Corona: mit welchen Auswirkungen die Dachdecker rechnen
16. Juli 2020
Wenn man mit Dachdeckern und Zimmerern spricht, ist Corona natürlich ein Thema. Es müssen eben alle Abläufe möglichst so organisiert werden, dass sich kein Kunde oder Mitarbeiter ansteckt. Da das meist klappt, brummt in vielen Betrieben, vor allem den größeren, das Geschäft. „Himmelfahrt hatten wir den ersten freien Tag seit Langem“, berichtet ein Zimmerermeister. Ähnlich hört sich das Ergebnis der Betriebsbefragung des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) von Ende April an. Die meisten Betriebe spürten bislang keine oder nur geringe Auswirkungen durch Corona.
Lieferkette in der Bedachungsbranche funktioniert reibungslos
Das hat natürlich auch damit zu tun, dass bislang die gesamte Lieferkette von der Industrie über den Bedachungshandel bis zu den ausführenden Betrieben ziemlich reibungslos funktioniert. Engpässe in Sachen Material gab es bislang für die Dachdecker und Zimmerer fast gar nicht. Einzig beim Schiefer zeigen sich Schwierigkeiten, weil in Spanien die Produktion zwischenzeitlich stillstand. „Es deuten sich in Sachen Material auch keine Engpässe an, selbst was das Ausland angeht“, erläutert Stefan Klusmann, Vorstand der Dachdecker-Einkauf Ost eG. Er sieht insgesamt für das Jahr 2020 keine direkten Auswirkungen auf die Bedachungsbranche.
Die fünf Einkaufsgenossenschaften hätten direkt Anfang März auf die Tube gedrückt, um mögliche Lieferstörungen für die Mitglieder und Kunden zu vermeiden. „Wir haben bundesweit in unseren Niederlassungen die Lagerkapazitäten stark ausgeweitet, um alle wichtigen Artikel vor Ort zu haben“, berichtet Klusmann. Auch im Bereich der Baustellenbelieferung sowie der Materialabholung liefen die Dinge so verlässlich weiter wie gewohnt. „Wir haben unseren Teil dazu beigetragen, dass die Dachdecker und Zimmerer ihre Aufträge abarbeiten konnten.“
Natürlich mit einigen Änderungen, um die Hygienevorschriften und Abstände einhalten zu können im Sinne der Gesundheit von Kunden und Mitarbeitern. Dabei spielten sich nebenbei neue Modelle der Kooperation ein. Die Lkw-Fahrer laden heute schnell ab, Lieferscheine werden auf Vertrauensbasis auch mal nicht unterschrieben. In den Niederlassungen steht die Ware auch schon auf dem Hof, um abgeholt werden. Es wird weniger persönlich kommuniziert, aber die Lieferkette funktioniert. „Die Betriebe bestellen mehr telefonisch und über unser Online-Bestell- und Informationssystem (OBIS) als am Tresen der Niederlassung“, sagt Klusmann.
Für mittelfristige Risiken sollten Betriebe gewappnet sein
Wie es mittelfristig weitergehen wird, kann Klusmann auch nicht so genau einschätzen, klar. Doch die Risiken benennt er schon. „Wenn man sieht, wie viel Zeit es braucht von der Baugenehmigung bis zur Realisierung, dann werden die Effekte der Corona-Krise sich für das Dachhandwerk erst 2021/2022 zeigen. Das Handwerk ist oft erst ein Jahr später dran.“ Da gelte es gewappnet zu sein und jetzt zu überlegen, was zu tun ist. „Wir tun das als Genossenschaften und die Betriebe sollten es auch tun.“ Hier gehe es um Eigenmarketing, um die Akquise von Aufträgen über soziale Medien und die eigene Website, auch wenn heute noch alles wie von selbst laufe.
Aktuell brummt das Geschäft. In Sachen Auftragsvorläufe zeigt sich, dass fast 67 Prozent der befragten Betriebe noch bis zu vier Monate mit Aufträgen versorgt sind, 30 Prozent geben sogar an, auch darüber hinaus Arbeiten in den Büchern zu haben. Dennoch mahnt ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk, dass „bei all diesen positiven Ergebnissen klar sein muss, dass man den Krisenzustand nur noch begrenzt durchhalten kann.“ Gerade auch private Auftraggeber leiden finanziell unter der Krise, und wenn es dann nicht unbedingt notwendig ist, wird das Dach nicht neu gedeckt. „Zudem rechnen wir im Gewerbebau zunehmend mit deutlicher Zurückhaltung bei Investitionen“, führt Bollwerk weiter aus. Ab Herbst, so fürchten denn auch einige Betriebe, werde sich das Blatt möglicherweise wenden.
