In vielen Verordnungen wird hier aber unterschieden. Es kommt vor allem darauf an, dass das Material den Flammen je nach Brandschutzklasse – bei Feuerschutzklasse F90 beispielsweise 90 Minuten lang – standhält. Das kann ein entsprechend dicker Balken genauso wie ein Stück Mauerwerk. Wir brauchen beim Brandschutz eine stärkere staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung, um solche Grenzen auszutarieren.
DACH\LIVE: Vielen Gewerken, den Dachdeckern beispielsweise, fehlt es an Nachwuchs. Auch der demografische Wandel zeichnet hier seine Spuren. Bei den Zimmerern scheint es dieses Problem nicht zu geben. Wie erklären Sie sich das?
Aicher: Die Arbeitssicherheit konnte in den vergangenen Jahrzehnten deutlich erhöht, die körperlichen Arbeitsanforderungen deutlich gesenkt werden. Wir können als Zimmerer mit den digital gesteuerten Abbundmaschinen und CNC-Fräsen wesentliche Teile eines Dachstuhls in Hallen im Betrieb vormontieren. Die Arbeit geschieht nicht in großer Höhe und kann optimal mit Maschinen vor Ort unterstützt werden.
DACH\LIVE: Danach montieren wir auf der Baustelle in nur kurzer Zeit unter freiem Himmel beispielsweise einen Dachstuhl auf ein Gebäude. Das bedeutet hohe Präzision bei den Werkstücken, aber auch hohe Arbeitssicherheit und auch flexible Arbeitszeiten sind möglich. Dazu sind die Mitarbeiter nicht stetig der Witterung ausgesetzt. Das macht den Handwerksberuf des Zimmerers besonders attraktiv.
DACH\LIVE: Apropos digital: Ist „Building Information Modeling“ ein Thema, mit dem sich Holzbau Deutschland auseinandersetzt? Welchen Wandel erleben Zimmerer durch die Digitalisierung?
Aicher: Seit mehr als 30 Jahren gibt es computergesteuerte Abbundanlagen. Somit ist die Digitalisierung, also die digitale Verknüpfung von Planung und Fertigung, bei den Zimmerern bereits lange Realität. Wir als Holzbau Deutschland achten auch darauf, dass unsere Auszubildenden lernen, wie sie digitale Technik in ihrem Beruf einsetzen. Davon profitieren auch die Betriebe.
Dennoch ist BIM im Bauwesen noch in einem Anfangsstadium. Vielen auf dem Markt eingesetzten Programmen fehlt es noch an vernünftigen Schnittstellen. Dann könnten die Datenpakete vom Aufmaß über die Vorplanung bis zur Nachkalkulation und das Gewährleistungsmanagement durchgehend genutzt werden. Über unseren europäischen Verband Timber Construction Europe wirken wir bereits an den Normungen in Europa mit.
Das Pendant zu Peter Aicher bei den Dachdeckern ist Dirk Bollwerk. Lesen Sie im Interview, welche Themen dem Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks besonders wichtig sind.