Konjunkturpaket der Bundesregierung hilft auch dem Handwerk
Damit es nicht dazu kommt, hat die Bundesregierung Anfang Juni zusätzlich zu den bisherigen Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Betriebe der Länder, den Sofortkrediten der KfW-Bank, dem Kurzarbeitergeld sowie den Steuerstundungen noch ein 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket aufgelegt. Die auf ein halbes Jahr begrenzte Absenkung der Mehrwertsteuer ab Juli 2020 von 19 auf 16 Prozent und von sieben auf fünf Prozent soll für einen Aufschwung beim privaten Konsum sorgen. Zudem will die Bundesregierung die EEG-Umlage und damit den Strompreis sowie die Sozialversicherungsbeiträge jeweils durch Zuschüsse stabil halten.
Alles Maßnahmen, die sinnvoll sind, auch für das Handwerk. Das gilt ebenso für die Übernahme der Hälfte der Ausfälle bei der Gewerbesteuer. Damit entlastet der Bund die Kommunen, die wieder Spielraum für Investitionen in die Infrastruktur, gerade in Sachen energetischer Sanierung, erhalten.
Photovoltaik steht wieder im politischen Fokus
In diese Richtung geht auch der zusätzliche Beschluss der Bundesregierung, die finanzielle Deckelung der Förderung von Photovoltaik-Anlagen für 2020 aufzuheben. „Das ist ein hervorragendes Ergebnis für die Energiewende und den Klimaschutz. Und sie ist zugleich ein starker Impuls für Konjunktur und Beschäftigung, gerade in diesen schweren Zeiten. Die Erneuerbaren sind eine Zukunftstechnologie“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Noch einen drauf setzte das Bundesland Bremen bei der Förderung von Solarenergie. Nach dem jüngsten Beschluss der Bürgerschaft sollen künftig alle Neubauten zwingend mit Solardächern versehen werden. Auch bei bestehenden Gebäuden sollen Photovoltaikanlagen Pflicht werden, wenn das Dach komplett erneuert wird und dies laut rot-grün-roter Landesregierung für Hausbesitzer „wirtschaftlich zumutbar“ sei. Auf jeden Fall tun sich hier im Zusammenspiel mit der seit Jahresbeginn möglichen steuerlichen Absetzbarkeit von Projekten der energetischen Sanierung neue Chancen auf für Dachdecker und Zimmerer.
Bau-Bündnis fordert Investitionen in energetische Sanierung
Diese Projekte sind sicher im Sinne des Bündnisses zur Umsetzung konjunkturpolitischer Maßnahmen im Gebäudebereich, bestehend aus 14 Verbänden der Baustoffindustrie und des Handwerks. Es geht zentral um die Förderung der energetischen Gebäudesanierung als wichtigem Element für die Erreichung der Klimaziele. „Das Dachdeckerhandwerk hat das große ökologische Potenzial des Gebäudesektors erkannt. Unsere Betriebe dämmen Dachflächen, Wände und Geschossdecken, bringen Solaranlagen auf Dächer und sorgen mit Dachbegrünungen gerade in Ballungsräumen für gutes Klima“, sagt ZVDH-Hauptgeschäftsführer Ulrich Marx.
Damit es aufgrund des drastischen Einbruchs bei Gewerbe- und Einkommenssteuer mittelfristig zu keinen Investitionsengpässen im Baubereich komme, seien zusätzliche Anreize wichtig, um die energetische Modernisierung des Gebäudebestandes voranzutreiben.
Womöglich ist es am Ende so, dass die unvorhersehbare Corona-Pandemie dazu den entscheidenden Anstoß gegeben hat. Dann könnte es am Ende dazu kommen, was sich auch Stefan Klusmann gut vorstellen kann. Dass das Handwerk durch die gezielte staatliche Förderung von zukunftsweisenden Investitionen ab 2021 gar nicht erst in die Krise rutscht.
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